Druckartikel: Im Naturwald ist der Mensch nur Zuschauer

Im Naturwald ist der Mensch nur Zuschauer


Autor: Heike Beudert

Münnerstadt, Freitag, 04. November 2016

In Münnerstadt gibt es seit fast vier Jahrzehnten zwei Naturwaldreservate. Die Flächen im Staatswald sind komplett sich selbst überlassen.
Revierleiter Gerhard Max (links) und Forstoberrat Bernhard Zürner haben im Naturwaldreservat eine seltene Elsbeere entdeckt.  Foto: Heike Beudert


Wer als Spaziergänger oder Freizeitsportler in den Wäldern des Münnerstädter Tals unterwegs ist, der kennt vielleicht die Waldnamen "Dianensruh" oder "Dachsbau". Kaum einer weiß jedoch, dass es sich hier um besonders geschützte Waldbereiche handelt. Seit bald 40 Jahren findet hier keinerlei Waldbewirtschaftung mehr statt. Der Freistaat Bayern hat in diesen beiden Abschnitten des Staatswaldes rund 50 Hektar Fläche zu Naturwaldreservaten erklärt. Seitdem ist der Wald dort sich selbst überlassen.
"Man will schauen, wie sich die Bestände ohne den Menschen entwickeln", sagt Forstoberrat Bernhard Zürner (Amt für Landwirtschaft und Forsten Bad Kissingen) zum Projekt "Naturwald". Die Ergebnisse sollen Aufschluss darüber geben, wie sich der Wald in Zeiten des Klimawandels entwickelt. Und sie sollen hilfreich sein bei einer naturnahen Forstwirtschaft. Ein Eichen-Hainbuchen-Wald (Dianenensruhe) und ein ehemaliger artenreicher Mittelwald (Dachsbau) sind in Münnerstadt dafür erkoren worden.


Unterschiede?

40 Jahre sind gemessen am Wachstum eines Baumes eine relativ kurze Zeit. Deshalb fällt selbst den erfahrenen Forstleuten auf den ersten Blick kaum ein Unterschied auf zwischen den Naturwaldreservaten und den bewirtschafteten Wäldern in der Nachbarschaft auf. Doch Bernhard Zürner und Revierleiter Gerhard Max (Forstbetrieb Arnstein) wissen, dass die geschützten Wälder anders wären, hätte der Mensch noch seine Hand im Spiel. Denn durch Durchforstungsmaßnahmen hätten die jeweiligen Förster in den vergangenen vier Jahrzehnten gezielt die Entwicklung des Waldes und somit das Wachstum einzelner Bäume beeinflusst.


Nichts zu tun fällt auch schwer

Leicht fällt das bloße Zuschauen einem erfahrenen Förster nicht. Gerhard Max zeigt auf eine Elsbeere. Der Baum hat sich in der Waldgemeinschaft bislang zwar behauptet. Doch dürfte Max als Förster eingreifen, hätte er dem Baum längst mehr Licht gegeben, in dem andere, weniger wertvolle Bäume in unmittelbarer Nachbarschaft gefällt worden wären. Denn Elsbeeren gelten den Forstleuten als besondere Schätze im Wald.
Hätte Gerhard Max so handeln dürfen, wäre der Stamm bereits deutlich dicker als das heute der Fall ist. Die Qualität einzelner Bäume wäre in einem bewirtschafteten Wald besser, bestätigt Bernhard Zürner. Ob die Elsbeere sich dauerhaft in einem Naturwald durchsetzen kann, ist fraglich. Bernhard Zürner denkt, eher nicht. Die Buche scheint die führende Rolle in diesen Naturwäldern zu übernehmen, ist der Eindruck der Forstfachleute.


Buchen fühlen sich wohl

Dieser Eindruck ist auch belegt durch das Monitoring der Bayerischen Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft, die die Entwicklung der Naturwaldreservate beoachtet und dokumentiert. Bislang erkennbare Trends sind in Bayern laut einer Veröffentlichung der Landesanstalt, dass sich die dominante Rolle der Buche bestätigt. Die Eiche (und wo vorhanden die Fichte) nehmen demnach in den Beobachtungsflächen geringfügig ab. Auch bei der Eiche deckt sich das mit dem Eindruck der Forstleute vor Ort. Insgesamt, so das Urteil von Max Gerhard, handle es sich bei den Naturwaldreservaten in Münnerstadt um "ökologisch stabile Wälder". Denn es wachsen dort noch die unterschiedlichsten Baumarten, auch wenn die Buche zunimmt.


Trockenes Klima

Veränderungen gehen langsam voran. Das liege aber auch daran, dass Bäume auf den mageren Muschelkalkböden und im eher trockenen Klima der fränkischen Platte ohnehin langsamer wachsen als anderswo, ergänzt Zürner. Einmal im Jahr begeht Gerhard Max die Naturwaldreservate und schaut, ob die Verkehrssicherheit gewährleistet ist. Mehr darf er nicht tun. Den Rest erledigt die Natur. Der Förster greift ein, wenn ein morscher Baum auf den Weg fallen und Spaziergänger gefährden könnte. Dann wird er beseitigt.


Totholz bleibt im Wald

Totholz bleibt ansonsten in diesen Wäldern liegen. "Wenn Leute vorbeigehen, denken sie vielleicht, die räumen nicht auf", sagt Gerhard Max. Deshalb will der Forstbetrieb in Arnstein jetzt einige Informationsschilder aufstellen, um nähere Erläuterungen zum Projekt "Naturwald" zu geben. Bislang existieren es nur Hinweisschilder, die auf ein Naturschutzgebiet hinweisen.
Bei der Ausweisung der beiden Naturwaldreservate erfolgte im Jahr 1978 eine Bestandsaufnahme der Waldgemeinschaften. Diese brachte aus Sicht der beiden örtlichen Forstfachleute erstaunliches zu Tage. So wurden im Naturwaldreservat "Dianenesruhe" neben den verschiedenen Bäumen 739 Schmetterlingsarten, 5 Ameisenarten, 19 Käferarten sowie elf Vogelarten gezählt. Außerdem wurden 106 unterschiedliche Pflanzen erfasst.

Dianensruhe Die Größe des Gebietes umfassst 21,9 Hektar. Vorherrschende Baumart war bei der Bestrandserfassung die Stileiche, Die Unterschicht bildeten überwiegend Hainbuchen. Der überwiegende Anteil der Bäume ist deutlich über 100 Jahre alt.

Dachsbau Das Naturwaldreservat Dachsbau hat eine Größe von 28, 2 Hektar. Der ehemalige Mittelwald hat laut Bestandsbeschreibung aus dem Jahr 2009 unterschiedliche Baumarten, angefangen von Linden, über Eichen, Hainbuche, Buche und Bergahorn. Die meisten der Bäume sind bereits über 100 Jahre alt.

Naturwaldreservate In Bayern sind 160 Naturwaldreservate ausgewiesen. Sie umfassen eine Fläche von 7217 Hektar.

Ziel Möglichst alle in Bayern vorkommenden natürlichen Waldgesellschaften und Standorte sollen repräsentiert werden, um deren natürliche Entwicklung zu erforschen.