Druckartikel: Am Küchentisch fing alles an

Am Küchentisch fing alles an


Autor: Heike Beudert

Münnerstadt, Montag, 31. Juli 2017

Andranik Hakobyan und seine Frau Lusine Taschtschjan versenden ihre von Hand verzierten Kerzen für Taufen, Hochzeiten und Kommunionfeste.
Lusine Taschtschjan und Andranik Hakobyan sind stolz, dass sie mit ihrer Kerzen-Manufaktur so viel Erfolg haben. Foto: Heike Beudert


Eigentlich war Lusine Taschtschjan nur auf der Suche nach einer Taufkerze für ihren Sohn. Doch entweder war ihr das Angebot in den Geschäften zu bunt oder zu teuer. Also hat sie sich selbst einen Kerzenrohling gekauft und mit Verzierwachs so gestaltet, wie es ihr gefiel. Diese erste Kerze war der Anfang eines florierenden Unternehmens.
Seit zehn Jahren gibt es das Unternehmen Kerzenzauber Lusine. Während Lusine Taschtschjan für das Design zuständig ist, ist ihr Ehemann Andranik Hakobyan für die wirtschaftliche Seite verantwortlich. Der Familienbetrieb beliefert zwischenzeitlich europaweit Kunden. Es sind Geschäfte, aber auch Privatleute, die sich im Münnerstädter Familienbetrieb Kerzen und Zubehör für die besonderen Anlässe im Leben fertigen lassen.
Lusine Taschtschjan hat mit ihren Entwürfen den Geschmack eines breiten Publikums getroffen. Sie entwirft Kerzen, die traditionelle religiöse Motive mit einem modernen, stilvollen Design verbinden. So vielfältig Europa ist, so unterschiedlich sind auch die Geschmäcker. Auch die Konfession spielt eine Rolle. Darauf hat sich Lusine Taschtschjan bei der Motivwahl eingestellt. Blumengirlanden, Schutzengel, Tauben oder ein schlichtes Kreuz sind aber fast überall beliebte Gestaltungselemente, erklärt die Kerzendesignerin und studierte Architektin.


Fingerspitzengefühl nötig

Die ersten Probekerzen für die Tauffeier ihres Sohnes hatte Lusine Taschtschjan am Küchentisch verziert und danach eher spaßhalber auf Internetplattformen angeboten. Binnen kürzester Zeit waren die Kerzen vergriffen. Es folgten weitere, der Grundstein für das Unternehmen war gelegt. Vor zehn Jahren entschied sich das Ehepaar für die Selbstständigkeit und hat es bis heute nicht bereut.
Die Kerzen für Taufen, Hochzeiten und Kommunionen werden bis heute in reiner Handarbeit verziert. Viel Fingerspitzengefühl ist nötig, um die filigranen Wachsmotive richtig zu platzieren.
Von den Standardmodellen können bis zu 30 in einer Stunde verziert werden. Individuelle Anfertigungen dauern länger. Acht bis zehn Kerzen können die Mitarbeiter dann maximal pro Stunde fertigstellen, erklärt Andranik Hakobyan. Rund 40 000 Kerzen verlassen jährlich das Haus in der Hans-Vait-Straße. Dazu kommt noch diverses Zubehör. So werden auch Ringkissen für Hochzeiten selbst genäht. Saison ist fast das ganze Jahr über. Die ruhigste Zeit ist im Dezember. Weihnachtskerzen sind nicht im Angebot.
  


Vier Mitarbeiter

Mittlerweile beschäftigt das Familienunternehmen in der Hans-Vait-Straße vier Mitarbeiter. Zwei von ihnen sind Flüchtlinge. Aus eigener Erfahrung weiß Andranik Hakobyan, wie wichtig es ist, Arbeitgeber zu finden, die beim Start ins neue Leben helfen. Er und seine Frau haben ihre armenische Heimat verlassen, in der sie groß geworden sind und studiert haben. In Deutschland mussten sie ganz von vorne anfangen. Andranik Hakobyan hatte mit dem Münnerstädter Klaus Bötz einen Chef, der ihm gelehrt habe, wie man arbeiten muss, um einen Betrieb zu führen. Dafür sei er dankbar, sagt Hakobyan. Er habe aber wohl auch den Geschäftssinn seines Urgroßvaters im Blut, meint der 40-Jährige. "Und es ist gut, wenn man die richtige Frau an seiner Seite hat", ergänzt er.
Dass die Lusine-Kerzen so schnell so bekannt werden konnten, hat mehrere Gründe. Einer ist das Design. "Wir haben eine neue Richtung hineingebracht", erklärt Lusine Tschatschjan. Ein Grund ist wohl das Internet. Ausschließlich darüber werden die Kerzen vertrieben.Online-Bestellungen sind 24 Stunden am Tag möglich. Dadurch wurde die Manufaktur schnell einem großen Kreis bekannt. Ein dritter Grund ist die Unermüdlichkeit des Inhabers. Der Betrieb wird nach dem Hakobyans Motto geführt: "Das, was ich mache, muss ich am Besten machen." Selbst wenn um 23 Uhr das Telefon klingelt, ist Andranik Hakobyan für seinen Kunden ansprechbar. Eine Sieben-Tage-Woche ist in der Familie eher die Regel als die Ausnahme. Wohnzimmer und Werkstatträume liegen nebeneinander. Eigentlich komme er nie zur Ruhe, sagt Andranik Hakobyan - auch im Urlaub nicht. Für ihn ist das nicht schlimm. Seine Frau Lusine muss ihn in seinem Tatendrang manchmal bremsen.
Mittlerweile ist es jedoch ein bisschen leichter geworden, ein paar freie Tage zu nehmen, weil die beiden erwachsenen Kinder ihre Eltern entlasten. Doch selbst im Urlaub wählt Andranik Hakobyan seine Ziele gerne danach, ob sie sich mit Geschäftlichem verbinden lassen.
Jetzt hat Andranik Hakobyan einen neuen Markt im Blick. "Wir wollen demnächst in die USA exportieren", sagt der Geschäftsmann. Zwei Geschäftsreisen haben ihn darin bestärkt. "Das, was wir machen, gibt es in Amerika nicht." Das Interesse an den Kerzen aus Münnerstadt sei groß. Die beiden warten noch auf das Freihandelsabkommen. Momentan wären die Einfuhrsteuern zu hoch, um mit den handgearbeiteten Kerzen konkurrenzfähig zu sein.
Während sich Lusines Kerzenzauber im In- und Ausland einen Namen gemacht hat, blieb die Existenz des Familienbetriebes bei der Stadt Münnerstadt so gut wie unbemerkt. Das findet Andranik Hakobyan ein bisschen schade. Schließlich sei der Betrieb heute ein guter Gewerbesteuerzahler.