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Noch gibt es in Münnerstadt die Fahrkarten am Schalter


Autor: Heike Beudert

Münnerstadt, Mittwoch, 04. April 2018

Im Münnerstädter Bahnhof gibt es noch eine Bahnagentur. Die Stadt Münnerstadt unterstützt diese Einrichtung, damit sie erhalten bleibt.
Adolf Kieslich betreibt in Münnerstadt eine Bahn-Agentur. Der pensionierte Bahnbeamte will aber zum Jahresende aufhören.Heike Beudert


Seit 64 Jahren steht Adolf Kieslich in den Diensten der Bahn, viele Jahrzehnte als Beamter und seit seiner Pensionierung als Betreiber einer Bahn-Agentur. Das Kommen und Ausfahren der Züge bestimmen bis heute seinen Tagesrhythmus. Die Bahn sei ein wichtiger Teil seines Lebens, bestätigt der Münnerstädter.
Die Stadt ist froh um die Existenz dieser Bahn-Agentur und das Engagement Kieslichs, ist sie doch mittlerweile ein Alleinstellungsmerkmal für Münnerstadt. Denn im gesamten Umkreis gibt es keinen persönlichen Fahrkartenverkauf mehr. Wer zum Beispiel in den deutlich größeren Bahnhöfen von Bad Kissingen oder Bad Neustadt ein Zugticket erwerben will, macht das über einen Videobildschirm oder geht gleich an den Automaten.

Deshalb hat Adolf Kieslich auch Kundschaft aus allen Teilen der Landkreise Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld. Es sind vor allem Bahnreisende, die im Internet nicht weiterkommen oder eine Beratung wertschätzen. Die Erfahrung des Münnerstädters ist vor allem bei komplizierten Bahnverbindungen gefragt. Oft sind es Gruppen, die den Service im Münnerstädter Bahnhof in Anspruch nehmen, zum Beispiel wenn die Reise ins Ausland gehen soll. Auch in den digitalen Zeiten kann eine solche Buchung ziemlich kompliziert sein, beispielsweise wenn ganze Radlergruppen für sich und ihre Ausrüstung Reservierungen benötigen. Da müsse man genau wissen, wie das funktioniert, sonst spuckt der Computer keine Fahrkarte aus, meint Adolf Kieslich. Auch hat er zusammen mit dem Kreisjugendring über viele Jahre die Bahnfahrten der Tschernobylkinder organisiert.

Adolf Kieslich ist mitunter auch Ansprechpartner, wenn es unerwartete Schwierigkeiten auf einer Fahrt gibt, wie in dieser Woche bei einer Reisegruppe, die im französischen Wallfahrtsort Lourdes vom Bahnstreik in Frankreich überrascht wurde. Weil der gebuchte Zug bestreikt wurde, meldete sich die Pilgergruppe telefonisch bei Adolf Kieslich und bat um Hilfe. Er setzte sich also an seinen Computer und versuchte Bahnverbindungen zu finden, die nicht bestreikt werden. Die digitale Technik ist ihm dabei eine große Hilfe. Früher, als man Kursbücher wälzen musste, sei das deutlich schwieriger gewesen, meint Kieslich.

Ohne die finanzielle Unterstützung der Stadt wäre die Bahnagentur aber wahrscheinlich nicht mehr zu halten. Die Provisionen für die kleinen Agenturen wurden in den letzten Jahren von der Bahn massiv gesenkt. Ohne städtische Förderung wären die Unkosten nicht mehr gedeckt.
Bereits seit 2016 unterstützt deshalb die Stadt mit einem monatlichen Zuschuss den Betrieb. Auch in diesem Jahr kann Adolf Kieslich wieder mit dieser Förderung kalkulieren, war der Beschluss einer nichtöffentlichen Stadtratssitzung.

Nach Angaben von Bürgermeister Helmut Blank unterstützt die Stadt den Betrieb der Bahnagentur aus unterschiedlichen Gründen. Das Bahnhofsgebäude befindet sich seit einigen Jahren in Händen der Stadt. Eine Nutzung der ehemaligen Betriebsräume verhindert einen Leerstand, der ebenfalls Unkosten nach sich ziehen würde. Gleichzeitig sieht die Stadt Münnerstadt die Bahn-Agentur als Aushängeschild des Städtchens. Bahnreisende, die hier ihre Fahrkarten am Schalter kaufen, würden oft auch in Münnerstadt einkaufen oder einen Kaffee trinken. Und als drittes läuft in diesem Jahr das Kunstprojekt "else!²", wodurch der Bahnhof verstärkt im Blickpunkt steht.



Trotz der Unterstützung der Stadt ist offen, wie es ab 2019 mit der Bahn-Agentur weiter gehen wird. Denn Adolf Kieslich will sich Ende 2018 definitiv zurückziehen . "Irgendwann muss man einmal aufhören", betont der Bahner. Eigentlich wollte er schon vor einem Jahr im endgültigen Ruhestand sein, hat aber dann doch weiter gemacht.
Die Stadt möchte, dass die Bahn-Agentur auf jeden Fall weitergeführt wird. Mit der Bahn sind deshalb auch Gespräche anberaumt. Ursprünglich sollte eine erstes in diesen Tagen stattfinden, jetzt wurde es in den Mai verschoben.



Gleichzeitig soll in diesem Gespräch über eine Erweiterung von Parkflächen rund um das Bahnhofsareal gesprochen werden. Die Parkmöglichkeiten sind begrenzt , so dass die Autofahrer bereits auf Seitenstreifen ausweichen. Erweiterungsmöglichkeiten bestehen in Richtung des ehemaligen Jäger-Areals.
Die Fläche ist bereits in städtischer Hand. Das Gebäude müsste abgerissen werden, so Helmut Blank. Wie dann die weitere Nutzung sein wird, Parkflächen oder Gewerbeansiedlung, müsse der Stadtrat entscheiden.