Stricken mit helfenden Händen
Autor: Dieter Britz
Münnerstadt, Donnerstag, 20. Februar 2020
Seit 20 Jahren besteht bereits die Strick- und Häkelgruppe in Poppenlauer. Und sie hat sich stark gewandelt. Mittlerweile stricken die Damen vor allem für caritative Zwecke. Auch der Austausch untereinander kommt nicht zu kurz.
"Zwei rechts, zwei links: Geschichten vom Stricken", lautet der Titel eines 2017 erschienenen Taschenbuches aus dem Suhrkamp-Verlag. Bevor Autorin Ebba D. Droshagen vielleicht einmal eine Neuauflage plant, sollte sie vorher in Poppenlauer bei den Damen der Strick- und Häkelgruppe vorbeischauen und deren Geschichte aufschreiben.
Diese Gruppe besteht nun 20 Jahre und hat sich in dieser Zeit stark gewandelt. Die Damen stricken und häkeln nicht nur Socken, Babyschuhe und -jäckchen, Schals oder Handschuhe, Pullover, Spielzeugtiere und sogar Taschen für sich selbst oder ihre Kinder und Enkel, sondern vor allem auch für caritative Zwecke - für die Rumänien- und für die Tschernobyl-Hilfe. Natürlich sind sie beim alljährlichen Weihnachtsmarkt im Schrimpf'schen Schloss mit dabei und verkaufen dort, was sie das Jahr über gestrickt haben.
Angefangen hat alles jedoch mehr als Folkloregruppe. Zusammengehalten wird dieser Kreis, der sich zwei Mal im Monat trifft, seit seiner Gründung von Magdalena Dünisch.
Kurz nach 14 Uhr im Seniorenraum des alten Rathauses, der von Kaffeeduft durchzogen wird. Ein knappes Dutzend Damen der Strick- und Häkelgruppe hat schon an den Tischen Platz genommen, vor sich jede Menge Wollknäuel in allen Farben, manche mehrfarbig. Ein ganz leises Klappern der Stricknadeln ist zu hören. Eine der Frauen beendet gerade einen ziemlich großen mehrfarbigen Strumpf, andere arbeiten ebenfalls an Socken, eine strickt einen Pullover, eine einen Handschuh und eine einen Schal. Alle sind versierte Profis mit jahrzehntelanger Strick-Erfahrung, sodass sich die Hände und Finger fast vollautomatisch, wie Strick-Roboter, bewegen.
Viel Zeit zum Austauschen
Da bleibt viel Zeit und Gelegenheit, sich gleichzeitig auch über Neuigkeiten aus dem Dorf oder über Koch- und Marmeladenrezepte auszutauschen und sich gegenseitig zu erzählen, wie es den Enkelkindern und dem Ehemann geht. Magdalena Dünisch (79) von der Biegenmühle war 30 Jahre Ortsbäuerin in Poppenlauer, Freie-Wähler-Kreisrätin und drei Wahlperioden lang stellvertretende Landrätin. Sie kennt die Geschichte der Strick- und Häkelgruppe wie niemand sonst, denn sie war von Anfang an dabei.
Alles fing im Jahr 1999 an, als der Maßbacher Ortsteil sein 1100-jähriges Bestehen feierte. Um den Besuchern zu demonstrieren, wie man früher auf dem Dorf lebte, wurde in einem Bauernhof eine Spinnstube eingerichtet. Die Frauen strickten, häkelten oder spannen Wolle. Männer waren auch dabei. Sie spielten Karten, flochten Körbe oder banden Besen. Nicht zu vergessen: Viel gesungen wurde in den Spinnstuben auch, und Geschichten wurden erzählt. Magdalena Dünisch machte einen Spinn-Kurs, um gut mit einem Spinnrad umgehen zu können. Sie kann es jetzt, aber sie muss sich konzentrieren. "Ich kann nicht reden dabei", erzählt sie. Die Spinnstube bekam Angebote aus dem ganzen Landkreis für Auftritte. Die Gewerbeschau in Oerlenbach oder der Markt in Maria Bildhausen sind nur einige Beispiele. Eine Urkunde, die im Seniorenraum hängt, bescheinigt die Teilnahme an einem Rekordversuch "Die größte Strickstube der Welt" im Juli 2001 in Bad Brückenau für das Guinness-Buch. Doch die Spinnstuben-Besetzung wurde älter, zwei Frauen starben, eine kann nicht mehr teilnehmen. Deshalb wurde das Kapitel "historische Spinnstube" letztes Jahr mit einem Auftritt in Thundorf beendet.
Alle vier Wochen getroffen
Doch schon ab 1999 trafen sich die Frauen alle vier Wochen zum gemeinsamen Stricken und Häkeln in der Biegenmühle von Magdalena Dünisch abseits des Dorfes. Für ältere Frauen, die vielleicht sogar auf einen Rollator angewiesen waren, war es schwierig, an den Strick- und Häkelnachmittagen teilzunehmen. Das änderte sich schlagartig, als im Oktober 2018 im Alten Rathaus mitten im Ort nicht zuletzt auf Initiative des Seniorenbeauftragten der Gemeinde, Marktgemeinderat Winfried Streit, im alten Rathaus der Seniorenraum eingerichtet wurde. Streit hofft, dass auf absehbare Zeit der Treppenaufgang mit seinen hohen Stufen noch verbessert werden kann, damit auch Rollstuhl- und Rollatorfahrer ohne Probleme mindestens ins Erdgeschoss gelangen können.