Mit dem Stararchitekt durch Bad Kissingen
Autor: Werner Vogel
Bad Kissingen, Montag, 23. Sept. 2013
Geschichte muss nicht langweilig sein. Vorausgesetzt, sie wird von einem so überzeugenden Vermittler wie Gerhard Wulz alias Max Littmann erzählt.
Die Idee, eine Kostümführung mit dem bayerischen Stararchitekten Max Littmann durch die von ihm gestalteten Gebäude anzubieten, stieß auf große Resonanz. Nahezu 100 Interessierte wollten anlässlich des Kissinger Nostalgie-Wochenendes einen Blick in die sonst nicht zugänglichen Säle werfen und die Kissinger Paradebauten intensiv kennen lernen.
Gerhard Wulz, ausgewiesener Kenner der Kissinger Geschichte, war in die Rolle des berühmten Architekten geschlüpft und als Max Littmann eine echte Entdeckung. Da passte einfach alles zusammen: Die Liebe zur Heimat, fundierte Kenntnisse zum Thema, die Fähigkeit spannend zu formulieren und eine überzeugende Darstellung.
Er ließ sich einen Bart wachsen
Um dem Vorbild des Professors aus Sachsen, der in München und Kissingen eine so bedeutende Rolle spielte, nahe zu kommen, hatte sich der engagierte Historiker sogar einen Bart wachsen lassen, den Theaterfundus in Maßbach nach passender Kleidung durchstöbert, sich eine silberne Taschenuhr in die Westentasche gesteckt und einen Kneifer auf die Nase gesetzt.
Die Ähnlichkeit mit dem Original war frappierend. Dass die Führung ausgerechnet am 21. September, dem Todestag des Baumeisters, stattfand, war Zufall, passte aber ins Bild. Wie Wulz dann, in der Ich-Form erzählend, den durchaus selbstbewussten Stararchitekten gab, hat die Führung zu einem besonderen Erlebnis werden lassen. "Die Ausstellung im Alten Rathaus habe ich schon gesehen, aber heute wurde der Mann richtig lebendig", bemerkte eine begeisterte Rita Schmidt aus Mannheim.
Wulz erklärte die rasante Bautätigkeit im königlich bayerischen Staatsbad anfangs des 20. Jahrhunderts mit der Förderung durch das bayrische Königshaus unter der Führung des Prinzregenten Luitpold, der 1905 den Auftrag für den Regentenbau mit großem Festsaal und kleineren Gesellschaftsräumen gab.
Mit vielen Beispielen und Hinweisen auf Details ließ "Littmann" die Zuhörer an seinen Ideen teilhaben, erklärte Absicht, Funktion und Stilmix von Festsaal, Grünem und Weißem Saal. Dazwischen erzählte er launig aus seiner Lebensgeschichte. Bis ins Detail kümmerte er sich um alles, was mit dem Bau zu tun hatte. Er vergaß nicht zu erwähnen, dass auch sämtliche repräsentativen Leuchter aus seinem Zeichenblock stammten. "Im Schmuckhof wollte ich an italienische Gärten des Barock und der Renaissance erinnern und habe Anleihen an die griechische Mythologie genommen", erklärte er und fügte hinzu, dass natürlich auch die Bänke sein Entwurf seien. "Hier geht nichts ohne meine Zustimmung", wird zitiert.
Littmanns eigener Baustil
Die Zuhörer erfuhren, dass er im Spannungsfeld sich überlagernder Architekturströme Historismus und Jugendstil seine eigene Richtung in einem Nebeneinander verschiedener Stilrichtungen gefunden habe. Da finde man ein ägyptisches Papyrus-Kapitell neben einem Pilaster, das der Antike entlehnt sei, und ionische Säulen stünden klassizistischen Elementen gegenüber.
Erstaunlich sei die enorm kurze Bauzeit von drei Jahren, bei Einhaltung des Kostenrahmens von 3,5 Millionen Goldmark für die Kissinger Bauten. Das müssen ihm heutige Architekten erst mal nachmachen, meinte ein selbstgefälliger Littmann.
In der Brunnen- und der Wandelhalle führte Wulz den Besuchern die Großzügigkeit der gesamten Anlage vor Augen. Den rasanten Aufstieg Littmanns förderte auch seine kluge Heirat mit Ida Heilmann, der Tochter der größten süddeutschen Baufirma. Denn in diese Firma stieg er ein. Das Unternehmen Heilmann und Littmann ermöglichten ihm zwar einen großzügigen Lebensstil, seine von äußerster Disziplin getragene Schaffenskraft, behielt der gebürtige Sachse zeitlebens bei.
Seine überragende Bedeutung als Theaterarchitekt vermittelte "Littmann" dann im Kurtheater, wo er auf die bahnbrechende Neuerung ansteigender Zuschauerränge hinwies: "Das haben sie mir zu verdanken." Augenzwinkernd verabschiedete sich der inzwischen zum Geheimrat ernannte Littmann mit den Worten: "Jetzt muss ich mich aber wieder aufmachen, um nach München zurückzukehren. In den Nordfriedhof."
Die Zuhörer dankten Gerhard Wulz mit langem und herzlichem Beifall für zwei Stunden äußerst spannender Geschichtsvermittlung. Laura Giesübel-Sauer aus Gelchsheim im Ochsenfurter Gau, zur Reha in Bad Kissingen meinte: "Die Räume kannte ich zum Teil, aber die Geschichte zu hören, das war recht fesselnd" und Gerhard Wulz meinte zufrieden: "Schön, dass das so großes Interesse gefunden hat. Mir hat's Spaß gemacht."