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Die hohe Kunst der Gravur


Autor: Heike Beudert

Münnerstadt, Freitag, 10. Oktober 2014

Die Abbildung von Jagdszenen ist fast so alt wie die Menschheit. In der Gravur von Jagdwaffen findet sich dieses Ritual bis heute. Die Kunstwerke sollen den Jagderfolg beschwören.Manfred Fleischer aus Münnerstadt ist ein Meister seines Fachs.
Hirsch und Eichenlaub in einer klassischen Waldszene sind typische Motive, die eine Jagdwaffe des hochpreisigen Segments schmücken können.


Der röhrende Hirsch ist nicht größer als der Daumennagel seines Erschaffers. Doch jedes Detail ist naturgetreu zu erkennen. Manfred Fleischer zeigt eine seiner neuesten Gravuren - es ist eine edle Verzierung für ein Jagdgewehr. Darauf ist er spezialisiert. Die Fachzeitung "Die Pirsch" hat den Graveurmeister einmal als einen der besten seiner Zunft im Land bezeichnet.
Seit 1979 ist der gebürtige Burglaurer selbständig, hat seine kleine Werkstatt in der Münnerstädter Jahnstraße. Dort entstehen seine filigranen Kunstwerke für Jagdwaffen-Sammler und Kenner in der ganzen Welt. Eine aufwendige Gravur für ein Gewehr kann durchaus ein paar Hundert Arbeitsstunden in Anspruch nehmen.
Manfred Fleischer braucht in seiner Werkstatt nicht viel Platz. Die Werkzeuge, mit denen er arbeitet, sind ebenso filigran wie seine Kunstwerke. Gutes Licht und eine ruhige Hand sind wichtig und natürlich Talent sowie die Liebe zu seinem Beruf.
Dabei ist Manfred Fleischer eher zufällig in diesen Beruf gerutscht. "Mein Lehrer Hubert Breitenbach hat mich dazu gebracht", erinnert sich der 59-jährige. Eigentlich wollte Fleischer "irgendetwas Technisches" machen. Aber Breitenbach habe gesehen, dass er gerne und gut zeichnete. "Graveur wär´ doch was für Dich", habe sein Lehrer in der Schule damals gesagt. Und so wurde Fleischer Graveur.
Gelernt hat er bei der Jagdwaffenfabrik Heym in Münnerstadt. Doch hielt es ihn nicht lange in dem Betrieb. "Akkord-Gravuren" seien dort erstellt worden, sagt er. Das war nicht sein Ding. Er wollte feiner, detaillierter arbeiten. Seinen Feinschliff holte sich der junge Mann in Wiesbaden und bei dem damals weltweit anerkannten Graveur Erich Boeßler in Münnerstadt. 1979 machte sich Fleischer selbständig. Seine Technik hat er im Laufe der Jahre immer weiter verfeinert.

Das besondere etwas

Manfred Fleischer arbeitet heute hauptsächlich für Jagdwaffenhersteller, deren Kunden nicht nur hochwertige Büchsen, sondern auch in der Optik das gewisse Etwas suchen. Es sind Waffenliebhaber, die eine Waffe als Kunstwerk, Geldanlage oder einfach als Luxusgut sehen und die sich eine solche Waffe natürlich leisten können.
Nach deren Wünschen erstellt er die Gravuren. Klassische Jagdmotive wie Hirsche und Rehe mit Eichenlaub sind ebenso dabei wie Wildszenen aus der afrikanischen Savanne. Büffel, Geparden oder Elefanten im Sonnenuntergang hat Fleischer schon verewigt. Die Kunden kommen oftmals mit sehr genauen Vorstellungen zu Manfred Fleischer. Die Erinnerung an eigene Jagdszenen gehört dazu. Fleischer verleiht diesen durch die Gravur dauerhafte Magie.
Doch es müssen nicht immer Tierszenen sein. Monogramme sind beliebt. Für einen Revolver hat Fleischer den Kopf des Schauspielers Clint Eastwood graviert. Der Fantasie des Kundens sind fast keine Grenzen gesetzt.

Zeichenstift gehört dazu

Am Anfang einer Bestellung steht nicht selten eine Skizze des Motivs auf einem Blatt Papier. "Das wird dann hin und her geschickt", sagt Fleischer. Erst, wenn jedes Detail dem Kundenwunsch entspricht, geht es an die Ausführung. Meistens beschränkt sich der Kontakt auf das Internet. Einmal jedoch sei ein Kunde aus der internationalen Großindustrie persönlich und inkognito zu ihm nach Münnerstadt gekommen, um sich seinen Entwurf-Vorschlag direkt vor Ort anzusehen.Nach diesem Gespräch hatte Fleischer den Auftrag.
In Deutschland ist der Markt für hochwertig verzierte Jagdwaffen zwischenzeitlich kleiner geworden. "Die Mittelschicht unter den Jägern fehlt ein bisschen", hat er festgestellt. Er glaubt, dass die strengeren Waffengesetze eine Rolle spielen. Vielleicht werde momentan auch einfach wieder mehr gespart, überlegt er. Manfred Fleischer weiß nicht, ob sein Handwerk wirklich eine dauerhafte Zukunft hat. "Es ist ein aussterbender Beruf", fürchtet er.

Embargo macht sich bemerkbar

Ein guter Markt war in den vergangenen Jahren Rußland, betont der Münnerstädter Graveur. Für dortige Jagdwaffen-Liebhaber hat er richtig teure Gravuren gefertigt. Doch jetzt merkt Manfred Fleischer die Krise und das Embargo gegen Rußland. "Es ist ein Einschnitt". Der gesamte Jagdsektor spüre das.
Doch einen echten Fleischer gibt es nicht nur auf Jagdwaffen, -revolvern, Messern oder Angelruten. Der Münnerstädter verziert auch Gebrauchsgegenstände oder Schmuck. Regelmäßig arbeitet er mit einem oberbayerischen Goldschmied zusammen. Für ihn graviert er Gürtelschnallen für Trachtenmode. Oftmals sind es hier feine Monogramme, aber auch ganze Landschaften oder Jagdszenen, die auf einem kleinen Silberplättchen entstehen.
Münnerstadt war einst eine Hochburg der Büchsenmacherei und der Graveure. Seit dem Wegzug der Waffenfarbrik Heym ist diese Aera zu Ende. Heute ist Manfred Fleischer einer der letzten seiner Zunft im Städtchen.