Der freundliche Zapfer
Autor: Dieter Britz
Münnerstadt, Freitag, 05. Februar 2016
Wer Hubert Mangold eine Ansichtskarte schicken möchte, braucht nicht unbedingt den Namen oder die Straße zu vermerken. Die Post kommt auch so an.
"Mangold Hubert Gaststätte Toto Lotto", so lautet ein Telefonbuch-Eintrag unter Münnerstadt. Dahinter verbirgt sich eine alteingesessene kleine Gaststätte samt Toto-Lotto-Annahmestelle in der Riemenschneiderstraße 11. Man möchte meinen, der Hit "Die kleine Kneipe in unserer Straße, dort wo das Leben noch lebenswert ist", gesungen von Peter Alexander, sei genau dafür geschrieben. Jetzt hat sich der 73-jährige Hubert Mangold, der hier seit Jahrzehnten das Bier zapft und hinter dem Schalter der Toto-Lotto-Annahmestelle steht, mal zwei Stunden frei genommen fürs Erzählcafé im Julius-Spital. Vor weit über 100 Gästen erzählte er aus seinem Leben und gab Mürschter Episoden zum Besten. Zur Einstimmung spielte er das Lied von der "kleinen Kneipe" auf seinem Akkordeon.
Kneipe statt Kirche
Mangold hatte viel zu erzählen.
Zum Beispiel von den Kartenspielern im Lokal, die sich nach den Kirchenglocken richteten. Doch an Karfreitag bleiben diese bekanntlich stumm. Und so kamen die Kartler viel zu spät nach Hause und bekamen mächtig Ärger mit ihren Frauen. Und da waren noch die Rottershäuser, die früher am Ostersonntag mit dem Zug nach Münnerstadt zum Beichten fuhren - die einen zuerst in die Kirche, die anderen aber gleich in die Kneipe. Hinterher gab es einen regen Handel nach dem Motto: "Du gibst mir deinen Beichtzettel, und ich zahle deine Zeche."
Vom Zug in die Kneipe und zurück
Beim Sommerfest des Sportvereins wurde laut Mangold das Wasser für das Schwenken der Bierkrüge nie gewechselt: "Abends schwammen Blätter mit drin, aber keiner wurde davon krank". Und dass 1949 ein Pfennig noch etwas wert war, zeigt diese Erinnerung von Mangold: "Als beim Kartenspielen in der Gaststätte einer zu Boden
fiel und nicht gleich gefunden wurde, wurde überall gesucht und dazu auch die Tische gerückt."
Die Ministranten
Er erinnert sich auch noch gerne an die Ministranten-Treffen im Jugendhaus. Eine Gruppe mit 15 bis 20 aus Weil am Rhein kam gerne in sein Lokal. Einem gefiel es so gut, dass er sich in den Zug setzte, bei Mangold ein paar Bier trank und wieder heim fuhr nach Weil am Rhein.
Waschechter Mürschter
Hubert Mangold ist ein waschechter Mürschter, geboren im damaligen Krankenhaus, das später Altersheim wurde und jetzt Teil des Bestatterzentrums ist. Seine Eltern betrieben im Haus Riemenschneiderstraße 11 die noch jetzt existierende Gaststätte und dazu eine Bäckerei. Beides war seit 1927 im Familienbesitz, erzählt Hubert Mangold.
Er wollte raus aus der Stadt
Eigentlich wollte er ja aufs Gymnasium gehen, um rauszukommen aus Münnerstadt. Doch er wurde in der Bäckerei gebraucht, und so lernte er eben Bäcker. Er sollte den Betrieb später von seinem Vater übernehmen. Doch eine Mehl-Allergie machte ihm nach ein paar Jahren einen Strich durch die Rechnung: "Ich rannte von Pontius bis Pilatus, doch die Ärzte konnten mir nicht helfen." Deshalb wurde dann auch 1967 die Bäckerei geschlossen. Hubert Mangold dachte daran, sie nach ein paar Jahren wieder zu öffnen, doch der Ofen war einfach zu alt. Er bekam eine Anstellung in der Gewehrfabrik und blieb dort 32 Jahre. Er machte auch den Umzug nach Thüringen noch mit, bis allen Mitarbeitern gekündigt wurde.Seine Eltern führten die Gastwirtschaft, die seit 1977 auf seinen Namen läuft, derweil weiter. Er stand nur abends und an Wochenenden hinter dem Tresen. Seit vielen Jahren führt er die Gaststätte nun allein.