Druckartikel: Betrüger werden immer dreister

Betrüger werden immer dreister


Autor: Thomas Malz

Münnerstadt, Dienstag, 03. Januar 2017

Ein Mandant des Rechtsanwalts Gernot Spieß ist auf eine besonders dreiste Form hereingefallen. Dabei gab sich einer der Täter als Gernot Spieß aus.


Die ständigen Warnungen der Polizei vor dem sogenannten Enkeltrick zeigen Wirkung. Den Betrügern wird das Leben schwerer gemacht. Aber auch die stellen sich offensichtlich ein und ändern die Taktik. "Diese Variante kannte ich überhaupt nicht", sagt der Münnerstädter Rechtsanwalt Gernot Spieß und legt einen Fall offen, der es wirklich in sich hat.


Ein erster Anruf

Angefangen hat alles - wie fast immer in solchen Fällen - mit einem Telefonanruf. Zwei Seiten umfasst die Stellungnahme des Geschädigten, der nicht im Landkreis Bad Kissingen wohnt. Es handelt sich um einen älteren Herrn. Jedenfalls hat er einen Anruf von einer Frau Braun erhalten, die angeblich vom Amtsgericht Berlin war und ihm vorwarf, er habe an einem Gewinnspiel teilgenommen, ohne zu bezahlen. "Sie nannte mir einen Strafbetrag in Höhe von 3750 Euro", erinnert sich der Geschädigte. Wenn er nicht sofort zahle, erhöhe sich die Summe auf 8000 Euro. Und jetzt wird's richtig kurios: "Sie unterbreitete mir das Angebot, dass ich bei Sofortzahlung des Strafbetrages eine Entschädigung von 27 000 Euro erhalten würde."


Ein übler Trick

Doch noch fiel der ältere Herr nicht auf den Trick herein. Er teilte der Anruferin mit, dass er alle weiteren Schritte mit seinem Rechtsanwalt besprechen werde und gab Frau Braun auf deren Nachfrage die Kontaktdaten von Gernot Spieß. Dann kam noch die Frage, ob sich in der Nähe ein Geldinstitut befindet, wo der ältere Herr innerhalb der nächsten Stunde die geforderte Summe abholen könne. Dann legte Frau Braun auf. Kurz danach erhielt der Geschädigte einen Anruf von einem Mann, der sich als Gernot Spieß ausgab und ihm vertrauensvoll versicherte, dass alles in Ordnung sei und er den Auftrag ausführen solle. Er hinterließ sogar eine Handynummer, falls es weitere Fragen gibt. Der echte Gernot Spieß hatte zu diesem Zeitpunkt nicht die geringste Ahnung von den Vorkommnissen, bei dem Anrufer handelte es sich ganz offensichtlich um einen der Betrüger.


Der nächste Anruf

Vermeintlich auf der sicheren Seite, machte sich der ältere Mann auf den Weg, um das Geld abzuheben und bekam sofort nach seiner Rückkehr einen weiteren Anruf von Frau Braun. Er solle das Geld in eine benachbarte Stadt zu einem Geldtransfer-Büro bringen. Das Taxi stand schon bereit. Während der Fahrt habe er einige Anrufe von Frau Braun und dem vermeintlichen Herrn Spieß bekommen, erinnert sich der Geschädigte.
"Das ist typisch", sagte der echte Rechtsanwalt. Den Opfern werde durch ständige Telefonate die Möglichkeit genommen, den Vorgang gedanklich zu erfassen. Sonst würden sie wohl merken, dass etwas nicht stimmt. Genauso typisch sei das Drängen der Betrüger auf Eile.


Anrufer begeht Fehler

Der Rest ist schnell erzählt: Eine Frau, angeblich aus Tschetschenien, nahm ihn in Empfang, der Geldtransfer in Richtung Türkei war kurz danach erledigt. Mehrfach rief Frau Braun während des Vorgang an. Mit dem Taxi ging es zurück, und dann meldete sich der falsche Gernot Spieß noch einmal bei dem Geschädigten und beging einen großen Fehler: "Ich wünsche Ihnen, Herr Spieß, alles Gute und ein schönes Wochenende." Zwar nannte der Anrufer auf Nachfrage noch den richtigen Namen des Opfers, aber dessen Misstrauen war geweckt. Er rief den echten Gernot Spieß an und erfuhr so, dass er Betrügern auf den Leim gegangen war.
Zwar sind die 3750 Euro wohl weg, aber immerhin konnte so verhindert werden, dass die Betrüger den älteren Herrn um noch mehr Geld erleichterten. Denn der bekam nach einigen Tagen einen Anruf eines angeblichen Herrn König aus einer Rechtsanwaltskanzlei mit dem Namen eines Bundeslandes. Dieser sicherte dem Opfer zu, dass er die versprochenen 27 000 Euro in den nächsten Tagen per Bote erhalten werde.


Verwirrung

Dafür müsste er allerdings 4000 Euro Zinsen bezahlen. Auf Nachfrage, wohin er das Geld überweisen solle, legte der Anrufer zunächst auf. So beriet sich der ältere Herr noch einmal mit Gernot Spieß und der Polizei, bei der er inzwischen Anzeige erstattet hatte. Beim nächsten Anruf des "Herrn König" mit der Nachfrage, ob er das Geld denn schon überwiesen habe, informierte der Geschädigte ihn über das Einschalten der Polizei. Damit war der Anruf beendet.
Gernot Spieß schüttelt noch immer den Kopf. In einer gewissen Weise zollt er den Betrügern sogar ein wenig Respekt für ihre Idee. Dass sich jemand für ihn ausgibt, um einen Betrug zu ermöglichen, ist ihm noch nicht untergekommen. Das Geld sei mit einem Geldversand verschickt worden. "Das ist weg", ist sich Gernot Spieß sicher. Er besitzt eine Kopie des Sendebelegs. Da stehen - wenn auch etwas klein gedruckt - ganz oben acht Fragen. Ob das Geld an eine Person geht, die der Absender nicht kennt, oder an vermeintliche Verwandte, die dringend Geld brauchen, wird dort gefragt. Oder, ob es sich um ein Jobangebot, den Kauf eines Autos, eines günstigen Produktes handelt, oder ob das Geld übersendet wird, um einen Preis, einen Lottogewinn oder eine Erbschaft zu erhalten. Gefragt wird sogar, ob das Transferunternehmen als bevorzugte Zahlungsmethode empfohlen wurde.


Deutliche Warnung

Dann kommt die deutliche Warnung: "Wenn Sie eine dieser Frage bejaht haben, senden Sie kein Geld! Es liegt ein Betrugsverdacht nahe", steht auf dem Beleg. Dem Transferunternehmen kann man folglich keinen Vorwurf machen. Hätten die Betrüger nicht so auf Eile gedrängt und der Geschädigte hätte die Fragen gelesen, dann wäre ihm womöglich noch rechtzeitig die berechtigten Zweifel gekommen. Jetzt ist es dafür zu spät.