Druckartikel: Ein Sammler aus Leidenschaft

Ein Sammler aus Leidenschaft


Autor: Björn Hein

Großwenkheim, Donnerstag, 16. Oktober 2014

Erich Fries hat nicht nur zahlreiche Feldpostbriefe aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg zusammengetragen, auch antike Münzen haben es dem Großwenkheimer angetan. Diese werden ab Sonntag, 19. Oktober, ausgestellt.
Erich Fries arbeitet an seiner Sammlung. Foto: Björn Hein


Im Ersten und Zweiten Weltkrieg sind Millionen von Soldaten, aber auch Zivilisten und andere Unschuldige gestorben. Man kann zwar nachlesen, wieviele Menschen in etwa bei welchen Schlachten und Angriffen zu Tode kamen - der Mensch hinter der nackten Zahl bleibt jedoch meist im Verborgenen. Dennoch sind auch heutzutage noch zahlreiche Fundstücke vorhanden, die vom Gefühlsleben der Soldaten und der Familie in der Heimat zeugen. So existiert Feldpost aus dieser Zeit, die von eifrigen Sammlern zusammengetragen und analysiert wurde. Einer davon ist Erich Fries aus Großwenkheim. In jahrelanger Kleinarbeit hat er viele Fundstücke zusammengetragen, die oft ein gutes Psychogramm des "einfachen Soldaten" vermitteln können.

Nachlass des Altbürgermeisters

"Schon in meiner Jugend habe ich Briefmarken gesammelt", sagt Erich Fries, Jahrgang 1950 und Sammler aus Leidenschaft. Noch heute ist er stellvertretender Vorsitzender des Vereins der Briefmarkenfreunde Bad Neustadt a. d. Saale e.V.. Zum Feldpost-Sammeln kam der gebürtige Burgläurer eher zufällig. "1970 habe ich nach Großwenkheim geheiratet. Der Vater meiner Schwiegermutter, Altbürgermeister Otto Müller, der 1967 gestorben war, hatte der Familie 150 Feldpostkarten aus dem 1. Weltkrieg vermacht. Allerdings interessierte sich keiner sonderlich für den Nachlass, und so beschäftigte ich mich damit", erklärt Fries.
Das Sammlerfieber hatte ihn gepackt und da sich seine Frau recht gut in der Familienkunde des Dorfes auskannte, konnte man leicht zuordnen, wohin die einzelnen Feldpostkarten gegangen waren. Denn natürlich hielt man im Feld nicht nur Kontakt mit der Familie, sondern auch mit Freunden, die daheim geblieben waren. "Das war für die Soldaten wichtig, auch heute noch: Kontakt mit der Heimat zu halten und zu erfahren, wie es den Daheimgebliebenen geht. Hätte es keine Feldpost gegeben, so hätte sich wohl mancher auch aus Einsamkeit und Verzweiflung umgebracht", ist der Sammler überzeugt.

Geheimsprache hilft

Doch natürlich konnte man in der Feldpost nicht einfach schreiben, was man wollte. "Es gab strenge Regeln: Unter anderem durften natürlich Angriffspläne nicht verraten werden. Aber auch Kritik an den Vorgesetzten und Politikern war verboten", weiß Fries zu berichten. So seien im Zweiten Weltkrieg angeblich nur rund drei Prozent der Post kontrolliert worden. Ob dies allerdings auch stimmt und die Zensur nicht doch mehr Briefe überprüft hat, ist schwer zu sagen. Und man hatte im Krieg natürlich große Angst, das "Verkehrte" zu schreiben.
Besonders in der zweiten Phase des Zweiten Weltkriegs, als der deutsche Vormarsch vor Moskau ins Stocken geriet, kam der Vorwurf der "Wehrkraftzersetzung" einem Todesurteil gleich. "Meist verständigte man sich mit den Daheimgebliebenen in einer Art verklausulierter Geheimsprache, mit der man gefahrlos sagen konnte, wie es wirklich war", sagt der Großwenkheimer.

Jahrelange Recherche

Gerade die Lokalhistorie hat Fries immer noch nicht losgelassen. In jahrelanger Recherche - viele Informationen bekam er auch im Archiv in Münnerstadt - hat er Namen, Geburtsdatum, Kopie der Sterbebildchen und den genauen Einsatzort der gefallenen Soldaten aus Großwenkheim recherchiert. "Das war sehr interessant", sagt Fries. Auch heute noch ist er Ansprechpartner Nummer eins, wenn es um die Soldaten des Ersten und Zweiten Weltkriegs in Großwenkheim, aber auch darüber hinaus geht. Da kann es schon einmal passieren, dass Erich Fries mitten im Interview einen Anruf aus der Region bekommt und gefragt wird, was genau die Nummern auf Feldpostbriefen bedeuten. Fries recherchiert dann in den verschiedenen Datenbanken, bis er anhand der Ziffern herausgefunden hat, welcher Einheit der fragliche Soldat angehört hat und wo genau dieser im Krieg kämpfte.
"Das ist auch für mich immer wieder sehr interessant", hört man noch heute die Faszination aus Fries Worten. Dabei hat ihn die Geschichte schon immer interessiert: "In der Schule war das mein bestes Fach, die Begeisterung dafür hat mich nie mehr losgelassen", sagt er. Und im reichen Fundus an Feldpostbriefen und -karten kann man auch Menschliches, ja allzu Menschliches lesen, das einen Bogen von damals zu heute spannt.
So hat Erich Fries den Briefwechsel der Familie Michael Freibott aufgearbeitet, die aus Mühlbach stammte. Freibott, seines Zeichens Landwirt, schickte während des Ersten Weltkriegs zahlreiche Pakete mit Nahrungsmittel an seine Neffen ins Feld. Rührend sind die Dankesschreiben, teilweise aber auch beklemmend ob der Kriegssituation. "Man kann anhand dieses Beispiels sehr schön nachvollziehen, wie es einem Soldaten damals ging", sagt Fries.

Ordnung muss sein

Natürlich gehört zum Sammeln neben der Akribie auch viel Ordentlichkeit: Briefe müssen katalogisiert, verstaut und ordnungsgemäß aufbewahrt werden. Auch diesem Aspekt kommt Erich Fries voll nach: Fein säuberlich in Klarsichtfolien verpackt sind die Stücke genau beschriftet. Sogar ein Kurzbericht über den Inhalt eines jeden Feldpostbriefs ist beigelegt. "Ich achte darauf, die Briefe als so genannte Dioramen zu erstellen, die auch ausgestellt werden können", erläutert der Sammler.
Er hat schon zahlreiche Ausstellungen gemacht, unter anderem eine sehr gut besuchte über Stalingrad im Rathaus in Münnerstadt. Das Sammeln macht ihm immer noch sehr viel Spaß, verschlingt aber auch einen Gutteil seiner Zeit. "Vielleicht werde ich in Zukunft etwas kürzer treten müssen, aber das Sammeln ist nach wie vor sehr faszinierend", sagt Fries. Und gesammelt hat er wirklich viel: unter anderem auch zahlreiche antike Münzen. Diese werden ab Sonntag, 19. Oktober, im Henneberg-Museum in Münnerstadt zu sehen sein. Zur Vernissage um 17 Uhr sind alle Besucher recht herzlich eingeladen. Wer an diesem Termin keine Zeit hat, dem bleibt noch bis 6. Januar die Möglichkeit, die Ausstellung zu besuchen.