Als das Rote Kreuz Fahrzeuge am Marktplatz in Meiningen übergab
Autor: Hanns Friedrich
Mellrichstadt, Sonntag, 01. März 2020
30 Jahre ist es her, dass in der damaligen DDR die Unruhen aufkamen und sich sich am 9. November die Grenzen öffneten. Ein Bericht über die arbeitsintensiven Wochen beim BRK.
Am 10. November war es am Grenzübergang Eußenhausen-Henneberg soweit. An diese turbulente Tage erinnert sich heute noch Adolf Saam aus Heustreu. Damals war er Kreisgeschäftsführer der BRK-Bereitschaft Rhön-Grabfeld und gemeinsam mit seinem Vorsitzenden, Landrat Dr. Fritz Steigerwald, "hautnah" dabei. "Am 10. November um 6 Uhr habe ich mich mit Dr. Steigerwald getroffen und dann sind wir zum Grenzübergang gefahren." Wenige DDR-Bürger seien es zunächst gewesen, unter anderem das erste Fahrzeug mit jungen Leuten im "Blaumann", die am Grenzübergang ankamen und die eigentlich nur mal schauen wollten, ob die Grenze wirklich auf ist.
Dann überschlugen sich die Ereignisse: Plötzlich kamen die Wartburg und Trabbis aus allen Richtungen zum Grenzübergang Henneberg-Eußenhausen und fuhren Richtung Westen. Erster Anlaufpunkt war die Stadt Mellrichstadt, wo auf die Schnelle entsprechende Versorgungsstellen eingerichtet wurden. Mitte Januar startete das BRK Rhön-Grabfeld damals dann eine Fahrzeug-Spendenaktion.
Rettungsfahrzeuge übergeben
Der damalige BRK-Kreisgeschäftsführer Adolf Saam weiß, dass man einen Rettungswagen, einen Krankentransportwagen und einen VW-Bus auf dem Marktplatz in Meiningen an das DRK Meiningen übergab. Helmut Schuchardt war damals der Leiter des DRK Meiningen und weiß von einer großen Veranstaltung, bei der sich auch die einzelnen Rot-Kreuz-Bereitschaften aus Rhön-Grabfeld präsentierten. Adolf Saam erinnert sich: "Gleich nach der Grenzöffnung am 10. November gab Dr. Steigerwald den Auftrag an unser BRK Rhön-Grabfeld, sich in Meiningen mit dem dortigen Deutschen Roten Kreuz in Verbindung zu setzen".
Im Umkreis wurden in den 1990er Jahren auch Alten- und Pflegestützpunkte eingerichtet, erinnert sich Adolf Saam im Gespräch mit dieser Zeitung und man klärte Rettungseinsätze ab. Schmunzelnd berichtet er, dass es gar nicht so einfach war mit dem Dienstwagen, die damals noch vorhandenen Grenzkontrollen zu bestehen. "Wir hatten ja noch die fest eingebauten Funkgeräte und das mussten wir erst den Grenzorganen verdeutlichen, dass man die nicht ausbauen kann."
Zum Tag selbst in Meiningen weiß der damalige Kreisgeschäftsführer, dass man eine Ausstellung mit verschiedenen Fahrzeugen hatte, auch die Kochgruppe des BRK Rhön-Grabfeld war vor Ort und hatte die Verpflegung der Besucher übernommen. "Es waren ganz verrückte und vor allem arbeitsintensive Wochen, die wir als BRK Rhön-Grabfeld gemeistert haben." Davon liest man auch in einem Bericht, den Harald Schellenberger aus Mellrichstadt für das Archiv des BRK Rhön-Grabfeld verfasst hatte. Danach hat alles schon am 7. November 1989 begonnen, als die Bundeswehr Mellrichstadt dem BRK mitteilte, dass am 8. November ab 8 Uhr etwa 200 DDR-Übersiedler von Schirnding in Mellrichstadt erwartet werden. Es kam zur Lagebesprechung mit der Bundeswehr und dem damaligen BRK-Kreisgeschäftsführer Adolf Saam in der Hainbergkaserne. 30 Einsatzkräfte des BRK standen zur Verfügung, die in der Turnhalle die Unterkünfte vorbereiteten. Örtliche Unternehmen stellten notwendige Elektrogeräte zur Verfügung. Aus dem BRK-Zentrallager Ingolstadt wurden Babynahrung und Hygieneartikel abgeholt. Harald Schellenberger erzählt, dass sogar vorhandene Münzfernsprecher auf kostenlosen Betrieb umgerüstet wurden.
Nachdem keine DDR Bürger kamen wurde der Einsatz um 18 Uhr abgebrochen. Am Tag danach, dem 9. November trafen die ersten Übersiedler aus Schirnding ein, um 19 Uhr war die Aufnahmekapazität erreicht. Dann die Nachricht im Fernsehen: DDR öffnet die Grenzen ab sofort. "Das warf dann alles über den Haufen, wir mussten spontan reagieren." Gegen 6 Uhr morgens meldete die Rettungswache Mellrichstadt, dass viele DDR-Bürger über den Grenzübergang Eußenhausen in den Rhön-Grabfeldkreis kommen.
Nächte im Auto
Um 7.30 Uhr Entwarnung, man war der Meinung, die DDR Bürger komme nur zu Besuch, womit keine Betreuung notwendig wird. Das änderte sich schlagartig, als die Autoschlangen sich vom Grenzübergang nach Mellrichstadt wälzten. Im VG-Keller in Mellrichstadt wurden belegte Brötchen verteilt, das BRK begann mit dem Ausschank von Tee, Kaffee und Fleischbrühe mit Unterstützung durch die Bundeswehr-Küche. Nach und nach wurden weiter Ausgabestellen eingerichtet, der Malteser Hilfsdienst mit einbezogen. Eine Wärmestube für Familien mit Kindern gab es im BRK-Haus. Viele DDR-Bürger übernachteten nämlich bei niedrigen Temperaturen in ihren Autos, weil sie befürchteten, dass die Grenze wieder geschlossen wird.