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Münnerstadt: Bestraft nach Hetze wegen Hautfarbe


Autor: Carmen Schmitt

Münnerstadt, Donnerstag, 15. November 2018

Bewaffnet mit einem Küchenmesser ging ein 41-Jähriger im Frühjahr auf eine Gruppe junger Männer los. Die Situation eskalierte. Jetzt wurde er verurteilt.
Foto: Arne Dedert dpa/lhe


Mit einem Küchenmesser ist er hinter ihm her. Mitten durch die Stadt. Mitten am Tag. Was als Pöbelei beginnt, wird zur Hetze. Der Grund: Hanad* und seine Schul-Kameraden haben eine dunkle Hautfarbe. Ein 41-Jähriger stand in Bad Kissingen vor dem Gericht, weil er Ende April eine Gruppe junger Männer an der Bushaltestelle in Münnerstadt bedroht und attackiert haben soll.

Eigentlich wollten die Schüler an diesem Mittwochmittag nur nach Hause. Neben dem Rathaus in Münnerstadt warteten sie nach dem Unterricht mit einer Handvoll anderer auf den Bus in Richtung Bad Kissingen. Aus einem offenen Fenster eines Hauses in der Nähe dröhnt laute Musik. Ein Mann lehnt sich raus - der Angeklagte. Er brüllt, stänkert, zeigt ihnen den Mittelfinger. Schließlich kommt er mit Kampfhund und Kumpel nach draußen und pöbelt weiter gegen die Truppe: ein halbes Dutzend junger Männer, die sich hier um Asyl beworben hatten. Sein Freund schiebt den Angeklagten zurück ins Haus. Als er das nächste Mal raus kommt, ist er allein - und bewaffnet.

Opfer machen keine Anzeige

Die beiden Haupt-Opfer der Attacke kann das Gericht nicht befragen. Einer der Männer ist seit dem Sommer offiziell "ausreisepflichtig". Wo sich der andere gerade aufhält, ist unklar. Der Richterin bleibt nur, das, was die beiden damals bei der Vernehmung den Polizeibeamten sagten, vorzulesen. Anzeige wollte keiner der beiden erstatten. Geflohen vor Gewalt sei er nur auf der Suche nach Frieden, sagte damals der, den der 41-Jährige mit einem Messer in der Hand durch die Stadt jagte.

Pistole gehörte Kumpel

"Dumm gelaufen, es kam eins zum anderen", meinte Alexander K.* (*Name geändert) vor Gericht. Bei der Polizei wollte er damals direkt nach dem Vorfall nichts sagen. Heute widerspricht er keinem der Anklagepunkte, die die Staatsanwältin vorliest - fast. Die Waffe, die die Polizei in seinem Gartenhäuschen gefunden hatte - die gehöre einem der Freunde, denen er dort Unterschlupf gewährt hatte, meinte er. Später während der Verhandlung wird dieser Punkt fallengelassen werden.

Dass er die Gruppe draußen am Bushäuschen beleidigt hatte, bestritt er nicht. Einer von ihnen wollte am Vortag sein Fahrrad klauen, erzählte er. Was er genau gesagt hatte, daran könne er sich nicht erinnern. Er hatte Ärger mit seiner Frau und Alkohol, Drogen und Tabletten intus: "Ich habe im Suff halt irgendwas dahergesülzt." Zeugen können aushelfen: "Geht dahin zurück, wo ihr herkommt", hatte ihn einer der Stadt-Angestellten runter in Richtung Bushaltestelle brüllen hören. Der Vorfall fiel genau in die Mittagspause der Stadtverwaltung, sodass einige der Angestellten Zeugen der Attacke wurden.

"Ich habe ein Klicken gehört. Ich dachte erst, er hätte eine Waffe dabei", so die Aussage einer jungen Schülerin, die eine der drei Dolmetscherinnen, die für die Verhandlung benötigt wurden, von Englisch auf Deutsch übersetzte.

