Chris Böttcher lebt Spieltrieb aus
Autor: Björn Hein
Münnerstadt, Montag, 13. Januar 2014
In der Alten Aula kriegen viele ihr Fett weg und die Zuhörer Lehren fürs Leben.
Was haben schon kleine Kinder und was verlieren die meisten Erwachsenen auch im Alter nicht? Ganz klar - es ist der Spieltrieb. Eben diesen durfte der Kabarettist, Musiker und Comedian Chris Böttcher vor ausverkauftem Hause in der Alten Aula ausleben. Praktischerweise hieß auch sein Programm so: "Spieltrieb". Und dieser trieb den Zuschauern die Lachtränen in die Augen.
Sie waren begeistert, wie schnell Böttcher die einzelnen Rollen wechselte und virtuos von einem Programmpunkt zum anderen sprang. Und dass Böttcher sich alle Mühe gab und auch auf Kleinigkeiten achtete, merkte man schon am Anfang: "Ich bin schon seit 15 Uhr in Münnerstadt. Ich habe zuerst einmal die Decke in der Alten Aula mit Plastilinkügelchen geschmückt, aus denen ich Figuren gemacht habe. Ich dachte, das sieht einfach besser aus." Er verstand es, auf lokale Gegebenheiten einzugehen und so den Abend unverwechselbar zu machen.
Rasanter Wechsel
Doch natürlich bekam auch die ganz große Politik ihr Fett weg. Was haben beispielsweise Merkel und Berlusconi gemeinsam? Sie regieren beide vom Bett aus. Hurtig ging es zum Gammel fleischskandal. "Die Skandale wechseln in Zyklen", wusste Böttcher, "als Nächstes wird wohl wieder einmal das Dioxin dran sein."
Sprach's und tischte auch gleich ein Lied dazu auf: "Ein Schwein steckt mich ein, eine Sau infiziert auch noch mich." Und dieser rasante Wechsel zwischen den einzelnen Themen und zwischen Kabarett und Liedern war es, der die Besucher immer wieder in ganz neue Bereiche mitnahm und dafür sorgte, dass es niemals langweilig wurde.
Beispiel Beziehung: Die sei nach zwei Jahren meist am Ende, so wolle es jedenfalls die Natur. Ein Grund für Musiker, alle zwei Jahre ihre Lieder zu aktualisieren.
So das Beispiel Grönemeyer: "Gib mir meinen Nerz zurück." Zu leiden unter dem Spott hatte aber auch die FDP, der Böttcher gleich zwei Lieder gewidmet hatte. War das "Es ist ein Röslein sprungen mit seiner FDP" schon äußerst unterhaltsam, so waren die Zuhörer beim "Trink, trink Brüderle trink" kaum noch zu halten.
Auch dass Angela Merkel mit dem Motto "Küssen für Deutschland" im Ausland gute Stimmung erzeugt, war dem geneigten Besucher zunächst verborgen. "Das ist für sie gar nicht so leicht, wenn die Mundwinkel nach unten hängen", wusste Böttcher.
Doch natürlich durfte auch einer der Sketche nicht fehlen, die Chris Böttcher im Hörfunk berühmt machen. Als "Lothar und Franz" alias Matthäus und Beckenbauer im trauten Zwiegespräch versanken blieb kein Auge trocken.
Perfekt wusste Böttcher die beiden zu imitieren und so für interessante Wendungen zu sorgen.
Abgründe des Fernsehwahnsinns
Der "Spieltrieb" bot den Zuhörern auch Lehren fürs Leben. Beim Motivationsseminar, das laut Böttcher "zu 100 Prozent klappt", wusste am Ende jede Frau: "Mein Mann ist genau das, was ich verdient habe." Abwechselnd waren im Saal die Männer und Frauen gefragt, die jede noch so hanebüchene Forderung des Kabarettisten mit dem "Ich will" beantworten mussten.
Aber auch in die Abgründe des alltäglichen Fernsehwahnsinns verirrte sich der Kabarettist, wenn er beim "Eber sucht Sau, Bauer sucht Frau" musikalisch darüber philosophierte, was Frauen dazu treibt, sich einen vier Zentner schweren Bauer, der bei seiner acht Zentner schweren Mutter lebt, als Herzblatt zu küren.
Findet der Bauer dann - wider alle Vernunft - doch eine Frau und es gibt Kinder, so sollen diese am besten von Investment-Bankern erzogen werden: "Keiner kann bessere Märchen erzählen", meinte Böttcher. Und wenn die Kleinen dann dem Kinderalter entwachsen sind und zu jugendlichen Aliens mutieren, so freut man sich als Familienvater auf einen entspannten Afghanistan-Einsatz.
Folgerichtig war da das Lied "In der Pubertät wird der Mensch unendlich bläd", das für tosenden Applaus sorgte. Für viele Lacher sorgte der Kabarettist auch mit dem Song "Mit meiner Wollstrickmütze", womit er den grassierenden "Boshi-Trend" scharf geißelte.
Chris Böttcher appellierte unter anderem für eine aggressivere Nationalhymne und wusste dabei die Schwächen der Deutschen äußerst treffend aufs Korn zu nehmen. Grausam war unter anderem die Drohung, den Musikantenstadl exportieren zu wollen.
Bitterböse war auch das Lied über die "Zehn kleinen Zuschauer", von denen einer nach dem anderen bei der WM in Saudi-Arabien und dem Iran dem islamistischen Terrorregime zum Opfer fällt.
Nach alldem stand aber eines fest: Die Männer sind die Krone der Erschöpfung. "Männer sind Helden, außer sie haben einen Schnupfen", meint der Kabarettist. Und so gab es am Ende ob der Darbietung stehende Ovationen und die Forderung nach einer Zugabe, die Böttcher natürlich gerne gewährte.