Seltener Vogel stoppt Bau eines Regenrückhaltebeckens in Großwenkheim
Autor: Heike Beudert
Großwenkheim, Freitag, 20. Juli 2018
Für die Erschließung eines Baugebietes muss in Großwenkheim ein kleiner Regenrückhalt entstehen. Der Standort liegt im Wiesenbrütergebiet. Der Landesbund für Vogelschutz fordert einen Rückbau.
Bekassinen sind maximal 140 Gramm schwer und knapp 30 Zentimeter groß. Und doch hat es dieser Vogel in Großwenkheim geschafft, für einen Baustopp bei der Erschließung eines Baugebiets zu sorgen. Konkret geht es um den Regenrückhalt für das Oberflächenwasser des Neubaugebiets Langgutsberg. Dafür hat die Stadt ein Grundstück ausgewählt, das nach Angaben des Landesbundes für Vogelschutz als Wiesenbrütergebiet kartiert ist. "Es ist völlig unverständlich, dass hier ein Regenrückhaltebecken gebaut wird", so Matthias Scheffler vom Landesbund für Vogelschutz am Freitag.
Bürgermeister Helmut Blank hofft dennoch, dass es deshalb zu keiner Verzögerung im Bauzeitenplan folgt. Davon geht derzeit auch der zuständige Planer Matthias Kirchner aus. Denn der Baustopp kam zumindest zu einem günstigen Zeitpunkt. Denn momentan hätten die Arbeiten dort ohnehin aus bautechnischen Gründen geruht.
Für Matthias Kirchner ist es das erste Mal, das ihm wegen eines Vogels eine Baumaßnahme gestoppt wurde. Er hatte in seiner 20-jährigen beruflichen Tätigkeit schon mit Feldhamstern, Eidechsen und seltenen Insekten zu tun. Nur waren diese Feld- und Flurbewohner im Vorfeld eines Bauprojektes ein Thema und nicht erst mitten im Bau. Er wusste auch gar nicht, dass in Großwenkheim in Ortsnähe seltene Vögel brüten. Bei der Grundstückssuche wurde das nach Angaben Helmut Blanks auch nicht berücksichtigt. "Das Grundstück war für uns die beste Möglichkeit". Die Suche nach einer geeigneten Fläche sei langwierig und schwierig gewesen, weiß Matthias Kirchner.
Der Größe nach sei das Becken eher ein Tümpel, erklärt der Planer. Wasserrechtlich sei dieses für die Erschließung des kleinen Baugebietes als notwendig eingestuft worden.
Der Rückhalt ist vorgeschrieben
Um die Wasserfläche überhaupt herstellen zu können, musste ein Schotterweg gebaut werden. Als dieser fertig war, kam der Brief vom Landratsamt, dass nicht weiter gebaut werden dürfe. Matthias Kirchner ist froh, dass der Bau des Wasserbeckens derzeit ohnehin ruht, weil der Zubringerweg auf moorigem Untergrund liegt und sich erst setzen muss, ehe er befahren werden kann. Kirchner und Blank hoffen nun, dass sich mit dem Landratsamt eine Lösung findet, wann und wie die Arbeit wieder aufgenommen werden kann. Die von der Behörde gewünschte naturnahe Bauweise sei gegeben, versichert der Bautechniker. Dass nicht im Vorfeld bekannt wurde, dass die Baumaßnahme in Konflikt mit den Naturschutz kommen könnte, liege wohl daran, dass das Werk so klein ist, dass es gar nicht baugenehmigungspflichtig sei."Es ist nur eine Mulde im Gelände", meint Kirchner. Und in der Bauleitplanung war der Bau angezeigt, der Standort aber noch nicht konkretisiert.
Matthias Scheffler vom Landesbund für Vogelschutz sieht die Situation dagegen anders. Er geht soweit, dass er von einem Schwarzbau spricht. Dass auch noch während der Brutzeit gebaut wurde, empört den Vogelschützer zusätzlich. Er hatte ebenso wie der Wiesenbrüterbeauftragte des Landkreises, Matthias Franz, das Gebiet um Großwenkheim im Frühjahr besucht. Beide hatten dort jeweils über einen längeren Zeitraum eine balzende Bekassine beobachtet. Eines Tages entdeckte Scheffler den Vogel auf einem frisch ausgehobenen Erdhaufen, daneben noch der Bagger.
Nach Auskunft der Pressestelle am Landratsamt Bad Kissingen befindet sich die Baustelle für das Regenrückhaltebecken in einem Wiesenbrütergebiet, wo die Bekassine vorkommt Diese Schnepfenart besiedelt in der Brutzeit Moore und feuchtes Grünland. Das Gelege wird nach Auskunft der Pressestelle meist Ende Mai gelegt. Die Brutdauer beträgt 20 Tage. Weitere vier bis fünf Woche später ist der Bekassinen-Nachwuchs flugfähig. Matthias Scheffler betont, dass diese Vogelart vom Aussterben bedroht ist.
Auf den dorfnahen feuchten Wiesen- und Ackerflächen Großwenkheims lassen sich immer wieder seltene Vogelarten nieder. Seit langem haben Natur- und Vogelschutzbund ein wachsames Auge auf diese Bestände.
Kompromiss möglich?
Nach Angaben des Landratsamtes wird bezüglich des weiteren Vorgehens an der Baustelle aktuell ein gemeinsamer Termin im Landratsamt koordiniert, bei dem sowohl die Untere Naturschutzbehörde sowie Vertreter des Planungsbüros und der Stadt Münnerstadt teilnehmen werden. "Ziel ist es, sich auf eine Wiesenbrüter-verträgliche Umsetzung des Bauvorhabens zu verständigen", heißt es in der Stellungnahme der Pressestelle des Landratsamtes.Für Matthias Scheffler vom Vogelschutzbund gibt es dagegen kein Bekassinen-freundliches Regenrückhaltebecken. Er lehnt einen solchen Kompromiss ab. Scheffler fordert deshalb den kompletten Rückbau samt Schotterweg.
Für Bürgermeister Helmut Blank ist diese Forderung "befremdlich". Er möchte auf jeden Fall nicht von dem Regenrückhaltebecken am jetzigen Standort abrücken.