Druckartikel: Die Wiedergeburt eines verlorenen Schatzes

Die Wiedergeburt eines verlorenen Schatzes


Autor: Thomas Malz

Münnerstadt, Freitag, 08. März 2019

Vor 50 Jahren begannen die Bemühungen um die Wiedererrichtung des Riemenschneideraltars. Das war alles andere als leicht.
Der Zentralschrein von Josef Weiß Während Kilian (links) und Elisabeth (rechts) Originale sind, ist die Maria Magdalena (Mitte) eine Kopie von Lothar Bühner. Vor 50 Jahren begannen die Bestrebungen, den Altar wiederzuerrichten.  Thomas Malz


"Riemenschneideraltar soll wiederentstehen" - unter dieser Überschrift war vor 50 Jahren in der Zeitung ein Bericht über die Gründung des Vereins "Kreis der Freunde des Riemenschneideraltars" zu lesen. Im Oktober 1993 gab es dann den letzten Bericht über den Verein unter der Überschrift: "Ein stiller Abschied". Die Auflösung des Vereins hatte einen banalen Grund: Das Ziel war erreicht. Der einzigartige Altar aus dem Frühwerk Tilman Riemenschneiders ist heute die Touristenattraktion Münnerstadts.

Der Erfolg hat natürlich viele Väter. Maßgeblich vorangetrieben hat das Projekt Pater Hugolin Landvogt, der von 1968 bis 1978 Stadtpfarrer von Münnerstadt war. Er gehört auch zu den Unterzeichnern eines 1969 in der Zeitung abgedruckten Aufrufs an die "Freunde und Mitbürger Münnerstadts", der der Gründung des Vereins vorausgegangen war. Im April 1981, anlässlich des 450. Todestages Tilman Riemenschneiders, segnete Bischof Paul-Werner Scheele den wiedererrichteten Altar. Zum 500 Geburtstag des Altars im Jahr 1992 gab es noch einmal einen Grund zur Freude, als die beiden bis dahin fehlenden Relieftafeln eingesetzt wurden. Dabei handelt es sich wie auch bei einigen Figuren um Kopien, die der Bad Neustädtern Künstler Lothar Bühner geschaffen hatte.

Kirchen und deren Inneneinrichtung unterliegen auch einem gewissen Zeitgeschmack. Der 1492 fertiggestellte Hochaltar von Tilman Riemenschneider, wurde bereits ab 1649 in barocken Formen neu errichtet, wobei nur einige Figuren Riemenschneiders erneut verwendet wurden. In den Jahren 1833/34 bauten die Verantwortlichen diesen Altar komplett ab und errichteten einen neuen im neugotischen Stil. Der wiederum wurde in den letzten Kriegstagen 1945 durch einen Blindgänger erheblich beschädigt und dann abgerissen. Die Figuren hatte man zuvor in Sicherheit gebracht. Seitdem stand der Chorraum der Stadtpfarrkirche weitgehend leer. Ein Umstand, der nicht nur Pater Hugolin missfiel.

Nach einem Vortrag über den Riemenschneideraltar in Münnerstadt wurde der Ruf laut, einen Kreis der Freunde zu errichten. Der offizielle Aufruf dazu erfolgte im Januar 1969, bereits im Februar kamen die 16 Gründungsmitglieder zusammen. Unter ihnen waren Pater Hugolin und Ernst Kübert, der zunächst im Beirat mitarbeitete, dann über viele Jahre Vorsitzender der Freunde des Riemenschneideraltars war.

Nicht nur im Stadtarchiv füllt die Dokumentation über die Wiedererrichtung des Altars ganze Akten. Das Problem war, dass der Altarschrein und das gotische Gesprenge des originalen Riemenschneideraltars schon über 300 Jahren zuvor verloren gegangen waren. Figuren und Reliefbilder waren teilweise in Museen nach Berlin und München gebracht worden oder sie waren damals noch in Privatbesitz. Immerhin: Einige der Originalfiguren, wie St. Kilian, Elisabeth, der Gnadenstuhl, Johannes der Täufer und Johannes der Evangelist sowie zwei Relieftafeln waren noch in Münnerstadt.

Bruno Eckert war lange Zeit Zweiter Bürgermeister der Stadt und ist seit vielen Jahren Stadt- und Kirchenführer. Er kann sich gut an den Werdegang erinnert, auch wenn er nicht von Anfang an dabei war. Für Bruno Eckert ist ganz klar, wer die absolute treibende Kraft war: Pater Hugolin Landvogt. Gut erinnern kann sich der Münnerstädter an einen Ausspruch des früheren Regierungspräsidenten Philipp Meyer : "Mönchlein, Mönchlein, Du gehst einen schweren Gang", soll er zu Pater Hugolins Bemühungen gesagt haben. "Er hat sich reingekniet", sagt Bruno Eckert. Der Geistliche nahm mit der Wiedererrichtung des Riemenscheideraltars gleich eine umfangreiche Restaurierung der gesamten Stadtpfarrkirche in Angriff. Als er im Herbst 1978 völlig unerwartet starb, war die Umgestaltung weitgehend beendet.

Durch eine Forschungsgruppe, die sich ab 1977 mit dem Frühwerk Tilman Riemenscheiders beschäftigte und eine Ausstellung dazu im Mainfränkischen Museum in Würzburg 1981 organisierte, gab es zusätzliche Unterstützung für das Münnerstädter Riemenscheiderprojekt. Hoffnungen, Originalfiguren wie die Magdalena mit den sechs Engeln aus München zurückzubekommen, zumindest als Leihgabe, erfüllten sich nicht. Inzwischen hatten sich die Verantwortlichen entschieden, Kopien von den fehlenden Figuren anzufertigen. Die Wahl fiel auf den Künstler Lothar Bühner aus Bad Neustadt. Noch sehr gut kann sich Bruno Eckert erinnern, wie schwer es ihm in München gemacht wurde. "Er durfte das Original nicht einmal berühren." Weit weniger Schwierigkeiten hatte Lothar Bühner in Berlin, wo sich die Figuren der vier Evangelisten befinden. Josef Weiß errichtete schließlich den Zentralschrein und Julian Walter das Gesprenge nach Grundlagen von Eike Oellermann. Originalfiguren und Kopien wurden aufgestellt. Die Figur der Maria, die ganz verloren gegangen war, schnitze Lothar Bühner später im Stil Riemenschneiders nach.

Bei der Einweihung 1981 fehlten außerdem noch zwei Relieftafeln, die sich in München und Berlin befinden. Lothar Bühner fertigte auch davon Kopien. Seit 1992, 500 Jahre nachdem der Meister ihn in Münnerstadt aufgestellt hat, ist das Frühwerk Riemenscheiders wieder in seiner ganzen Pracht zu bestaunen, so nah am Original, wie es möglich war. Demnächst wird er allerdings für einige Zeit abgebaut, denn nun steht die nächste große Sanierung der Stadtpfarrkirche an.