Ein Kunstschatz auf Reisen
Autor: Heike Beudert
Münnerstadt, Freitag, 06. Mai 2016
Zwei Kunstwerke aus der Stadtpfarrkirche sind als Leihgaben aktuell in einer Sonderausstellung des Germanischen Nationalmuseums zu besichtigen.
So nah wie im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg ist der Betrachter dem Marientod-Altar in Münnerstadt nie gekommen. Für sechs Monate sind die zwei Kunstwerke in einer Ausstellung des Nürnberger Museums zu sehen und können in jedem Detail betrachtet werden. Bei der Eröffnung waren Kirchenpflegerin Gabi Borst und Stadtpfarrer Pater Markus Reis anwesend und beeindruckt davon, wie hoch die Wertschätzung für diese Leihgaben in der Fachwelt ist.
Die Predella des sogenannten Münnerstädter Marientod-Altars ist gleichzeitig der kunstvolle Unterbau des einstigen Deichsler-Altars (um 1420) aus der nicht mehr existierenden Nürnberger Dominikanerkirche. Die Spezialisten im Germanischen Nationalmuseum konnten nun eindeutig die Zusammenhänge zwischen einer in Museumsbesitz befindlichen Kreuzigungsgruppe, zwischen Kunstwerken aus anderen Nürnberger Kirchen sowie den Münnerstädter Exponaten herstellen.
Aus der gleichen Werkstatt
Die Münnerstädter Marientod-Tafel selbst gehört zwar nicht zum Deichsleraltar, wird aber der gleichen Meisterwerkstatt zugeordnet. Wie das möglich ist, lässt sich in der Ausstellung gut erkennen. Denn gleich neben der Münnerstädter Altartafel befindet sich eine kleinere Darstellung des Todes Mariens. Die Ähnlichkeiten in der Darstellung sind verblüffend.Weshalb der Deichsler-Altar auf verschiedene Kirchen und das Museum verteilt ist, erläuterte der Generaldirektor des Germanischen Nationalmuseums, Prof. Ulrich Grossmann. "Im 18. und 19. Jahrhundert ist man mit den Kirchen kannibalisch umgegangen", betonte der Kunsthistoriker. Was an Kirchenschätzen nicht zersägt oder verfeuert wurde, sei oft geteilt worden und im Kunsthandel gelandet. Bei den Kunstwerken des 15. Jahrhunderts, die heute in Museen zu sehen sind, handle es sich meist um Ruinen, die einstmals zu einem Altar gehörten.
Sehen, was einst zusammen war
Auch der Deichsler-Altar, benannt nach seinem Stifter Berthold Deichsler, hat diese Entwicklung genommen. Die Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum sei der Schlusspunkt eines langen Forschungsprojektes und führe die einzelnen Altarteile für die Dauer der Ausstellung wieder zusammen. Grossmanns Dank galt den Leihgebern. Münnerstadt wurde an diesem Abend mehrmals namentlich genannt.
Beleuchtung ist wichtig
Pater Markus Reis und Gabi Borst haben eine wichtige Erkenntnis von der Ausstellungseröffnung mit nach Hause genommen. "Wir brauchen ein gutes Beleuchtungskonzept", resümiert Gabi Borst.
Denn in der Stadtpfarrkirche fristet der Marientod-Altar bislang neben den Werken von Veit-Stoß und Riemenschneider eher ein Schattendasein. In Nürnberg hat man die beiden Kunstwerke ins rechte Licht gesetzt. Doch nicht nur die Beleuchtung lässt die Münnerstädter Leihgaben dort so gut wirken. Die Restauratoren des Museums haben die Predella und die Marientod-Tafel fachmännisch entstaubt und den bald 600 Jahre alten Farben viel von ihrer einstigen Strahlkraft zurückgegeben. Auch eine Restaurierung wäre sinnvoll, rät der der Direktor für den Bereich Sonderausstellungen, Dr. Frank Matthias Kammel, der Münnerstädter Delegation. Doch diese könne sich die Kirchenstiftung aktuell nicht leisten, bedauerten Pater Markus und Gabi Borst.
Der Schöne Stil
Dank der Forschungen des Germanischen Nationalmuseums kann sich die Kirchenstiftung sicher sein, dass vor allem die
Predella, aber auch die Marientod-Darstellung ganz besondere Kunstwerke sind. Über die Objekte der Ausstellung urteilte Frank Matthias Kammel bei der Eröffnung: "Sie gehören zum Besten, was in Nürnberg um 1420 entstanden ist". Die Werke werden dem "Schönen Stil" zugeordnet, der "bedeutendsten Periode Nürnberger Kunstschaffens vor Dürer", wie Kammel feststellte.Am Rande der Ausstellung bot sich Zeit für kurze Gespräche. Pfarrerin Susanne Bammessel von St. Lorenz in Nürnberg meinte, dass sie schon immer einmal die Stadtpfarrkirche in Münnerstadt besichtigen wollte. In der bedeutenden St. Lorenz-Kirche in Nürnberg führt die Seelsorgerin viele Gruppen. Pfarrerin Bammessel erklärte, erzähle sie dabei immer auch die Geschichte des Nürnberger Malers Veit Stoß, der in Nürnberg in Ungnade gefallen war, daraufhin in Münnerstadt Unterschlupf fand und daraufhin die Seitenflügel für den Riemenschneider-Altar der Pfarrkirche gemalt habe.
Pater Markus Reis und Gabi Borst luden Pfarrerin Susanne Bammessel ein, nach Münnerstadt zu kommen. Sie würden sich über ihren Besuch sehr freuen.
Schon einmal in Nürnberg
Kirchenpflegerin Gabi Borst hat derweil in ihrem privaten Archiv eine interessante Zeitungsnotiz zu den Münnerstädter Kunstwerken gefunden. Predella und Marientod-Bildnis sind um das Jahr 1934 bereits schon einmal im Germanischen Nationalmuseum gewesen -und zwar zur Restaurierung.
Das Museum hatte diese Aufgabe damals als Dankeschön dafür übernommen, dass die Kirchenstiftung die vier Kiliansbilder zur Jubiläumsausstellung anlässlich des 400. Todestages von Veit Stoß 1933 als Leihgabe zur Verfügung gestellt hatte.Ausstellung "Der Deichsleraltar - Nürnberger Kunst um 1400" nennt sich die Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum mit Münnerstädter Leihgaben aus der Stadtpfarrkirche. Sie ist noch bis zum 23. Oktober zu sehen. Es gibt auch regelmäßige Führungen zu verschiedenen Inhalten durch die Ausstellung. Die nächste Führung ist am Dienstag, 11. Mai, um 18 Uhr.
Infos Im Internet gibt es weitere Informationen zur Ausstellung und zu den Führungen und Öffnungszeiten des Germanischen Nationalmuseums - http://www.gnm.de/ausstellungen/aktuell-und-vorschau/deichsler-altar. red