Druckartikel: Mit Rat, Tat und offenem Ohr

Mit Rat, Tat und offenem Ohr


Autor: Edgar Bartl

Bad Kissingen, Dienstag, 21. Juni 2016

Seit 40 Jahren gibt es den Weissen Ring in Deutschland, seit 1986 hat die Organisation eine Außenstelle in Bad Kissingen.
Der Weisse Ring präsentiert sich bis Freitag im Bad Kissinger Amtsgericht. Ulrike Lemaire leitet die vor 30 Jahren gegründete Außenstelle Bad Kissingen der Organisation. Amtsgerichtsdirektor Matthias Göbhardt nannte die Organisation eine "segensreiche Einrichtung".  Foto: Edgar Bartl


Das gibt es nicht so oft: Zwei Juristen und nur eine Meinung. Ulrike Lemaire und Dr. Matthias Göbhardt sind sich einig. Die Opferhilfe-Organisation Weisser Ring (WR) leistet - meist in aller Stille - wertvolle Arbeit, um den Opfern von Straftaten beizustehen. Und diese Tätigkeiten sollten noch ausgeweitet werden.
Beide wissen, wovon sie reden.

Ulrike Lemaire leitet seit elf Jahren die Bad Kissinger WR-Außenstelle, Amtsgerichtsdirektor Matthias Göbhardt ist als Vorsitzender des Schöffengerichts zuständig für Verfahren nach schwereren Delikten.
Zwar ist der Landkreis kein kriminal-technischer Hotspot. Er ist aber auch keine Insel der Seligen. 3366 Straftaten wurden 2015 bekannt. Und das war noch das "sicherste Berichtsjahr seit langem", wie Bad Kissingens Polizeichef Stefan Haschke nicht unzufrieden festgestellt hat.


Eine Anlaufstelle im Gericht?

Göbhardt ist über das Engagement des WR "sehr froh". Denn die Justiz sei immer mehr am Täter interessiert. Vor Gericht ging es um dessen Schuld und seine Bestrafung. Nur wenige Einrichtungen kümmerten sich aber um die Opfer. Deren Wunden würden nicht immer erkannt. Sie würden von den Gerichten mit ihren Problemen oft alleine gelassen. Dieses "Ungleichgewicht" habe WR-Gründer Eduard Zimmermann als einer der Ersten erkannt. Kurz: "Der Weisse Ring ist eine segensreiche Einrichtung." Er überlegte laut, ob man nicht im Amtsgericht eine Anlaufstelle, ein "Weisser Ring-Zimmer" einrichten sollte.
Ulrike Lemaire erörterte, wie sie und ihre Mitarbeiter Betroffene betreut. Vor allem gehe es um immaterielle Hilfen: Man leiste Beistand, kümmere sich, begleite zu einem Anwalt und zum Gericht. Wenn die Straftat zu einer Notsituation geführt habe, seien auch finanzielle Linderungen möglich. Dafür wurden im Landkreis 2015 immerhin 4250 Euro verwendet. Schadenersatz könne der WR allerdings nicht leisten.


Sehr hohe Hemmschwelle

Allerdings hätten viele Probleme, sich an den WR zu wenden. Dabei sei die Außenstelle telefonisch (0971 / 62718) immer erreichbar, so Ulrike Lemaire. Die Hemmschwelle sei oft sehr hoch, hat auch Inge Stumpf erkannt. Sie hält im Bad Brückenauer Rathaus einmal im Monat Sprechstunde ab. Dabei habe sie festgestellt, die Opfer hätten immer lebenslänglich. Die Strafe für die Täter ist hingegen zeitlich begrenzt.


Zuhören und Vertrauen aufbauen

Im Raum Bad Kissingen ist Hildegard Alefeld für den WR tätig. Göbhardt hat vor Jahren die ehemalige Schöffin auf die Organisation aufmerksam gemacht. Sie wisse, wie schwierig es ist, sich in Notsituationen einem Menschen anzuvertrauen. Viele seien "kopflos" und wüssten nicht mehr weiter. Deshalb sei es ganz wichtig, erst einmal zuzuhören und Vertrauen aufzubauen.


Streng vertraulich

Selbstverständlich werde alles streng vertraulich behandelt. Die Opfer sollten das Gefühl haben, "da ist jemand, bei ihnen". Wer Schutz und Geborgenheit suche, bekomme das - auch, wenn gewünscht, lange nach den ersten Kontakten. Hildegard Alefeld: "Man erfährt sehr viel Dankbarkeit der Betroffenen."


Der Weisse Ring

Gründung 1976 wurde der Weisse Ring unter Federführung des TV-Journalisten Eduard Zimmermann ("Aktenzeichen XYX...ungelöst") gegründet. Sein offizieller Name lautet "Gemeinnütziger Verein zur Unterstützung von Kriminalitätsopfern und zur Verhütung von Straftaten".

OrganisationHeute hat der Weisse Ring mit Sitz und Bundesgeschäftsstelle in Mainz 18 Landesverbände mit bundesweit 420 Außenstellen und etwa 3000 ehrenamtliche Mitarbeiter. Er finanziert sich aus Mitgliedsbeträgen, Spenden und Stiftungen. Öffentliche Zuschüsse verwendet er nicht.

Im Landkreis 1986 kam es zur Gründung der Außenstelle des Weissen Rings für den Landkreis Bad Kissingen. Erster Leiter war Georg-Otto Schmitt. Seit 2005 steht Ulrike Lemaire an der Spitze. Fünf ehrenamtliche Mitarbeiter unterstützen sie. Im Landkreis gibt es rund 100 Weisser-Ring-Mitglieder.

Fälle 19 Opferfälle - plus telefonische Beratungen - wurden nach Angaben von Ulrike Lemaire im vergangenen Jahr betreut. Die Bandbreite der Delikte reichte von häuslicher und sexueller Gewalt über Diebstahl, Stalking und Sachbeschädigung bis hin zur Vergewaltigung. Dazu kommen noch Sprechstunden.

Informationen Erreichbar ist der Weiße Ring in Bad Kissingen über die Rufnummer 0971/ 62718. Informieren über den Weißen Ring können sich Interessenten auch heute und am Donnerstag, 23. Juni, im Amtsgericht Bad Kissingen (Von-Hessing-Straße).