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Molières Theater in Maßbach: Genervte Liebhaber sind zeitlos


Autor: Thomas Ahnert

Maßbach, Donnerstag, 15. Mai 2014

Die Aufführung des Intimen Theaters von Molières "Die Lästigen" vereint Geschichte und Gegenwart. Sie steht derzeit an verschiedenen Gastspielorten auf dem Spielplan und wird ab 31. Mai auf der Freilichtbühne vor dem Schloss in Maßbach gespielt.
Der ständig belästigte Liebhaber Eraste (Ingo Pfeiffer) schafft es einfach nicht bei Clymène Damis (Sandra Lava) um die Hand seiner Geliebten anzuhalten.  Fotos: Sebastian Worch


Mit der Aufführung von Stücken, die eigentlich nur "halb" sind, weil ein wichtiger Teil vermeintlich fehlt, haben die Maßbacher ja schon sehr gute Erfahrungen gemacht. Man denke nur an Beaumarchais‘ "Der tolle Tag", den sie vor einiger Zeit auf die Freilichtbühne gezaubert haben.

Denn das Stück von dem kecken Dienerpaar und dem eifersüchtigen, etwas dümmlichen Grafen, der es nicht schafft, seine frustrierte Frau zu betrügen, das im vorrevolutionären Frankreich große Probleme mit der Zensur hatte, diente Mozart und seinem Librettisten Lorenzo Da Ponte als ebenfalls mutige Textvorlage für die Oper "Le nozze di Figaro". Und da bleibt es natürlich nicht aus, dass man bei bestimmten Sätzen oder Konstellationen die dazu gehörigen Arien im Hinterkopf mitsingt. Man kennt sie halt.

Das kann bei dem neuen Stück, Jean-Baptiste Molières "Les Facheux" ("Die Lästigen"), nicht passieren. Nicht, dass es dazu keine Musik gäbe. Aber man kennt sie halt nicht - mehr. Als 1661 "Les Facheux" zum ersten Mal zu Ehren des Sonnenkönigs Louis XIV. aufgeführt wurde, begann auch die Geschichte einer Gattung, die nicht allzu lange anhielt: die Comédie-ballet, die man damals der Oper zurechnete, obwohl die Texte ausnahmslos gesprochen waren. Es war ein Theaterstück, das durch Musik und Tanz angereichert war.

Der Fall der Comédie-ballet

Bei "Les Facheux" hatten sich drei Leuchten der damaligen Zeit zusammengefunden: der Text von Molière, die Musik von Hofkapellmeister Jean-Baptiste Lully, die Tänze vom Hofchoreographen Pierre Beauchamps. Ihr bekanntestes Gemeinschaftswerk ist zweifellos "Le bourgeois gentilhomme" ("Der Bürger als Edelmann"). Dann zerstritten sich Molière und Lully, Charpentier kam dazu (dessen "Eurovisionshymne" kennt man immerhin noch), und dann starb der Dichter nach dem "Le malade imaginaire" ("Der eingebildete Kranke").
Das war noch nicht das Ende der Comédie-ballet, aber es ging mit ihr bergab. Schon im 18. Jahrhundert galt sie als unmodern, obwohl sich das Ballett noch länger gehalten hat.

Immerhin hätte Richard Wagner seine Pariser "Tannhäuser"-Aufführung gerne platzen lassen (die Geldnot war stärker), weil er gezwungen war, neben die Venusbergszene ein Ballett zu komponieren. Denn auch damals haben sich die feinen Herren in den Logen gerne im ersten Teil ihr "Pausenvergnügen" ausgeguckt. Das ist heute nicht mehr so wirklich vorstellbar - nicht einmal in einem Haus, das "Intimes Theater" heißt.

