Motorradfahrverbote - Blinder Aktionismus oder das Achten der Rechte anderer?
Autor: Steffen Standke
Bad Kissingen, Donnerstag, 16. Juli 2020
Die Freiheit auf zwei Rädern spaltet derzeit die Gemüter. Anwohner protestieren gegen Lärm, Motorradfahrer pochen auf Grundrechte. Die Redakteure Johannes Schlereth und Steffen Standke haben hierzu unterschiedliche Meinungen. Hier sind die beiden Kommentare.
Kommentar gegen Fahrverbote von Johannes Schlereth
Jedes Jahr beginnt mit dem Start der Motorradsaison aufs neue die ewig gleiche Debatte: Die Bikes seien zu laut. Anwohner fühlen sich in ihrer Sonntagsruhe gestört. Heuer dann der Vorstoß aus der Politik: Fahrverbote an neuralgischen Punkten sollen das Problem lösen. Das ist Aktionismus und nichts anderes als Symbolpolitik eines Staates, der in diesem Fall keine Muse hat, eine konstruktive Lösung zu finden. Deutlich zeigt sich das am Beschlussvorschlag des Bundesrates. Ziel des Papiers: "Die berechtigten Interessen der Anwohner und die der Motorrad Fahrenden gilt es, in einen fairen Ausgleich zu bringen".
Motorradfahrverbot: Einseitig gedacht
Aber wo ist er, der "faire Ausgleich"? Im Beschluss hat der Bundesrat einfach die Forderungen der Initiatoren - verschiedene Kommunen - übernommen. Die Interessen der Motorradfahrer tauchen an keiner Stelle des Kataloges auf. Andere Lärmquellen wie Möchtegern-Auto-Tuner mit Ofenrohren als Auspuff, die nachts durch die Innenstädte brettern, finden ebenfalls keine Berücksichtigung. Es zeichnet sich das Bild einer Hexenjagd auf eine Verkehrsgruppe.
Forderungen sind irrsinnig
Auffällig ist, dass ein Großteil der Forderungen schlichtweg hanebüchen ist. Beispiele gefällig? Es soll möglich sein, zu laute Motorräder sofort noch vor Ort stillzulegen. Das ist bereits jetzt schon möglich. Weiter im Takt: Die Strafen für Manipulationen am Abgassystem sollen deutlich verschärft werden. Erwischt die Polizei bereits jetzt einen Lärmsünder ist das Ergebnis klar: Veränderungen dieser Art führen zum Erlöschen der Betriebserlaubnis. Eine mögliche Konsequenz neben einer Strafzahlung: Stilllegung der Maschine. Für den Biker folgen in diesem Fall langwierige Termine beim TÜV und der Zulassungsstelle.
Ein drittes Beispiel ist die angestrebte Schallobergrenze von 80 Dezibel. Lustige Nebeninformation in diesem Zusammenhang: Die Obergrenze für neu zugelassene Motorräder ab dem 1. Januar 2016 liegt derzeit bereits bei 77 Dezibel. Bereits ein höheres Verkehrsaufkommen oder vorbeifahrende LKW liegen bei 80 Dezibel. Verbietet die Politik als Folge dann den Privatverkehr oder LKW-Lieferungen? Fachliche Kompetenz haben sich die Initiatoren beim aufstellen ihres Pamphlets wohl nicht eingeholt.
Verbot hätte Auswirkungen auf den Tourismus
Rücksichtslos sind sie auch gegenüber den Betreibern von Ausflugslokalen entlang der Strecken. Die Wirte gelten für die Initiatoren wohl als eine Art Kollateralschaden. Bleiben die Motorradfahrer aus, bleiben die Kassen leer.
Und trotzdem gilt: Lärm ist ein Problem, das krank macht. Aber wie viele Motorräder in Deutschland tatsächlich zu laut sind, ist unklar. Die "vereinigten Arbeitskreise gegen Motorradlärm" (VAGM) gehen davon aus, dass 30 Prozent der Motorradfahrer durch massiven Lärm auffallen. Dabei bezieht sich der Verband auf eine Studie der ACEM - einem Zusammenschluss von Motorradherstellern - aus den frühen 2000er Jahren.