Premiere im Theater Schloss Maßbach mit "Honig im Kopf"
Autor: Thomas Ahnert
Maßbach, Montag, 06. Juli 2020
Nach mehr als drei Monaten coronabedingter Schließung feierte das Theater Schloss Maßbach mit der Premiere von "Honig im Kopf” den Beginn der Freilicht-Saison.
Darf man über demente Menschen Witze machen, darf man über Alzheimer laut lachen? Vor sechs Jahren noch hätte man diese Frage mit einem kategorischen Nein beantwortet. Aber dann kam in den deutschen Kinos der Film "Honig im Kopf" heraus, eine Produktion von Till Schweiger und Hilly Martinek, mit dem ohnehin schon immer ein bisschen komisch wirkenden, grimassenbegabten Dieter Hallervorden als dementem Opa Amandus Rosenbach.
Und plötzlich war das Eis gebrochen, der Film wurde zum unerwarteten Kassenschlager. Das war nicht unbedingt zu erwarten, denn er behandelt ein zwar medizinisch und gesellschaftlich ernsthaftes und wichtiges Thema und ist daher eigentlich auch nicht massentauglich. Aber das, was das Publikum an die Kinokassen lockte, war der überraschende, gut geerdete Humor, der die Rezeption erleichterte. Warum auch nicht. Schließlich haben demente Menschen ja nicht ihren Humor, sondern ihr Kurz- und Mittelzeitgedächtnis verloren. An die alten Witze von Anno Tobak, die sie in ihrer Jugend erzählt haben, erinnern sie sich genau - und erzählen sie immer wieder.
Der Regisseur und Schauspieler Florian Battermann hat aus dem Filmskript eine Bühnenfassung erarbeitet, und seine Kollegin Sandra Lava hat mit ihr die Spielzeit auf der Maßbacher Freilichtbühne eröffnet - und wird sie damit auch beschließen, denn es wird und muss die einzige Produktion in diesem Sommer bleiben.
Es ist eine Ironie des Schicksals, dass bei der Zusammenstellung des Spielplans für diesen Sommer, als noch niemand an Corona auch nur dachte, die Wahl ausgerechnet auf "Honig im Kopf" fiel. Denn es ist, ganz und gar pandemiegerecht, ein Stück der Entfernung, auch des Sich-vom-Leib-Haltens: Der Großvater Amandus Rosenbach, der nach dem Tod seiner Frau der Welt immer mehr abhandenkommt und der zunehmend verstört auf Eindringlinge in diese seine Welt reagiert; sein Sohn Niko und seine Schwiegertochter Sarah, deren Ehe an der Überforderung durch die Situation und ihre Flucht in die Arbeit zu zerbrechen droht; und ihre elfjährige Tochter Tilda, die ihren Eltern ihre Überforderung verübelt und die um ihren Opa kämpft, den sie nicht an ein Pflegeheim verlieren will, die sich seine alten Geschichten immer wieder anhört und ihn auch zum Erzählen ermuntert, um ihn in der Welt zu halten - und die ihn schließlich nach Venedig entführt, an das er sich erinnert, weil er dort als junger Mann seine Frau kennen gelernt hat.
Die beiden verbindet eigentlich eine enge Beziehung, aber auf die Idee, seine Enkelin und "Prinzessin" Tilda einmal in den Arm zu nehmen, wäre Amandus auch ohne Corona nie gekommen. Für Küsse und Umarmungen ist jetzt nicht die Zeit, die Gefühle müssen ausgespielt werden.
Das ist nur einer der Aspekte, die die Inszenierung so überzeugend machen. Sandra Lava hat eine außerordentlich differenzierte Personenregie mit einem ausgezeichneten Timing entwickelt, das jeder Nuance ihre Bedeutung und ihren Platz lässt. Ernst und heiter liegen hier ganz dicht und konsequent beieinander.
Aber sie hat freilich auch ein Team, das nach über zwei Monaten erzwungenem Stillstand froh ist, endlich wieder vor Publikum auf der Bühne zu stehen. Fritz Peter Schmidle - nach vielen Jahren endlich mal wieder in Maßbach - genießt seine Paraderolle als Amandus mit ganz großer Bühnenpräsenz.