Spiel mit der Orgel, der Stimme und der Akustik
Autor: Björn Hein
Münnerstadt, Montag, 04. Januar 2016
Neujahrskonzerte haben in unseren Breitengraden eine lange Tradition. Landauf landab kann man am 1. Januar Konzerte erleben. Diese sind meist sehr weltlicher Natur. Anders war das in Münnerstadt, bei dem das Neujahrskonzert in der Stadtpfarrkirche in der Thematik immer wieder das am 1. Januar gefeierte Hochfest der Gottesmutter Maria mit aufnahm.
Sopranistin Radka Loudova-Remmler verstand es, den Marienliedern Seele einzuhauchen und mit den dargebotenen Weisen die Zuhörer in der sehr gut besuchten Stadtpfarrkirche St. Maria Magdalena zu begeistern.
Reizvolle Akzente
Dabei wurde sie von Regionalkantor Peter Rottmann auf der Klais-Orgel begleitet. Dieser setzte außerdem in seinen Solostücken eigene reizvolle Akzente, die gemäß der Konzertreihe "Klangraum Stadtpfarrkirche Münnerstadt" das Gebäude mit einbezogen und mit einer klanglichen Vehemenz daherkamen, die in ihrer Frische und Unverbrauchtheit ihresgleichen sucht. Neben ganz klassischen Werken vergaß Rottmann nicht, auch moderne Akzente zu setzen und so auch auf sehr eindrucksvolle Weise mit der Raumakkustik zu spielen.Wie vertraut und sicher Peter Rottmann mit dieser umzugehen weiß, zeigte sich gleich beim ersten Stück, dem "Il est un petit L'ange" aus der Feder von Claude-Benigne Balbastre. Feierlich, mit leicht melancholischer Note, kam der Eingang des Stücks daher, wobei der Organist das Vorspiel leichtfüßig zu interpretieren verstand. Glockenspielartige Klänge zauberten dabei eine ganz besondere Atmosphäre, was eine schöne Abwechslung bot, bevor die Orgel dann im Forte wieder auf die Grundmelodie zurückkam. Bereits beim ersten Stück gelang es Rottmann, die vielfältigen Möglichkeiten, die die Orgel für den Künstler bietet, dem Publikum vorzuführen.
Zum Träumen brachte die Zuhörer dann das "Ave Maria" von Wolfgang Amadeus Mozart, bei dem Rottmann und Loudova-Remmler gekonnt zusammenwirkten. Die Sopranistin füllte mit ihrer schönen Stimme den Kirchenraum und präsentierte das auf Latein gesungen Stück sehr einfühlsam.
Prächtiges Miteinander
Mit figurativen Variationen an der Orgel, die die Zuhörer immer wieder überraschten, wusste das "Quand Jesus naquit à Noël" von Balbastre zu gefallen. Gleitende Veränderungen in der Lautstärke spielten regelrecht mit der Raumakustik und vermittelten, wie eng Kirchenraum und Orgel zusammenhängen.Dabei griff Rottmann virtuos auf die verschiedensten Register der Klais-Orgel zu und zeigte, wie immens groß der Tonfarben-Umfang sein kann, wenn ein Könner dieses Instrument bedient. Dabei übten glockenspielähnliche Passagen einen ganz besonderen Reiz auf die Zuhörer aus.
Peter Rottmann wusste mit seiner lebhaften Interpretation voll und ganz zu überzeugen. Hier zeigte sich auch seine Vorliebe für Stücke, die etwas aus dem Rahmen fallen und die das Publikum überraschen können. Beim "Mutter Gottes" aus der Oper "Das Geheimnis" von Bedrich Smetana ging die Sopranistin Loudova-Remmler ganz in dem Stück auf und verstand es, die sehnsuchtsvollen Passagen den Zuhörern sehr gut nahe zu bringen. Das virtuose Orgelspiel tat ein übriges, um das Publikum zum Träumen zu bringen. Die erste Strophe wurde dabei in der Originalsprache gesungen, was das Stück noch reizvoller machte.
Immer wieder überraschend
Einen Kontrapunkt zu dieser fast romantischen Weise war der modern anmutende "Choral Nr. III in a-moll" von César Frank.
Die dynamischen Übergänge, die in großer Zahl auftraten, ließen dieses Kirchenlied fast tremolierend erscheinen und bauten so eine ganz eigene Klangwelt auf, in der auch hier die Kirche als Klangkörper miteinbezogen wurde. Die einzelnen Passagen überraschten das Publikum immer wieder aufs Neue, Peter Rottmann setzte hier ganz auf die Bereitschaft des Publikums, auch Klangexperimenten gegenüber aufgeschlossen zu sein. Gerade diese Experimentierfreude des Regionalkantors ist es, die die Konzerte in der Stadtpfarrkirche immer zu etwas Besonderem für Musikliebhaber werden lassen.Den musikalischen Kontrast nicht scheuend, leiteten die Künstler zum "Ave Maria" von Mascagni über, um dann gleich wieder beim "Shalom" (hebräisch für: Friede) des zeitgenössischen Autors Toon Hagen zu landen. Auch bei diesem Stück war wieder ein reizvoller Kontrast festzustellen: Während die Begleitung rasch vorwärts trieb, war das Thema beinahe meditativ-ruhig gehalten und passte in dieser Antagonie sehr gut zum Begriff des "Friedens", der an der Oberfläche zwar ruhig ist, im Untergrund aber immer wieder der Anstrengung bedarf, damit er von Dauer ist. Eine äußerst sinnige Metapher, die da musikalisch aufbereitet wurde - und zudem ein Genuss für alle Liebhaber der Orgelmusik.
Stimmgewaltig und doch subtil
Majestätisch, klar und wiederum einen Gegenpunkt zum vorherigen Stück bildend war dann der "Crown Imperial" von William Walton.
Radka Loudova-Remmler gab noch einige Opernstücke zum Besten, bei denen sie es verstand, trotz großer Stimmgewalt dennoch subtil die Stimmung der Lieder wiederzugeben und sich jeweils in die Psyche der Personen einzufühlen, über die die Opernauszüge handelten. Mit dem "Sanctus" von Charles Gounod ließ man das Konzert auf traditionelle Weise ausklingen.Nicht enden wollender Applaus zeigte, dass es den Zuhörn außerordentlich gut gefallen hat. Mit stehenden Ovationen feierten sie die Leistung Rottmanns und der Sopranistin Radka Loudova-Remmler. Als Zugabe wurde dann noch das allseits bekannte und beliebte "Ave Maria" von Bach/Gounod gegeben, bei dem Peter Rottmann durch seine einfühlsame Begleitung an der Orgel brillierte und Radka Loudova-Remmler noch einmal zeigte, wie gefühlvoll sie ihre Stimme zu führen weiß.