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Mit dem Hund zur Therapie nach Bad Kissingen


Autor: Thomas Mäuser

Bad Kissingen, Sonntag, 07. Dezember 2014

Patienten der Heiligenfeld Kliniken in Bad Kissingen können seit vier Jahren ihre Haustiere mitbringen. Seit Mai dieses Jahres gibt es auch eine tierbegleitete Therapie.
Wolfgang S. hat seine Beagle-Hündin Aika mit zur Therapie nach Bad Kissingen gebracht. Foto: Thomas Mäuser


Es ist kurz nach 6 Uhr. Wolfgang S. ist bereits wach, füttert seine Beagle-Hündin Aika. Dann geht es Gassi. Noch vor dem Frühstück. Wolfgang S. leidet an wiederkehrender Depression, seit vier Wochen ist er Patient in den Heiligenfeld Kliniken. Aika hat er mitgebracht. Denn sie trägt dazu bei, Stuktur in das Leben des 54-Jährigen zu bringen. Zu Hause - und während der Therapie.

Seit vier Jahren erlauben es die Heiligenfeld Kliniken Patienten, ihre Haustiere mitzubringen. "Angefangen haben wir mit zwei Zimmern", sagt Bianca Wesemann, die Initiatorin dieses Projekts: "Wir haben gemerkt, dass sich manche Menschen nicht von ihrem Tier trennen, es nicht alleine lassen wollen." Oder dass sich ganz einfach niemand findet, der sich um das Haustier kümmert, während Herrchen oder Frauchen eine Reha absolviert.


Wenn Tierliebe Grenzen sprengt

Recht schnell haben die Therapeuten der Klinik festgestellt, dass Tierliebe manchmal auch Grenzen sprengt, dass aus lauter Konzentration auf das Haustier die Kommunikation mit den Mitmenschen in den Hintergrund tritt, dass vor allem Hunde ein unnatürliches Verhalten angenommen haben, was zu unerwünschte Wechselwirkungen zwischen Mensch und Tier geführt hat.

Diese Erfahrungen mündeten in die tierbegleitete Therapie, die die Heiligenfeld Kliniken seit Mai dieses Jahres anbieten. "Tiere können eine große Ressource für den Menschen sein", sagt Christina Pohribneac, Fachärztin für psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Tiere können Menschen helfen, wieder Verantwortung für ein Wesen zu übernehmen.

"In der Beziehung zu seinem Tier kann der Mensch aber auch eine Spiegelung seines unbewussten Verhaltens lesen lernen", sagt die Ärztin. Ist die Tierliebe gar auf ein falsches Gleis geraten, soll durch Reflexion eine Verbesserung des Verhältnisses zwischen Mensch und Tier erreicht werden. Zur Gesundung des Menschen, aber auch des Tieres.

"Patienten, die die tierbegleitete Therapie gewählt haben, werden nach dem bewährten Klinikkonzept behandelt", ergänzt Bianca Wesemann. Das Tier wird optional in die Therapie mit einbezogen. Oft lernen die Patienten erst hier, ihren Hund richtig zu führen, ihm Grenzen zu setzen.


Spezielles Hundetraining

Das neue Angebot der Heiligenfeld Kliniken gibt es nicht nur in der Gruppe, auch Einzeltherapie wird angeboten. "Wir haben eine Psychologin, die auch Tierkommunikationstrainerin ist", betont Christina Pohribneac. Bei Bedarf gibt es ein spezielles Hundetraining. Und es gibt eine Indikationsgruppe "Gesunde Beziehung zwischen Mensch und Tier".

Eine wissenschaftliche Studie über dieses Therapiekonzept, mit dem die Heiligenfeld Kliniken bundesweit Neuland beschritten haben, läuft derzeit. Noch werden in die Therapie nur Hunde einbezogen, Bianca Wesemann kann sich aber vorstellen, dass das Spektrum um andere Tierarten erweitert wird, zum Beispiel Katzen.


Eigene Infrastruktur

Natürlich musste sich die Klinik erst auf ihr neues Klientel einstellen. Geschultes Personal war ebenso nötig wie die entsprechende Infrastruktur. Inzwischen gibt es 27 "Tierzimmer", eine Hundeküche und eine Hundedusche. Derzeit wird der Jugendstil-Pavillon im Hof der ehemaligen Altenberg-Klinik zu einem Hundepavillon umgebaut. Als Treffpunkt für Mensch und Tier sowie für Indoor-Training.

Zur Zeit absolvieren 22 Patienten, die ihre Hunde mitgebracht haben, eine Therapie in den Heiligenfeld Kliniken. Manche haben bis zu drei Vierbeiner dabei, aber nicht alle Patienten nehmen die tierbegleitete Therapie in Anspruch.

Auch Wolfgang S. nicht. Er hat Aika mitgebracht, weil er sie nicht für mehrere Wochen in eine Hundepension geben wollte. Aber wie zu Hause muss er mit Aika raus in die Natur, sich um sie kümmern. "Es ist schön, dass sie da ist. Ein Hund fordert einiges, gibt aber auch viel zurück", sagt er.