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Münnerstadt: Eine Bahnlegende sagt leise ade


Autor: Thomas Malz

Münnerstadt, Donnerstag, 29. November 2018

Adolf Kieslich schließt seine Bahnagentur im Bahnhof Ende des Monats. Der 79-Jährige vom "Reisebüro Kieslich" ist inzwischen eine Legende.
Bürgermeister Helmut Blank (CSU) sieht zu, wie Adolf Kieslich eine Verbindung heraussucht. Doch damit ist Ende des Monats Schluss. Und diesmal endgültig.  Thomas Malz


Diesmal ist es wirklich vorbei. Endgültig, unwiderruflich. Vor zwei Jahren hatte er schon einmal aufhören wollen und sämtliche Verträge gekündigt. Doch Bürgermeister Helmut Blank (CSU) bat ihn, doch noch ein bisschen weiterzumachen und sicherte ihm die Unterstützung der Stadt zu. Also hat Adoolf Kieslich seine Bahnagentur, die in Münnerstadt liebevoll "Reisebüro Kieslich genant wird, weiter betrieben. Bis Jetzt. "Ich gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge", sagt der Eisenbahner. "Ich mache das gerne, so viele Kunden sind über die Jahre zu mir gekommen." Trotzdem: Kurz bevor er 80 Jahre alt wird, trennt er sich von seiner Agentur, vom Bahnhof und von der Bahn, die ihn das ganze Leben begleitet hat.

1954 hat Adolf Kieslich bei der Bundesbahn angefangen, seit 1962 arbeitet er auf dem Münnerstädter Bahnhof. Anfangs waren es noch acht Eisenbahner. Münnerstadt hatte ein Stellwerk, einen Fahrdienstleiter und auch noch Güterverkehr. Die Kollegen wurden weniger, der Güterverkehr verschwand und schließlich wurde 1994 auch noch das Stellwerk abgebaut. Da war Adolf Kieslich bereits Fahrdienstleiter in Münnerstadt. Zwei Jahr lang bis 1996 übernahm der Eisenbahner noch den Fahrkartenverkauf in Münnerstadt und in Mellrichstadt, fuhr zwischen den Kleinstädten hin und her. 1996 war auch damit Schluss, aber Adolf Kieslich blieb dem Münnerstädter Bahnhof treu. Die Stadt mietete eine Raum, fortan gab es den Nahverkehrsladen.

Die Bahn passte sich den Veränderungen der Zeit an, und Adolf Kieslich tat das auch. Internet, Computer - alles kein Problem. Nur wurde das, was am Ende an Verdienst übrig blieb, immer weniger. Trotzdem hat er weiter gemacht. Bis jetzt. Während es in Bad Kissingen und Bad Neustadt längst schon die Videoreisezentren gibt, kümmert sich in Münnerstadt Adolf Kieslich direkt um die Kunden. "Die Leute spüren, dass er es mit Herzblut macht", sagt Helmut Blank dazu. "Hier bedient ein Mensch die Menschen." Das ist wohl auch der Grund, dass Adolf Kieslich Kunden hat, die zum Teil lange Wege in Kauf nehmen, um diesen Service in Anspruch zu nehmen. "Wenn ich etwas mache, mache ich es richtig oder gar nicht", sagt er.

Der Spitzname "Reisebüro Kieslich" kommt auch nicht von ungefähr. Wenn ein Kunde eine größere Reise plant, kann es schon vorkommen, dass er nicht in der kalten Schalterhalle stehen muss, sondern im Büro Platz nehmen darf. Der Kunde will nicht so oft umsteigen, es soll aber auch nicht so teuer sein "Wir finden schon das Richtige", sagt Adolf Kieslich. Und dafür wird er geschätzt.

Schnell werden Erinnerungen an längst vergangene Zeiten wach. "Ich habe mir hier immer meine Monatskarte nach Schweinfurt gekauft", sagt Helmut Blank. Damals wurde der "Arbeiterzug", der um 16.45 Uhr aus Schweinfurt in Münnerstadt ankam, noch von einer Dampflok gezogen. "Da hat die Fahrt noch 40 Minuten gedauert", weiß Adolf Kielsich. Heute sei es gerade einmal die halbe Zeit.

Viel hat sich verändert, und jetzt ist auch die Zeit der Bahnagentur von Adolf Kieslich gekommen. Mit 79 Jahren geht er in den Ruhestand. "Ich habe vollstes Verständnis", sagt Helmut Bank, aber er bedauert es schon. Die Stadt habe versucht, einen Nachfolger zu finden, aber niemand wolle das machen. "Das ist das Ende vom Bahnhof", sagt er. Das Haus, in dem nun noch lediglich die Reservistenkameradschaft Münnerstadt ihr Domizil hat, wird noch ein bisschen leerer sein. Demnächst werde dem Stadtrat ein Nutzungskonzept für das städtische Gebäude vorgelegt, so der Bürgermeister, der es gerne wieder mit Leben erfüllt sehen würde.

So, wie es in Frühjahr und Sommer beim spartenübergreifenden Kulturevent else2 der Fall war, erinnert der Bürgermeister. "Das war schön", bestätigt auch Adolf Kieslich. Doch das ist vorbei. Am Freitag, 28. Dezember, von 6.30 bis 12.15 Uhr wird auch er zum letzen Mal seine Agentur im Bahnhof öffnen. Bis dahin besteht die Möglichkeit, direkt von Mensch zum Mensch eine Fahrkarte zu kaufen. Später wird es dann ein Video-Reisezentrum geben. Die Zusage der Bahn liegt der Stadt bereits vor.

Adolf Kieslich hat keine Angst, dass es ihm ohne seine Agentur langweilig wird. Im Haus und im Garten gibt es viel zu tun. Oder überlegt er es sich doch noch einmal anders? Die Antwort ist eindeutig: "Diesmal gibt es kein Zurück."