Liebevoller und kritischer Blick auf die Heimatstadt
Autor: Hartmut Hessel
Münnerstadt, Sonntag, 24. Juni 2018
Milli Genth präsentiert im Bahnhofsviertel ein Musik- und Textcocktail-Open-Air.
Der "grüne" Zug kam um 20.07 Uhr von Bad Neustadt und ließ die Fahrgäste am Münnerstädter Kulturbahnhof aussteigen. Wenige Meter weiter hatte sich die Konzertgemeinde quasi in die Büsche geschlagen, um mit der Entertainerin Milli Genth einen "Gefühlscocktail" zu trinken, gemixt aus Texten und Liedern der vergangenen 25 Jahre. Es waren von Anfang bis Ende eigene Kompositionen, beziehungsweise lyrische Ergüsse, die Milli Genth der Öffentlichkeit präsentierte.
Erfreulich ist, dass beim "else!2"-Projekt 2018 der Altersrahmen bei vielen Angeboten nicht eingeschränkt zu sein scheint. Ob 80 oder 18: Jeder und Jede hat sein Vergnügen daran.
Die Liedermacherin Milli Genth hat eine echte Alternative zur WM im Fernsehen geboten. Seit Jahren macht sich die überzeugte Münnerstädterin mit Texten aus Alltagsroutine und inneren Verwünschungen einen Namen. Ihre Melodien sind eingängig, im heimischen Studio produziert und als Playback mit Livestimme zu Gehör gebracht. Fetzig und auch stimmungsvoll: Der Genuss der musikalischen Cocktails bot für die gut 50 Gäste ziemlich viel Platz.
Ihr Münnerstadt kommt als Liebeslied und Liebesgedicht vor, der "Hometown" darf sich mit "Schlaraffenland", mit Einsamkeit" und viel Humor schmücken.
20.30 Uhr, vom Bahnsteig kündigt die sonore Frauenstimme aus dem Lautsprecher, dass "der rote Zug" Verspätung hat.
Das tut der Liebe zu Münnerstadt keinen Abbruch. Milli Genth's Gedicht vom "Schlaraffenland Münnerstadt" hat es in sich. Es ist 2013 entstanden, "in dem Jahr hat der Swingerclub geschlossen und der Kommunalwahlkampf begonnen". Es ist wie ein Jahresrückblick, manches wird durch die pointierte Rückschau wieder lebendig, weniges ins richtige Licht gerückt. "Realität und Traum gehen nicht immer Hand in Hand .... In der Lauer möge fließen purer Frankenwein, ganz ohne Seeblockade!"
Das Gedicht beschwört nostalgisch das vergangene Städtchen und stellt das heute dagegen.
"Mürscht ist kein Loser, weder ein trostloses Pflaster - doch ohne Moos nichts los, immer nur Ärger mit dem Zaster! " Milli Genth wünscht sich in ihrem Gedicht Lösungen für Münnerstadts Probleme, die, nicht immer astrein, in den Reimen aber nachvollziehbar erscheinen. Das Publikum sieht die dichterische Leiichtigkeit mit vielen Lachern nach.
Ein wenig politisch wird's dann auch wenn die Poetin "...der Braveheart-Battle pflügt das Lauertal entzwei .... Kein Wunder wenn es nur für "Neue Wege" reicht"! zum Besten gibt.
Ob Liebeslieder, ob Comedy-Verse, Milli Genth weiß, wo sie Zuhause ist. Sie artikuliert die Bodenständigkeit in schlaue, mit Fallen versehene Wortgeplänkel. Sie lässt ihre Zuhörer an dem Wahnwitz teilhaben, der ihr so über die Jahre begegnet ist und wirklich alle, die das hören, fragen sich, warum das so bekannt vorkommt.
So, wie eben auch in schöner Regelmäßigkeit die Züge - um 22.07 Uhr der "grüne" von Bad Neustadt kommend - den Menschen vor Ort ein Gefühl von Mobilität gibt. Einsteigen mit Milli Genth.