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Münnerstädter Dammweg verliert seine Bäume


Autor: Heike Beudert

Münnerstadt, Freitag, 20. Januar 2017

In den nächsten Wochen sollen entlang des Münnerstädter Hochwasserdeichs mehr als 100 Bäume gefällt werden. Es regt sich erster Widerstand.
Stefan Mai hat Plakate gemalt und an die markierten Bäume geheftet. Er hofft, dass die Abholzaktion noch gestoppt werden kann.  Fotos: Heike Beudert


Seit mehr als 40 Jahren schützt eine Deichanlage, die Münnerstädter sprechen vom Damm, die Altstadt erfolgreich vor Hochwasser. Doch der Hochwasserdeich ist mittlerweile viel mehr als eine technische Anlage. Er ist ein stadtnahes Erholungsgebiet mit viel Grün. Und genau hier gibt es jetzt Probleme. Die vor vielen Jahren angepflanzte Baumallee entlang des Dammweges muss weichen. Der Uferbewuchs der nahen Lauer ist davon nicht betroffen.
Deiche und Böschung dürfen, so ist auch in einem Merkblatt des Bayerischen Landesamtes für Wasserwirtschaft aus dem Jahr 1984 nachzulesen, nicht mit Bäumen bepflanzt sein. Deshalb müssen in den kommenden zwei Jahren annähernd 200 Bäume entlang des Deichs gefällt werden. Alleine bis Ende Februar sollen 106 Bäume verschwinden. Der Rest wird 2018 abgeholzt.
Der Münnerstädter Stefan Mai ist entsetzt. "Wir müssen das stoppen", sagt er und hat mittlerweile an allen zur Fällung markierten Bäume ein Schild angebracht. "Bitte lasst uns stehn", ist darauf zu lesen. Stefan Mai wünscht sich, dass sein Appell Wirkung zeigt. Der Hochwasserdamm sei der grüne Gürtel der Stadt. Wenn jetzt ein Kahlschlag kommt, sei dieser weg, und das Naherholungsgebiet verliere an Attraktivität.


Deichschutz vor Naturschutz

"Wir haben keine andere Wahl", sagt dazu der Umweltreferent des Stadtrates, Klaus Schebler. Er bedauert, dass die Bäume wegkommen, aber er sieht keine Chance, sie zu erhalten. Er nennt die klaren Richtlinien, an die die Stadt gebunden ist. "Aber es tut richtig weh, wenn man die Bäume sieht", betont Schebler. Ersatzbäume sollen an anderer Stelle gepflanzt werden. Wo ist noch offen.
2. Bürgermeister Michael Kastl erklärt, dass die Fällarbeiten in der nächsten Stadtratssitzung vergeben werden. Bis Ende Februar müssen die Bäume weg sein. Dann beginnt die Schonzeit für Gehölze. Bestandteil des Auftrages sei auch, so Klaus Schebler, dass die Wurzeln der Bäume aus dem Deichboden gefräst werden.
Die Kosten gehen voll zu Lasten der Stadt. Sie werden in diesem Jahr bei einer Summe zwischen 10 000 und 15 000 Euro liegen. Es handelt sich nach Angaben von Leonhard Rosentritt, dem Leiter des Staatlichen Wasserwirtschaftsamtes in Bad Kissingen), um reinen Unterhalt, der nicht gefördert wird.


Wurzeln sind ein Problem

Leonhard Rosentritt bestätigt, dass an der Abholzaktion kein Weg vorbeigeht. Eigentlich dürften die Bäume gar nicht dort stehen. Es sei schon immer so, dass Deiche frei von Bewuchs sein müssen. Denn diese könnten eine Deichanlage gefährden, ist die Erklärung, die nicht nur Leonhard Rosentritt gibt, sondern die auch in Veröffentlichungen im Internet zu finden ist. Begründung ist, dass im Falle eines Hochwassers das Wurzelwerk unterspült werden kann. Dadurch würden Bäume ihre Bodenhaftung verlieren und könnten bei Wind umfallen. Dabei besteht die Gefahr, dass die entwurzelten Bäume Löcher in den Deich reißen. Der Deich könnte brechen, "und Münnerstadt säuft ab", drückt es Rosentritt ganz drastisch aus.
Die Wasserwirtschaft hat lange Zeit diese Vorgaben in Münnerstadt nicht allzu streng umgesetzt. "Man schaut recht lange zu", meint Leonhard Rosentritt. Solange der Bewuchs klein war, wurde ein Auge zugedrückt. Mittlerweile aber haben die Bäume nach Auskunft Rosentritts eine kritische Größe erreicht. Zudem wird der richtigen Pflege der Hochwasserschutz-Einrichtungen wohl mehr Aufmerksamkeit geschenkt, weil es in den vergangenen Jahren in anderen Teilen des Freistaats vermehrt Hochwasser mit erheblichen Schäden gegeben hat.
Nachdem die Bäume seit Jahrzehnten wachsen durften, ist es natürlich jetzt schwer zu vermitteln, dass sie plötzlich dem Deich schaden sollen. Stefan Mai hat erhebliche Bedenken, dass die Maßnahme wirklich sinnvoll ist. Deshalb hofft er, dass er Mitstreiter im Kampf um einen Erhalt der Bäume bekommt.


Naturschutz beugt sich

Kritisch sieht zwar auch die Untere Naturschutzbehörde am Landratsamt die Fällarbeiten. Rechtlich gesehen, hat man aber keine Chance, die Bäume zu erhalten. "Naturschutzbelange spielen hier eine untergeordnete Rolle", heißt es in einer Stellungnahme der Landkreis-Pressereferentin Lena Pfister. "Die Sicherheit von Deichen hat Vorrang vor einer Bepflanzung und der Erhaltung des vorhandenen Bewuchses", heißt es in dem Merkblatt des Bayerischen Landesamtes für Wasserwirtschaft zur standortgemäßen Begrünung von Deichen und Dämmen.
Aus dem Landratsamt in Bad Kissingen kommt deshalb die Stellungnahme: "Die Untere Naturschutzbehörde akzeptiert also den Vorrang dieser Maßnahme." In Zukunft müsse darauf geachtet werden, dass ein Bewuchs am Deich erst gar nicht hochwächst, erklärt Rosentritt. Das Mähen ein- bis zweimal im Jahr reiche dafür aus.