Missionarin auf Zeit in Afrika
Autor: Stefan Geiger
Ebenhausen, Mittwoch, 21. August 2013
Katrin Lutz arbeitete ein Jahr als Missionarin auf Zeit in Malawi. Ihr Haupteinsatzgebiet war ein Internat. Die 19-Jährige machte viele interessante Erfahrungen.
Ein Jahr lang arbeitete Katrin Lutz als Missionarin auf Zeit (MaZ) in Malawi in Südostafrika. Jetzt kehrte sie mit unendlich vielen Erfahrungen und Erlebnissen zurück. "Der Abschied fiel mir schon schwer. Ein paar Tränen - in Afrika ungewohnt - konnte ich nicht unterdrücken. Auf der anderen Seite freute ich mich auf das Wiedersehen mit der Familie und mit Freunden", bekennt die Neunzehnjährige, die jetzt auf einen Studienplatz für Medizin hofft.
Auf den
Aufenthalt in einem der ärmsten Länder der Welt hatte sie sich bei den Franziskanerinnen von Salzkotten bei Paderborn vorbereitet. Der Schwesternorden ist in vielen Ländern der Erde in Schulen, Internaten, Krankenhäusern und Rehabilitationszentren für Kinder und Jugendliche tätig. Nach Malawi - etwa so groß wie Bayern - reiste sie mit acht weiteren Mädchen.
Zusammen mit Anna-Michelle Brunder aus dem Saarland verbrachte sie das Jahr in Guilleme auf einer Schwesternstation. Hier arbeitete Katrin vorrangig im Internat sowie täglich ein paar Stunden in einer Girls-Boarding-School.
Maisbrei zum Frühstück
"An den Alltag in total ungewohnter Form haben wir uns rasch gewöhnt", erzählt Katrin Lutz. "Um halb sechs sind wir aufgestanden, um uns zu duschen und die 350 Internatskinder zu wecken. Von denen waren immer schon welche auf den Füßen, um noch Wasser zum Duschen zu bekommen. Später reichte das kalte Nass oft nicht mehr", macht Katrin auf die Wasserknappheit aufmerksam und fährt fort: "Es folgte das Frühstück: Ein einfacher Maisbrei, der uns immer schmeckte. Um sieben Uhr versammelten wir uns mit den Mädchen zu Nationalhymne, Gebet und Frühsport." Und weiter erzählt sie: "Um acht Uhr begann der Unterricht mit 1200 Kindern in 16 Klassen. Manche Externe waren da schon Stunden zu Fuß unterwegs zur Schule. Oft wurden Klassen zusammengelegt, so dass 200 Schüler keine Ausnahme waren."
Katrin Lutz erteilte täglich eine Stunde Englischunterricht, erstellte Probearbeiten und half beim Korrigieren mit. Bei der großen Schülerzahl sei es fast unmöglich gewesen, die Anwesenheit der Kinder exakt zu kontrollieren.
Hausaufgaben-Hilfe
Der Unterricht dauerte bis gegen 13 Uhr. Nach einfachem Mittagessen wartete auf die Älteren nochmals Unterricht, während Katrin Lutz mit ihrer Kollegin die jüngeren Internatskinder bei Hausaufgaben und Spielen betreute. Drei Mal im Jahr traten die Kinder zum Examen an. Ein Viertel erreichte das Ziel nicht. Viele der Eltern konnten den Kindern nicht helfen, da sie selbst keine Schule besucht hatten. Andere aus den höheren Schichten hatten keinerlei Probleme.
Für sie als MaZ endete gegen 18 Uhr der Dienst. "Wir wohnten in einem eigenen kleinen Haus. Hier kochten wir uns am Abend etwas, vorausgesetzt, Strom war da. Oft war dieser abgeschaltet, so dass wir improvisieren mussten. Zum Glück hatten wir einen Kühlschrank.
Um diese Zeit ist es bereits dunkel. Fernsehen gab es nicht. Das Notebook funktionierte auch nicht immer. Bald gingen wir zu Bett, der Tag war lang und anstrengend, hat aber immer Spaß gemacht", sagt sie.
