Einblick in deutschen Unterricht
Autor: Björn Hein
Poppenlauer, Freitag, 27. November 2015
Die mongolische Lehrerin Tuyatsetseg Noov weilte drei Wochen an der Grundschule in Poppenlauer. Sie hat uns verraten, was ihr an Deutschland aufgefallen ist und was ihr in ihrem Heimatland besser gefällt.
"Mori - Pferd". Langsam sprechen die Schüler der Klasse 1a der Grundschule Poppenlauer die Worte nach. Beim "r" in "Mori" hört man einen kehligen rollenden Laut, der für den Zuhörer fremd klingt. Die Kinder bekommen gerade eine kleine Einführung in die mongolische Sprache, und zwar von Lehrerin Tuyatsetseg Noov, die der Einfachheit halber von allen einfach "Tuya" genannt wird. Sie spricht sehr gut Deutsch und war für drei Wochen im Rahmen des pädagogischen Austauschdienstes in der Grundschule in Poppenlauer, um zu sehen, wie die Kinder hier in Deutschland unterrichtet werden, aber auch, um noch mehr über die deutsche Kultur und das Leben hier zu erfahren.
30 000 sprechen Deutsch
Dass sie so ausgezeichnet Deutsch spricht, ist kein Wunder: Sie ist in ihrer Heimat als Deutschlehrerin tätig.
"Ich habe mich schon immer für Fremdsprachen interessiert und wählte deshalb Deutsch als Fremdsprache aus", so die 28-Jährige. Von den drei Millionen Einwohnern der Mongolei sprechen rund 30 000 Deutsch als Fremdsprache. Das ist erstaunlich, denn die mongolische Hauptstadt Ulan Bator ist fast 7000 Kilometer entfernt von Deutschland. "Für die Kinder ist Deutsch kein Pflichtfach, Englisch und Russisch hingegen schon. Wer aber Deutsch oder Französisch lernen will, der kann die Fächer ab der dritten Klasse wählen", sagt Tuya. Sie selbst hat in der dritten Klasse mit Deutsch begonnen, dies bis in die zwölfte Klasse fortgesetzt und anschließend Deutsch an der Universität in Ulan Bator studiert. Sie war zwar schon mehrere Male hier in Deutschland, aber es ist das erste Mal, dass sie in Poppenlauer unterrichtet.
"Wir freuen uns, dass wir Tuya hier haben", sagt die Konrektorin Susanna Bickert. Tuya ist allen ans Herz gewachsen, nicht nur den Schülern. Beim pädagogischen Austauschdienst macht die Schule in Poppenlauer bereits zum zweiten Mal mit. Hierbei können sich Grundschullehrer aus der ganzen Welt an einer Schule bewerben, die bei dem Programm mitmacht. Im Gegenzug erhält die Schule einen Austauschlehrer, eine Win-win-Situation für beide. Für drei Wochen ist die Austauschlehrkraft dann an der Schule und kann sich ein Bild machen.
In kleinem Dorf aufgewachsen
So hat Tuya sich angeschaut, wie in Poppenlauer unterrichtet wird. Und natürlich hat sie den Schülern und Lehrern auch Vorträge über ihre Schule in der Mongolei gehalten und erzählt, wie das alltägliche Leben dort abläuft. An der Schule in der Mongolei, an der sie Deutsch unterrichtet, bekommen die Kinder auch einen Eindruck von deutscher Kultur und den deutschen Festen.
So werden an der Schule Weihnachten, der St.-Martins-Tag, Nikolaus und viele weitere Feste gefeiert, obwohl die Mehrheit in der Mongolei dem Buddhismus angehört. Allerdings gibt es dort christliche Minderheiten. Tuya selbst ist in einem kleinen Dorf aufgewachsen und in den Sommermonaten mit ihren Eltern mit Jurte und Viehherden durch die Mongolei gezogen. Auf Annehmlichkeiten wie Fernsehen müssen die Nomaden aber dank der Solartechnik nicht mehr verzichten. "Erst während meines Studiums bin ich in die Hauptstadt Ulan Bator gekommen", sagt die 28-Jährige. Wenn sie Deutschland und die Mongolei vergleicht, so fällt ihr auf, dass in Deutschland die Pünktlichkeit und Sauberkeit sehr hoch geschätzt werden.
Was ihr in der Mongolei besser gefällt ist, dass hier der Familienzusammenhalt größer ist. "Es ist bei uns üblich, dass die Kinder bis zur Heirat bei den Eltern leben und sich bis ans Lebensende um sie kümmern", sagt Tuya. Die Kinder, die sie in der Mongolei unterrichtet, sind etwas disziplinierter als hier: Bei mindestens 40 Kindern in einer Klasse, wie in Ulan Bator üblich, sei dies aber auch wichtig, um Unterricht halten zu können.
Viele Eindrücke
Tuya hat bei ihrem dreiwöchigen Aufenthalt in Deutschland einiges erlebt: Sie war in Meiningen im Theater, hat mehrere Konzerte besucht, eine Führung durch die Firma SKF in Schweinfurt erhalten und in Würzburg Tango getanzt. Mit vielen Eindrücken wird sie in die Mongolei zurückkehren. "Die drei Wochen sind viel zu schnell vergangen", meint Tuya mit etwas Wehmut.Zurzeit befindet sie sich auf dem Rückweg, am Montag, 30. November, wird sie schon wieder in Ulan Bator sein, um ihre Klasse zu unterrichten. "Es war sehr schön, dass Tuya hier bei uns in Poppenlauer war. Schade, dass sie uns schon wieder verlassen muss", sagt Konrektorin Susanna Bickert.