Mit dem Dreggsagg auf dem Sofa
Autor: Thomas Ahnert
Bad Bocklet, Sonntag, 23. Dezember 2012
In seinem Jahresrückblick "Schluss! Aus! Fertig" kam Michl Müller mal wieder vom Tausendsten ins Hundertste - und zurück.
Wie lange ist das her, dass der Michl Müller in der Garitzer Turnhalle oder in der weniger geliebten Bad Kissinger Bierscheune sich seine ersten kabarettistischen Sporen verdient hat? 15 Jahre? 20 Jahre? Egal. Aber hat er sich in dieser Zeit sehr verändert?
Natürlich ist Michl Müller älter geworden, auch wenn man's nicht glauben will, weil er sich seine Spitzbübigkeit bewahrt hat. Und natürlich ist Michl Müller professioneller geworden. Die Performance, die er aufzieht, ist perfekt, ohne jede Lücke. Das hohe Tempo, das er zu Beginn anschlägt, das zieht er durch, und am Ende ist das Publikum genauso atemlos, genauso fertig wie er selbst. Da sind keine Leerstellen, keine Hänger, keine Durststrecken, in denen der Kabarettist versucht, wieder ins Fahrwasser der gemeinen Kreativität zu kommen.
Und natürlich hat sich auch sein Themenkreis erweitert.
Mit seiner Horizonterweiterung hat er sich natürlich einem riesigen Konkurrentenkreis ausgesetzt. Aber er hat bewiesen, dass auch ein Garitzer was werden kann: Er hat sich durchgesetzt. Er ist zum Publikumsliebling geworden. Seine Auftritte sind ausverkauft, bevor sie überhaupt angekündigt sind. Warum?
Die Antwort ist einfach: Weil er trotz seiner Reisen in die Welt einer von uns ist. Weil er mit uns auf dem Sofa vor dem Fernseher sitzt und die letzten Dinge in einer Weise kommentiert, dass wir uns immer wieder sagen hören: "Genau so sehe ich das auch. Genau das sage ich auch immer." Das ist natürlich noch kein Kabarett, sondern bundesdeutsche Wohnzimmerwirklichkeit. Das Kabarett beginnt mit dem nächsten Satz. Denn Michl Müller denkt die Dinge einfach schamlos weiter, bis auch dem Letzten klar ist, wie absurd sie eigentlich sind: "Steinbrück-Vorträge? Auch der Michel Glos hält Vorträge. Ich frage mich, was das für Veranstaltungen sind."
Und weil er sich eine große Spontaneität bewahrt hat, weil er seine Eingebungen nicht wie Pretiosen seinem Publikum präsentiert, sondern weil er sich immer auf seine Besucher einlässt. Natürlich hat er seine vorbereiteten Texte, aber er schweift auch gerne ab, manchmal sogar bis zum Gehtnichtmehr ("Da muss ich jetzt neu ansetzen, da komme ich nicht mehr raus"). Man merkt es vor allem dann, wenn er selber über seine Witze lacht. Welche der anderen großen Satirekoryphäen kann das denn? Ein Richling? Ein Pispers? Kaum einer, weil alle ihre Witze vorher schon kennen und wohl bedacht platziert haben.
Und außerdem: Michl Müller ist ein Meister der präzisen Personenbeschreibung. Etwa, wenn der den verhältnismäßig neuen Bundesumweltminister Peter Altmaier als Galapagos-Schildkröte bezeichnet. Da muss man erst mal draufkommen. Aber wenn er es sagt, weiß man sofort, was er meint.
Man könnte noch viele Dinge nennen: Michl Müllers Fähigkeiten, rote Fäden total zu verwirren und plötzlich doch wieder zurückzufinden, seine Running Gags (dieses Mal war's die Angie Merggl: "Ich bin zufrieden" Oder der Seehofer: "Ich bin der Horst."). Da hat er seine Lieblinge. Da sind in seinen Liedern die ironischen Abstürze wie bei Heinrich Heine oder, vielleicht bekannter, beim "Annamirl"-Lied der Biermösl-Blosn, nur dass bei Michl Müller sich der schweifende Blick über die Rhön beim Atomkraftwerk Grafenrheinfeld verhakt. Und vieles mehr.
Aber insgesamt ist es doch das Vermögen, aus der Nähe zum Publikum heraus großes Kabarett zu machen, mit ihm zusammen einen Jahresrückblick zu starten unter dem Aspekt: "Ich reg mich immer so über Kleinigkeiten auf, weil ich die große Politik nicht mehr verstehe." Um dann natürlich doch bei ihr zu landen.
Nur eines könnte Michl Müller in einer ruhigen Minute mal überdenken: Warum muss er, wenn er in die Abgründe der Welt deutet, seinen rechten Arm immer so in die Höhe strecken, als wäre "er" wieder da? Das passt so gar nicht zu ihm. Er müsste ja nur auf links umschulen. Da ist nur der Daumen rechts.