Druckartikel: Mit emotionaler Power

Mit emotionaler Power


Autor: Gerhild Ahnert

Bad Kissingen, Sonntag, 11. Januar 2015

Das Tingvall-Trio traf in Bad Kissingen auf ein kundiges und begeisterungsfähiges Publikum.
Das Tingvall-Trio nimmt im Rossini-Saal die Ovationen seines Publikums entgegen (von links): Pianist Martin Tingvall, Drummer Jürgen Spiegelund Kontrabassist Omar Rodriguez Calvo. Foto: Gerhild Ahnert


Er hätte auch geglaubt, dass es erst vor drei Jahren gewesen sei, aber es sind schon fünf Jahre, seit das Tingvall-Trio zum ersten Mal beim "Kissinger Winterzauber" im Rossinisaal gastierte, meinte Pianist und Komponist Martin Tingvall bei seiner Begrüßung. Seitdem hat man dem international besetzten Trio dreimal den "Echo Jazz" verliehen, 2012 für den "Best Live Act of the Year". Martin Tingvall aus Schweden, der Kubaner Omar Rodriguez Calvo am Kontrabass und der

Deutsche Jürgen Spiegel an den Drums haben sich seit ihrem ersten Auftritt hier einen großen Namen unter den Jazzfreunden gemacht und so kamen sie diesmal in ein ausverkauftes Haus und trafen auf ein aufmerksames, kundiges und begeisterungsfähiges Publikum.
Was das Besondere an diesem Jazztrio ist, konnte man schon vor fünf Jahren erkennen: Hier handelt es sich um drei Jazzvirtuosen, die sich vor über zehn Jahren in Hamburg getroffen haben und seitdem zusammen spielen, die Arrangements der von Martin Tingvall komponierten Melodien miteinander ausdiskutieren und das Gefundene dann gleichberechtigt im Konzert mit großer Spontaneität und blindem gegenseitigem Einverständnis musizieren.
Das ist der erste Grund für den durchschlagenden Erfolg des Trios. Der zweite ist sicherlich, dass man hier nicht die Bearbeitungen alter Standards, sondern neue, interessante Melodien zu hören bekommt.
Die neue CD ist die erste, die keinen schwedischen Titel hat, aber auch auf "Beat" finden sich fast nur schwedische Titel. Diese neueste Produktion stellten die drei natürlich in den Mittelpunkt ihres Konzerts.
Bei den drei Musikern geht die Melodie durch alle drei Instrumente, spielt jeder, auch das Schlagzeug, mal die Intro, den Leadpart, während die jeweils zwei anderen darüber improvisieren. Für den Zuhörer sind Tingvalls eingängige Melodien Bezugspunkte während der gesamten Stücke, denn die drei behandeln sie in fast klassischer Weise, führen sie durch die Instrumente, lassen sie als Cantus firmus im Bass präsent sein oder auch im Schlagzeug aufblitzen. So schaffen die drei Jungs aus Hamburg eine sinnliche Unmittelbarkeit und damit emotionale Power, sogar Ohrwurmqualität, die zeitgenössischem Jazz so oft abgeht.
Melancholie betrachtet Tingvall als ein wesentliches Merkmal der skandinavischen Musik, weshalb es nicht verwundert, dass gerade die langsamen Kompositionen in ihrer kompositorischen Komplexität und Raffiniertheit des Zusammenspiels besonders eindrucksvoll geraten. Aber auch die atemberaubend schnellen Acts, bei denen die Hände der drei Weltklassevirtuosen nur so über Tastatur, Bassgriffbrett und Drumset jagen, werden zu Kunstwerken.
Das Publikum jubelte, bis mit den Zugaben "Hamnen" (Hafen), fast einer Visitenkarte des Trios, und "Avsked" (Abschied), einer wunderschönen Ballade, das Konzert endete, aber die Begeisterungsstürme des Publikums noch immer nicht enden wollten.