Im letzten Hausbuch stehen die Alberts an erster Stelle
Autor: Dieter Britz
Münnerstadt, Freitag, 09. Oktober 2015
Rolf Pohland ist ein Pendler zwischen Ost und West. Vor der deutschen Wiedervereinigung vor 25 Jahren und noch einige Jahre danach war er Lehrer in Untermaßfeld, einer genau 50 Kilometer von Münnerstadt entfernten Gemeinde in Thüringen.
Dann wechselte er 1997 nach Bensheim an der Bergstraße. Möglich machte es ein Staatsvertrag, denn Hessen hatte zu wenige und Thüringen zu viele Lehrer. Erst vor wenigen Wochen ging er nach über 40 Jahren im Schuldienst in Pension und kehrte ganz in seine thüringische Heimat zurück.
Wanderer zwischen den Welten
So ein "Wanderer zwischen den Welten" hat viel zu erzählen. Mit einem Vortrag von ihm wurde denn auch die Herbst-und Wintersaison des Erzählcafés im Juliusspital eröffnet. Es gab also doch, wenn auch mit ein paar Tagen Verspätung, eine Veranstaltung zum Wiedervereinigungs-Jubiläum im Landkreis. Eugen Albert lüftete gleich zu Beginn das kleine Geheimnis, warum er ausgerechnet Rolf Pohland eingeladen hatte. Beide kennen sich seit der Zeit der Wende. Aus ihren persönlichen Kontakten wurde eine Freundschaft, die bis heute gehalten hat.
Liedertafel besucht Liedertafel
Angefangen hatte alles damit, dass die Münnerstädter Liedertafel am 21. Dezember 1989 nach Untermaßfeld fuhr, um mit dem dortigen Gesangverein, der auch den Namen Liedertafel führt, Kontakt aufzunehmen. Eugen Albert erinnert sich noch genau daran, dass die Untermaßfelder Liedertafel das bisher in der DDR verbotene Lied "Das ist das Lied des Herrn" sang. Albert, damals Lehrer und Kreisvorsitzender des BLLV (Bayrischer Lehrerinnen-und Lehrerverband), wollte Kontakt mit Berufskollegen aufnehmen und geriet an Rolf Pohland.
Gegenbesuch ein Jahr später
Bereits am 24. Januar des darauffolgenden Jahres kam eine Gruppe von Lehrern von jenseits der Grenze nach Münnerstadt. Eine Episode am Rande: In der DDR gab es "Hausbücher", in die alle Besucher eingetragen werden mussten.
Die Bücher wurden auch kontrolliert. Im neuesten und letzten Hausbuch von Rolf Pohland stehen als Erste Anneliese und Eugen Albert. Er erinnerte sich auch daran, dass man Verwandtschaft in der BRD angeben musste.
Hochzeit in Münnerstadt
In der Zeit, als Rolf Pohland noch Lehrer im nur 50 Kilometer entfernten Untermaßfeld war, waren die Kontakte naturgemäß enger. "Wir haben uns gegenseitig mit den Elferräten besucht, die Alten Herren haben Fußball zusammen gespielt, und die Frauen waren auch dabei", erinnert sich Pohland, und "wir haben auch Schüler miteinander bekannt gemacht". Ein ganz besonderes Ereignis war für ihn persönlich die Hochzeit seines Sohnes im Rathaus von Münnerstadt.
Eugen Albert, der damals als Bürgermeister amtierte, traute das Paar, das in einem Autokorso von Untermaßfeld nach Münnerstadt gefahren war.
Private Freundschaft bleibt
Als Rolf Pohland an eine Schule in Hessen wechselte und Eugen Albert aus dem Schuldienst ausschied, um Chef im Münnerstädter Rathaus zu werden, schliefen zwar die "offiziellen" Kontakte ein, aber die Freundschaft auf persönlicher Ebene blieb bis heute, zumal Rolf Pohland nach der Pensionierung nach Untermaßfeld zurückgekehrt ist.Was hat die Grenzöffnung gebracht? Unter anderem die Freizügigkeit für die DDR-Bürger, wie Pohland am Beispiel seiner Kinder deutlich machte. Sein Sohn, gelernter Fleischer, arbeitete in Münnerstadt, in Holland, in der Schweiz, in Kanada. Diese Freizügigkeit, dass man reisen kann, wohin man will, und dass jeder seine Meinung frei sagen kann, schätzt er am meisten.