Einblick in die Klosterbibliothek
Autor: Björn Hein
Münnerstadt, Montag, 27. April 2015
In unscheinbaren Räumlichkeiten lagern wahre Kleinodien der Buchdruckerkunst und seltene Handschriften. Carolin Oser-Grote hat jetzt der Öffentlichkeit den Bestand vorgestellt.
Die Klosterbibliothek der Augustiner in Münnerstadt ist in der Stadt und der Region fast jedem ein Begriff. In unscheinbaren Räumlichkeiten lagern dort wahre Kleinodien der Buchdruckerkunst und seltene Handschriften. Auch mit dem Gymnasium ist die Bibliothek seit dem Barock eng verbunden. Das zeigt sich daran, dass rund die Hälfte der überlieferten Bücher sich mit weltlichen Wissenschaften beschäftigten. Bis hin zur Gynäkologie sind hier zahlreiche interessante Werke zu finden. Interessant ist dabei auch, dass die Klosterbibliothek im 18. und 19. Jahrhundert neben der Universitätsbibliothek Würzburg die bedeutendste ihrer Art in Unterfranken war.
Bis auf den letzten Platz gefüllt
Allerdings haben wohl nur wenige die Bibliothek selbst schon einmal besucht. Das hat sich jetzt geändert. Bis auf den letzten Platz gefüllt war der Vortragsraum, in dem Carolin Oser-Grote viel Interessantes über die Augustinerbibliothek berichtete. Mit Bildern von seltenen Büchern stellte sie den Bestand vor. Nach dem Vortrag konnten die Besucher an einer Führung durch die Bibliothek teilnehmen und so die verborgenen Schätze bewundern.
"Die Augustinerbibliothek hatte zahlreiche Funktionen: neben der Klosterbibliothek diente sie ebenso als Gymnasial- beziehungsweise Lehrerbibliothek und hatte den Anspruch, eine Universalbibliothek zu sein", sagte Carolin Oser-Grote. Bereits im 13. Jahrhundert wurden hier die ersten Handschriften gesammelt. Von diesen ist allerdings kaum noch etwas erhalten, da die Bibliothek 1525 während des Bauernkrieges geplündert wurde. Als die Augustiner 1652 nach den Wirren der Kriege wieder nach Münnerstadt zurückkamen und ihnen 1685 die Leitung des Gymnasiums vom Würzburger Fürstbischof Johann Philipp von Schönborn übertragen wurde, begannen die Mönche mit dem Wiederaufbau der Bibliothek. "Die Klosterbibliothek kann eine Kontinuität vom 17. Jahrhundert bis heute aufweisen: Dies ist ein einzigartiger historischer Glücksfall", sagte Oser-Grote.
Bestand vergrößert
Eine enorme Bestandserweiterung hat die Bibliothek während des 18. Jahrhunderts erfahren, als Pater Possidius Zitter zahlreiche neue Werke zusammentrug. "Die sogenannten Zitter-Bücher, die auch weltliche Themen zum Inhalt hatten, wurden zum Grundstock für die Gymnasialbibliothek", sagte Oser-Grote. Auch die Säkularisation 1803 überstand die Bibliothek unbeschadet, der reiche Bücherschatz wurde von den weltlichen Machthabern glücklicherweise nicht angerührt. Oser-Grote: "Ja, man bekam sogar noch weitere Bücher von bedrohten Klöstern, was die Bibliothek vergrößerte."
Im Zweiten Weltkrieg wurde die Bibliothek zum Lazarett umfunktioniert, die Bücher blieben aber alle erhalten. 1949 wurden die verstaatlichten Bücher vom Kultusministerium den Augustinern wieder zurückgegeben. 1978 / 79 begann dann der Aufbau der Sondersammlungen alter und besonders wertvoller Bücher. Diese sind nun im Provinzarchiv untergebracht.
Elektronischer Katalog in Arbeit
Mittlerweile ist die Augustinerbibliothek in der Moderne angekommen: 2013 wurde mit der elektronischen Erschließung der Musikalien (Literatur über Musik) begonnen, mittlerweile sind auch schon einige Handschriftenbestände elektronisch katalogisiert. Der elektronische Katalog, bei dem man über das Internet nach Titeln recherchieren kann, ist im Aufbau, auch wenn es eine wahre Sisyphus-Arbeit ist, die Werke zu katalogisieren. "Am Ende ist das Ziel, zahlreiche Werke elektronisch über das Internet zugänglich zu machen", sagt Oser-Grote über das auf längere Zeit angelegte Projekt. Es ist jedenfalls ein reiches kulturelles Erbe, über das die Augustiner in Münnerstadt verfügen.
Bestände in der Augustinerbibliothek
Umfangreich sind die Bestände in der Augustinerbobliothek: allein 70 000 Bände an Monographien gibt es. Rund die Hälfte davon deckt theologische Themen ab, die andere Hälfte befasst sich mit den weltlichen Wissenschaften. Ebenso sind dort 9700 wissenschaftliche Zeitschriften aus der Zeit ab 1800 gelagert, eine beachtliche Zahl. Auch sehr seltene Exemplare sind Bestandteil der Bibliothek. Sogenannte Inkunabeln, auch Wiegendrucke genannt, die in der frühen Zeit des Buchdrucks (bis 1500) entstanden, finden sich hier, und zwar 73 Exemplare.
212 Frühdrucke bis zum Erscheinungsjahr 1530 lagern in der Bibliothek ebenso wie 60 Original-Flugschriften von Martin Luther und weiteren Reformatoren. Rund 450 Drucke, die hier gelagert sind, entstanden in den Jahren 1531 bis 1600. 188 Rara (seltene, besondere Werke) aus dem 16. bis zum 18. Jahrhundert sind wahre Pretiosen der Buchdruckkunst. 7400 der hier gelagerten Bände entstanden vor dem Jahr 1800.
Weitere Infos zur Augustinerbibliothek gibt's im Internet unter http://www.augustiner.de/de/engagement/forschung/augustinerbibliothek-muennerstadt/index.html. Tipp: hier kann man aus der oben genannten Adresse einen Shortlink erstellen: https://goo.gl/