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Multitasking ist ein Mythos


Autor: Heike Beudert

Münnerstadt, Donnerstag, 27. Juli 2017

96 Prozent von 134 befragten Münnerstädter Gymnasiasten haben als Fußgänger bereits einmal im Straßenverkehr ihr Smartphone benutzt.
Smartphone in der Hand und Fahrzeug lenken - die Schüler testeten auf dem Kettcar, wie problematisch das ist. Foto: Heike Beudert


Das ergab eine Umfrage des Kultusministeriums unter Jugendlichen am Schönborn-Gymnasium. In Münnerstadt fand die zentrale Veranstaltung für Unterfranken "Augen auf die Straße" statt, die Kultus- und Innenministerium zusammen mit der Landesverkehrswacht und der Polizei bayernweit veranstalten.
Die Zahl zeigt, so Maria Wilhelm vom bayerischen Kultusministerium, wie wichtig es sei, Jugendliche wie Erwachsene auf die Gefahren der Smartphone-Nutzung im Straßenverkehr hinzuweisen. Zahlen, wie viele Unfälle tatsächlich auf Ablenkung durch Handy oder sonstige Geräte zurückzuführen sind, gibt es nach Auskunft von Markus Hack (Polizeipräsidium Würzburg) nicht. Im vergangenen Jahr wurden in Unterfranken jedoch 7000 Bußgelder verhängt, weil Autofahrer mit dem Smartphone in der Hand von der Polizei gestoppt wurden.
"Wir sind nicht multitaskingfähig", ermahnte Maria Wilhelm die Schüler. Regierungsvizepräsident Jochen Lange ergänzte: "Multitasking ist ein Mythos." Die Problematik der Smartphone-Nutzung im Straßenverkehr sei ein Phänomen, das in den vergangenen Jahren zunehmend zum Problem geworden sei, so Maria Wilhelm.


Mehr Verkehrserziehung

Heute stehe dieses Thema deshalb bereits auf dem Lehrplan von Grundschulen. Maria Wilhelm appellierte an die Schüler, selbst zu Multiplikatoren zu werden und Mitschüler und Familie für das Thema zu sensibilisieren. Der Schulleiter des Münnerstädter Gymnasiums, Joachim Schwigon, will die Verkehrserziehung im neuen Schuljahr an der Schule intensivieren.
Im Rahmen des Aktionstages hatten Schüler die Möglichkeit, Fachleuten Fragen zu diesem Thema zu stellen. Kritisch und engagiert setzten sich die Zehnt- und Elftklässler mit dem Thema auseinander. Max Birkelbach wollte wissen, weshalb die Smartphone-Nutzung für Autofahrer verboten ist, das Rauchen aber nicht. In eine ähnliche Richtung ging die Frage von Anna Hein. Sie fragte nach, ob die Nutzung eines Navigations-Displays nicht ähnlich gefährlich ist wie die eines Smartphones. Nur manche Dinge seien konkret verboten, bestätigte Hubert Schröder vom bayerischen Innenministerium. Es gelte jedoch immer der Grundsatz, dass niemand durch das eigene Verhalten gefährdet werden dürfe. Wird ein Unfall durch Rauchen am Steuer ausgelöst, könne durchaus eine Anklage folgen, ergänzte Gerald Pittner (Richter am Amtsgericht Bad Neustadt).
Welche Auswirkungen es für Fahranfänger hat, wenn sie während ihrer Probezeit mit Handy am Steuer erwischt werden, war eine Frage von Sophie Süssner. Passiert das zweimal, muss eine längere Probezeit absolviert und eine Nachprüfung abgelegt werden, erfuhren die Schüler von Pittner. Für Fußgänger wird es wohl kein Smartphone-Verbot geben, antwortete Schröder auf Frage von Amelie Dippold. Allerdings gelte hier ebenfalls der Grundsatz des allgemeinen Rücksichtsgebots. Weiteres Diskussionsthema war die Rettungsgasse. Eine App, die Autofahrer auf die Notwendigkeit einer Rettungsgasse hinweist, fanden einige Schüler als Widerspruch, weil der Autofahrer dadurch wieder abgelenkt wird.
Im Anschluss an die Diskussion hatten die Schüler die Möglichkeit, bei praktischen Übungen zu testen, wie leicht Unfälle durch Ablenkung passieren können. Dazu mussten sie ein Kettcar über einen Parcours lenken und gleichzeitig auf ein Smartphone blicken. Wie schwierig es ist, mit einer Drogenbrille die Balance zu halten, erlebten die Schüler an einer anderen Station. Außerdem gab es einen Fahrsimulator und eine Information zum toten Winkel sowie Kurzfilme und Workshops.