Minimal Music Goes Pop
Autor: Thomas Ahnert
Bad Kissingen, Samstag, 01. Juli 2017
Es ist der übliche boshafte Gedanke: Was würde passieren, wenn man den Stecker rauszieht? Blöde Frage! Kein Grund zur Schadenfreude.
Denn "The" Trio - wie soll man ein Trio nennen, das selber keinen Namen hat und auch seinen Stücken keine gibt? - macht eine Musik, die zu mindestens 80 Prozent von der Elektronik lebt.
Es ist ein eigenartiges Konzert, das Pekka Kuusisto (Violine) Hauschka alias Volker Bertelmann (Piano) und Samuli Kosminen (Drums, Percussion) da auf der rvollgestellten Bühne im Kurtheater geben. Nicht nur, weil es so etwas beim Kissinger Sommer noch nie gegeben hat. Sondern weil die Musik - zugegebenermaßen wider Erwartung - eine große Sogwirkung hat. Als Minimal Music mit den Mitteln des Pop könnte man das beschreiben, was die drei auf der Bühne treiben, genauer aber auch nicht, denn dafür gibt es keine Schublade.
Es ist eine Musik, die ausschließlich vom Effekt der Klänge lebt - ganz selten nur verliert sich Pekka Kuusisto in der finnischen Folklore. Eine Musik, die den Zuhörer ständig mit der Frage beschäftigt, wer die Klänge eigentlich gerade produziert: Hauschka mit seinem enorm verfremdenden präparierten Flügel - das ist ja auch sein Markenzeichen - Kuusisto mit seiner akustischen oder E-Violine, die beide ein langes Kabel haben, oder Kosminen, der zwar vor einem echten Drum Set sitzt, aber neben sich auch allerlei Blechspielzeug und Blechmüll zur Geräuscherzeugung hat.
Man fragt sich, welche Klänge denn nun eigentlich original im Sinne des gerade Produzierten sind, welche wirklich gespielt werden, ob da nicht auch noch ganz andere Instrumente vorher im Spiel waren. Natürlich nicht. Aber wenn ein Geigenton um drei Oktaven nach unten moduliert erklingt, kommt man ins Grübeln.
Und man fragt sich, inwieweit eine solche Musik, die so viel mit Vorproduziertem, elektronisch Festgelegtem arbeitet, Freiraum für Improvisationen bietet, wie sich die drei überhaupt untereinander verständigen. Irgendwann muss ja zumindest so ein Stück auch mal zu Ende gehen. Man ist so in seinen Fragen gefangen, dass man völlig vergisst, Melodien zu vermissen, und man vergisst auch die Zeit, weil sich einfach nichts wiederholt, das sie gliedern würde.
Fragen über Fragen. Und so ganz nebenbei bemerkt man, dass man mit gespitzten Ohren dasitzt und beginnt, sich auf die Musik einzuschwingen, ihre Raffinesse und ihre Schönheiten zu entdecken, ihre ständigen Überraschungen zu genießen, sich in diesem experimentellen Chaos wohlzufühlen. So laut, wie die am Eingang verteilten Ohrstöpsel suggerierten, ist die Musik gar nicht. Oder man bemerkt es nur nicht.
Also: Was passiert, wenn man den Stecker rauszieht? Schwierig zu sagen. Vielleicht bleibt nur ein kleines finnisches Volkslied übrig.