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Anders, was ist das eigentlich?


Autor: Thomas Ahnert

Maßbach, Dienstag, 15. November 2022

Die neueste Produktion des Theater-Jugendclubs heißt "and:ers" und wirft jede Menge Fragen auf. Die Antworten bleiben die jungen Laienspieler schuldig, oder entsteht daraus vielleicht eine Fortsetzung?
Jede Menge Fragen und Probleme zeigten die Nachwuchsspieler des Theater-Jugendclubs in ihrem neuen Stück "and:ers" im TIP des Maßbacher Theaters auf.


Es ist immer wieder erstaunlich, wie umfangreich die theaterpädagogische Arbeit am Maßbacher Theater ist, wie viel dort angeboten wird, um das Publikum von morgen schon in jüngsten und jungen Jahren an das Theater heranzuführen. Da gibt es nicht nur ein sehr ernst genommenes Kinder- und Jugendtheater mit Aufführungen auf der Freilichtbühne, in der Lauertalhalle oder im TIP, dem Theater im Pferdestall. Sondern da gibt es auch Gruppenangebote wie Probenbesuche mit entsprechenden Vorab- und Hinterherinformationen.

Da gibt es Workshops und Klassenabonnements, mobile Theaterproduktionen, die in die Kindergärten und Schulen kommen. In jeder Spielzeit wird eine Partnerschule für eine besonders enge Zusammenarbeit ausgewählt - in der letzten Spielzeit war das die Franziskus-Schule in Schweinfurt. Und es gibt Gruppen, die sich regelmäßig treffen wie der Caruso-Club, der Kindern im Alter von neun bis 13 Jahren die Möglichkeit bietet, spielerisch erste Bühnenerfahrungen zu sammeln.

Jugendliche experimentieren

Jetzt war wieder einmal das "Flaggschiff" dieser ganzen Arbeit, der Theater-Jugendclub, bei zwei Aufführungen seiner neuesten Produktion im TIP zu sehen. Dieser Club ist ein Angebot an Jugendliche ab 13 Jahren, die es mit dem Theater schon etwas ernster meinen, die nicht nur an die Bühne herangeführt werden sollen, sondern auch hinauf. Er ist ein Experimentierfeld, auf dem sich die jungen Leute selbst austesten können, auf dem sie sehen, wie das ist, wenn man Texte lernen - und mitunter vorher auch selber schreiben - muss, sich Choreografien merken muss, reden muss, dass man auch im gesamten Raum verstanden wird. Oder: wie das ist, wenn man sich mit seinem Tun in die Öffentlichkeit begibt und sich nicht nur der Beobachtung, sondern auch der Kritik aussetzt.

Das sind Entscheidungen, die durchaus Mut erfordern, denn man kann nicht zwischendrin davonlaufen. Und es fällt auf, dass die Mädchen offenbar mutiger sind, denn sie sind deutlich in der Mehrzahl. Zum Glück gibt es in und um Maßbach genügend junge Mutige. Denn Theaterpädagogin Dorothee Höhn hatte genügend Leute gefunden, um nicht nur die Bühne zu besetzen, sondern auch das technisch-organisatorische Umfeld. Nur Ton und Beleuchtung blieben bei Robert Werthmann in Profihand.

Texte selbst verfasst

Das neue Experimentalprojekt trug den Titel "and:ers", und es war sehr flexibel angelegt - nicht nur, weil die Zahl der Rollen nicht zwingend auf zwölf festgelegt war. Sondern auch, weil die Texte von den zwölf Schauspielern erst einmal selbst verfasst wurden. Verhandelt wurden darin Fragen wie "Darf ich anders sein?", "Was bedeutet es, anders zu sein und zu fühlen?", "Hab' ich denn immer die Wahl? Kann ich es mir aussuchen?", "Wer bestimmt, wer oder was anders ist?" Oder: "Was ist eigentlich das Gegenteil von anders?" Nicht ungeschickt gewählt. Denn das sind genau die Fragen, die die jungen Leute rund um die Pubertät umtreiben in ihrem Kampf zwischen Anpassung, Gruppendruck und Individualität.

So war es kein Wunder, dass Maya Dinkel, Johanna Hub, Luise Hub, Aurelia Jäger, Addy Katanaev, Goscha Machalewska, Helene Poggendorf, Simon Sauerteig, Cameron Schaumlöffel, Marius Schweier, Hannah Till und Marie Wehner jede Menge Fragen und Problemstellungen fanden, die für ein 45-minütiges "Dauerfeuer" reichten.

Persönliche Betroffenheit

Denn es waren nicht nur abstrakte Fälle und Fragen, die sie aufgriffen, sondern da spielte auch jede Menge persönliche Erfahrung und Betroffenheit mit. Und es waren eben auch zwölf Perspektiven mit jeweils unterschiedlicher Basis, die da ineinanderflossen. Da war man als Zuschauer schon gefordert, um in dem textlichen Getriebe, das durch die sich nahezu ständig bewegende Gruppe verdichtete, mit der Gruppe auf Augenhöhe zu bleiben. Aber es schälten sich durchaus auch Komplexe heraus wie der Umgang mit Behinderten, Migranten oder mit Rollenklischees und deren Wirkungskraft.

Was man ein bisschen vermisste, war nicht nur die Notwendigkeit schauspielerischer Gestaltung, sondern auch die Beantwortung der berechtigten und sinnvollen Fragen, die Thematisierung dessen, was zu tun wäre, um die Einstellung gegenüber dem Anderssein zum Positiven zu wenden - gelegentlich klang das schon ein bisschen an. Denn dann würde das Stück nicht nur Fragen stellen, sondern auch Entwicklung zeigen. So, wie es ist, hätte das Stück wieder am Anfang beginnen können.

Aber es wäre auch eine interessante Vorlage für ein weiteres Stück, für eine Fortsetzung, die diese Antworten gibt. Das wäre nicht nur inhaltlich spannend, sondern würde auch Möglichkeiten der Individualisierung für die jungen Leute bieten, sowohl in ihren Anliegen als auch in ihrer emotionalen Darstellung. Denn dass ihnen der emotionale Aspekt außerordentlich wichtig ist, dass sie hinter dem Thema stehen, das wurde schon jetzt in dem Feuer der Fragen deutlich. Aber klar: Leicht wird das Schreiben nicht.