Mit Messer gefuchtelt

Alexander K. zieht ein Küchenmesser aus seinem Hosenbund und fuchtelt damit vor den Schülern herum. "Die Jungs sind mir auf den Pelz gerückt. Ich wollte sie mit dem Messer auf Abstand halten. Verletzen wollte ich niemand", sagte der Angeklagte vor Gericht. Den Eindruck hatten mehrere Zeugin, die bestätigen, dass er stets auf Abstand war. Ein 20-Jähriger, der auch in der Gruppe stand, erzählte vor Gericht, wie der Angeklagte ihm mit dem Küchenmesser auf der Kleidung über den Bauch streifte. Als einer der Jungs versuchte, dem 41-Jährigen das Messer aus der Hand zu schlagen, eskaliert die Situation. Er geht ihm nach, verfolgt ihn mit dem Messer in der Hand von der Bushaltestelle in Richtung Oberes Tor - 200 Meter. In dem Gerangel flüchten sich zwei Mädels aus Angst ins Rathaus. Der Angreifer lässt von dem einen ab und mischt weiter die anderen auf. Zur Notwehr schnappen die sich Metallteile von einer Straßenbaustelle. Eines davon trifft den Angeklagten am Kopf. "Er hätte ihn sonst getötet", sagte ein 18-jähriger Schüler auf Englisch, der mit den anderen Jungen in der Gruppe stand. "Er hätte zugestochen", meinte ein anderer der Jungen, die dabei gestanden waren. Eine Zeugin bestätigt: Erst ging er nur gegen den einen, "dann hatte er Wut gegen alle". Eine Stadt-Angestellte, die auf dem Weg zum Bäcker Zeuge des Tumults wurde, rief die Polizei. Eine Schülerin wollte so viele Leute wie möglich auf die Attacke aufmerksam machen: "Ich habe so laut geschrien wie ich konnte."

Sollen Kinder bei Eltern bleiben?

Alexander K. verschränkt die Arme. Schmal, kantig, ausdruckslos. Sein rechtes Bein wippt unter dem Tisch. Der 41-Jährige spricht schnell, murmelt, verschluckt Silben. Sein Register hat 15 Einträge: Diebstahl, Drogen, Betrug, Bedrohung. Von 1993 bis ins Jahr 2012. Dann lernte er seine jetzige Frau kennen. Seit ein paar Wochen hat er wieder einen festen Job. Gerade wird geprüft, ob die drei Kinder woanders nicht vielleicht besser aufgehoben wären als bei Mama und Papa. Bei der Hausdurchsuchung stoßen die Beamten auf Drogen-Utensilien und eine kleine Cannabis-Plantage. "Nicht sonderlich liebevoll aufgezogen", sagt einer der Beamten, und "von keiner guten Qualität".

Zwar sind sich in Einzelheiten nicht alle Zeugen einig, für die Staatsanwältin stand aber fest: "Es hat ihm schon gereicht, die dunkelhäutigen Mitbürger nur zu sehen." Da half es auch nichts, dass er nach seiner Attacke die Hand zur Versöhnung gereicht haben soll. Die Staatsanwältin zog Vergleiche zur Hetzjagd Ende August in Chemnitz. Der Vorfall in Münnerstadt - für sie ganz klar eine "rassistisch motivierte Straftat". "Man muss hier ein Zeichen setzen." Die Bilder, die die Ermittler auf seinem Handy fanden, dokumentieren klar die Gesinnung von Alexander K., meint die Vertreterin der Staatsanwaltschaft. "Er nimmt es nicht als das wahr, was es ist." Dafür stehen seine Aussagen wie "die sehen ja alle gleich aus", sagte sie. "Das muss erheblich bestraft werden", forderte sie. Nach vierstündiger Verhandlung fällt das Urteil. "Haarscharf", sagte die Richterin. Bedrohung, Körperverletzung, unerlaubter Anbau von Betäubungsmitteln: Mit elf Monaten auf Bewährung ist der 41-Jährige weggekommen. "Man kann die vage Hoffnung haben, dass Sie es durchhalten." "Es spricht vieles dafür, dass das einen gewissen Hintergrund hat", sagte die Richterin. Zu der Bewährungsstrafe kommt eine Geldauflage in Höhe von 1500 Euro und regelmäßige Drogen-Tests. Und am Ende hatte er noch Ärger mit seiner ältesten Tochter. Die ist mit einem Freund seiner Opfer zusammen.