Was also tun mit einem Stück, das die letzten 300 Jahre als unmodern gegolten hat und dem wichtige Teile fehlen? Zunächst einmal hat sich Christoph Thein den Text geschnappt und ihn übersetzt. Er hat es einmal mehr dabei geschafft, Molières Sprache mit der heutigen so zu verbinden, dass ihre Quellen erkennbar bleiben, aber dass sie für heutige Menschen mit heutigem Humor plausibel und verständlich ist. Und sie gerät in einen guten Fluss. Anita Rask Nielsen hat ein für ihre Verhältnisse sehr kleinteiliges und erstaunlich buntes Bühnenbild gefertigt, das ein wenig den Charme eines unaufgeräumten Kinderzimmers verströmt. Und Jutta Reinhard hat historisierende, wunderschöne Kostüme geschneidert, die diese Buntheit weiterspinnen.

Spiel mit den Strukturen

Friedrich Bremer, der die Inszenierung besorgt hat, hat die heute veralteten Regeln der Commedia dell'arte aufgebrochen, hat daraus eine szenische Collage, einen Reigen gemacht. Er hat zwar Typen kreiert, ihnen aber auch Charakter gegeben und sie modernisiert. Und er hat mit den Strukturen gespielt. Er hat das Stück in eine Rahmenhandlung gestellt - also das berühmte Spiel über das Spiel im Theater - und damit die Sache schon einmal aufgelockert.

Und dann hat er den Eraste (Ingo Pfeiffer), den ständig belästigten Liebhaber, nicht zum Hektiker gemacht, der eigentlich nur durch den Park eilen will, um zu seiner Geliebten zu kommen, und dabei ständig angequatscht und mit Nabelschauen zugemüllt wird. Sondern er ist ein Phlegmatiker, der eigentlich nur im Park herumsitzt und zur leichten Beute der Lästigen und Selbstdarsteller wird, über die er sich dann umso heftiger aufregen kann.
Sogar seine Geliebte Orphise Damis (Katharina Försch) muss zu ihm kommen, wenn sie ihn sehen will. Er schafft es einfach nicht, bei Clymène Damis (Sandra Lava) um ihre Hand anzuhalten, weil ihm die soziale Arroganz dieser eiskalten Spekulantin vor allem lästig ist. Wenn er nicht seinen guten Freund Rivière-Montagne (Georg Schmiechen) hätte, der wie Oberons Puck für ihn immer wieder die Kastanien aus dem Feuer holt und ihm sagt, wo es lang geht, würde er im Park zum genervten Denkmal erstarren.

Der Trick, mit dem Rivière-Montagne Eraste schließlich zur Hochzeit mit Orphise bringt und auch noch Clymène genüsslich ruiniert, ist absolut heutig. Aber es gab ihn auch schon zu Molières Zeiten.

Bremer lässt seine Leute schon überzeichnen - da ist er noch auf dem Boden der Commedia dell'arte. Aber er macht sie auch zu Menschen, denen man genau so auch heute in der Oper oder im Park begegnen könnte. Und was auch schön ist: die sechs Lästigen, die dem Eraste so schön auf die Nerven gehen, werden von zwei Leuten (Silvia Steger und Marc Marchand) gespielt. Sie sitzen am Bühnenrand mit ein paar Klamotten und Requisiten und können damit schnell in wechselnde Rollen schlüpfen. Für die Zuschauer ist das jedes Mal eine genüssliche Überraschung, die zusätzliche Spannung schafft. Ein erstaunlich moderner Molière. Und erstaunlich selten gespielt. Das ändert sich jetzt vielleicht.

Aufführung Das Intime Theater spielt am Samstag, 17. Mai, und Sonntag, 25.5., um 19.30 Uhr sowie am 31.5.,, und 1. Juni, 6.6., 7.6., 8.6., 13.6., 14.6. und 15.6. jeweils um 20 Uhr im Fränkischen Theater Schloss Maßbach, "Die Lästigen", ein dreister Reigen nach der Komödie von Molière von Christoph Thein. Kartenreservierung ist unter Tel.: 09735/ 235 möglich (Montag bis Samstag von 9 bis 16.30 Uhr). Außerdem wird das Stück am Freitag, 23.5., um 19.30 Uhr im Bad Kissinger Kurtheater aufgeführt.