Wochenende und Ferien nutzte Katrin Lutz, um Kleider der Kinder herzurichten bzw. neue Uniformen zu nähen oder Moskitonetze auszubessern.
Mehr und mehr erlernten die beiden Missionarinnen auf Zeit die Muttersprache "Chichewa". Einige Grundbegriffe kannten sie aus der Vorbereitung. "Wenn wir auf den Markt mit einem Kind an jedem Finger gingen, kamen wir immer besser zurecht. Wir kauften aber nie groß ein, begnügten uns mit einfachen Speisen wie Fladen, getrockneten Fischen und Tomaten. Ab und zu leisteten wir uns Cola und Chips. Ansonsten kamen wir mit unterem Lohn gut zurecht", schildert Katrin.
Jeden Sonntag Abend rief Katrins Mutter an. "Das tat immer gut, beruhigte und ermutigte", bestätigte sie, vor allem dann, wenn es einmal ein Tief gab. Das aber sei nur ganz selten der Fall gewesen, zumal der Umgang mit den Kindern viel Freude machte.
Inzwischen hat Katrin der deutsche Alltag eingeholt. Am Wochenende half sie bereits beim Fest der Blaskapelle im Schlosshof mit. Am Montag trainierte sie mit der Damenfußballmannschaft.
Besondere Erfahrungen in einem fernen Land
Öfter war Katrin Lutz beim Bierbrauen mit dabei: In großen Metalltonnen setzten die Afrikaner die Maische an. Bevor der eigentliche Gärprozess einsetzte, durften die Kinder probieren. Nach dem Gären schmeckte der "Gerstensaft" herrlich, wie sie betont. Manche tranken ihn bereits zum Frühstück.
Nach der Regenzeit half sie mit den Kindern bei der Maisernte mit. Auf den Feldern brachen sie die Kolben heraus und trugen sie mit Eimern auf dem Kopf nach Hause. Im Klosterhof puhlten sie die Körner heraus und schüttelten Staub ab. Wieder mit Eimern auf dem Kopf brachten sie Körner zu einer Mühle, wo Maismehl gewonnen wurde. Dieses wird zu Brei gekocht.
An Wochenenden und im Urlaub unternahm sie mit den Kindern Ausflüge zu Seen oder in den Busch. Spiele und Kochen begeisterten. Gegessen wurde mit den Fingern, das sei gang und gebe wie auch das Lagern auf dem Boden. In der Schule reichten die Sitzplätze längst nicht. Viele Kinder, vor allem die kleineren, liegen auf Boden.
Insekten auf dem Speiseplan
"Wir haben (fast) alles ausprobiert, auch wenn es auf der Schwesternstation Insekten, Würmer und Larven, ja sogar einmal eine Maus - dort Delikatesse wie auch Milch oder Joghurt - gab."
"In Afrika grüßt jeder jeden. Jeder hat für den anderen Zeit", erzählt die junge Frau. "Das ist die afrikanische Lebensphilosophie: Es gilt das Jetzt, das Heute. Das Morgen zählt kaum. Für Feste wird zu viel gekocht. Da bleibt zu viel übrig, kann nicht mehr verwendet werden. Am nächsten Tag mangelt es an Essen." Lange hätten sie gebraucht, diese Grundhaltung zu erfassen.
Tanz im Gottesdienst
"Unvergesslich bleiben die Gottesdienste", betont sie. "Niemand schaute auf die Uhr. Da wurde viel gesungen, getrommelt und getanzt. An Ostern war der Altar mit pinkem und blauem Papier geschmückt."
In den Ferien arbeitete Katrin Lutz in einem Krankenhaus im nahen Mocambique: "Es war der Wahnsinn, wie viele Frauen mit ihren Kindern zum Wiegen und Impfen kamen. Ich durfte den Blutdruck messen und die Werte eintragen. Jede Schwangere musste einen HIV-Test machen. Von über 30 war keine infiziert. Aufklärung macht sich bezahlt."
"Überrascht waren wir, dass viele ältere und gebildete Bewohner das Tagebuch der Anne Frank kennen", stellte Katrin fest. Hintergrund sei, dass das Land in der NS-Zeit britische Kolonie war und die Männer - obwohl Malawi nicht selbst am Krieg beteiligt war - eingezogen wurden.