Michl Müller. "Das wollt' ich noch saach ..."
Autor: Klaus Werner
Bad Kissingen, Freitag, 15. August 2014
Michl Müller gibt ein Open-Air am Golfplatz, wo das Thema "Ende finden" und "in die Erde kommen" völlig neue Aspekte gewinnt. Zum 300. und letzten Mal präsentierte er sein aktuelles Programm und traf zum 300. Mal den Nerv seiner Gäste.
Authentisch, spontan und Freude am eigenen Humor - Dies sind die besonderen Merkmale, die Michl Müllers bei seinen Auftritten auszeichnen. Der selbst ernannte "Dreggsagg" erfreute auch beim "2. Golf-Open-Air" mit diesen Eigenschaften, seiner ausgeprägten fränkischen Wesensart und seiner mittlerweile ausgefeilten Bühnendarbietung 800 Gäste am 18. Loch in einer kühlen Augustnacht.
Genau 100 Biertischgarnituren hatten die Helfer um Golf-Präsident Wolfgang Hertrich auf dem grünen Rasen aufgestellt und die reichten kaum aus, um die Gäste aufzunehmen. Stolz kündigte Herterich den Kabarettisten an, der "entweder in Garitz, in Bad Bocklet oder in der Welt auftritt, aber nicht in Bad Kissingen" - Ausnahme sei der Golf-Club, an der Grenze zur Euerdorfer Gemarkung.
Kühle Temperaturen
Mit Gottvertrauen, Decke sowie Regenjacke ausgerüstet, saßen die Gäste im Freien und warteten nicht nur auf die kabarettistischen Leckerbissen auf der großen Bühne, sondern auch auf die kühlen Temperaturen des Saale-Grundes. Die kamen dann auch im Laufe des dreistündigen Programms, doch wurden diese ebenso ignoriert wie einige Regentropfen.
"Das wollt´ ich noch sagen ..." prangte auf zwei Bannern im hinteren Teil der Bühne. So kam Michl Müller, mit einem Programm, das er 333 Mal aufgeführt hat und das mit dem Abend auf dem Golfplatz sein Ende finden sollte. "Ende finden" war auch eines der Stichwörter, die sich durch den Abend zogen. "Ende finden" ist auch in die Erde gehen - und dies nicht nur beim Einlochen auf dem Golfplatz, sondern auch in der wiederkehrenden Slapstick-Szene um die defekte Lautsprecher-Anlage auf dem Friedhof, die die Trauerrede in unverständliche Wortfetzen zerstückelt.
Bekanntes und Aktuelles bestimmten den dreistündigen Auftritt des Garitzer Kabarettisten, der seinen besonderen Blickwinkel anlegte und dessen autodidaktische Bühnenpräsenz mittlerweile sehr ausgereift ist: Da stimmen Mimik und Gestik, die verdrehte Choreographie bei den verdrehten Liedern, die Sprechpausen, die leisen und die lauten Töne. Michl Müller zeichnet aus, dass er seine Pointen so akzentuiert bringt, dass er durch ein Stichwort oder durch eine Geste auf seine "Runninig-Gags" zurückgreifen kann.
Jeder findet sich wider
Doch darüber hinaus geht es immer noch um die Inhalte, die Michl Müller einerseits in aktuellen Ereignissen findet, die er andererseits aus der geschlechterübergreifenden Betrachtung von Alltagsszenen bezieht. Bei letzterem finden sich Jederfrau bzw. Jedermann wider, wenn es um Besuche im Garten-Center oder im Baumarkt geht, wenn es um das Selbstverständnis des Mannes beim Vertrauen auf die eigene Navigationsfähigkeit geht, wenn es um Thermomix oder Romantik-Hotel geht, wenn es um die neue Lust am Nacktsein geht, wogegen der Kabarettist im Grunde nichts hat Aber: "Muss es denn auch bei der Gartenarbeit sein?", wobei er das Unerotische dieser Tätigkeit mimisch andeutet und damit die Lacher auf seiner Seite hat. Mittendrin nimmt er auch immer wieder Bezug zu seinen Alter Egos, dem "Frank" und dem "Holger" mit weiteren Typen rund um das Dreigestirn. Da gibt es den "Claus mit C" aus Hannover, einer "Region ohne Dialekt", wie Müller mit gespielt ernstem Gesicht den Gästen verrät, und dessen Ehefrau Dörte, einer Hardcore-Vegetarierin und Windkraft-Gegnerin.
Das Bild entsteht im Kopf
Rund um diese Stereotypen entwickelt er Alltagsgeschichten, deren Absurdität der Kabarettist mal derb und wortgewaltig beschreibt, mal durch feinsinnige Andeutungen im Gehirn der Zuhörer entstehen lässt. Ob sich Dörte aus Protest gegen Windräder an einen Baum kettet - und dies sieben Kilometer vom Standort entfernt - oder ob sich Frank als nächster Bürgermeister-Kandidat aufstellen lässt, oder ob es um den Lidl-Einkauf eines Paares geht, den die Natur eigentlich nicht vorgesehen hat.
Sticheleien auf die Golfer
Auch wenn die Hälfte des Programms über bekannte Typen und Geschichten geht, so sind Müllers Auftritte immer mit weiteren Anspielungen gespickt. Diesmal waren das Golfspiel und die Golfer im Mittelpunkt von bekannten Vorurteilen und spontanen Sticheleien. Außerdem integriert Michl Müller Aktuelles und politische Turbulenzen. Da darf die "Heilige Christine von der Donau" (Hadertauer) nicht fehlen, wobei er die Modellauto-Affäre geschickt mit dem Job von Uli Höneß verbindet und dabei noch den "Tag der offenen Tür" mitverarbeitet: "Die Häftlinge der JVA Landsberg waren enttäuscht. Der Tag galt nicht für sie." Dazu passte der kopfschüttelnde Kommentar zum "Respekt für Hoeneß", den Angela Merkel für die Annahme der Strafe ausdrückte: "Ich bin gestern geblitzt worden. Auch ich nehme die Strafe an!"
Österreichische Männer mit Bart
Die Autobahn-Maut von Dobrinth, der Mindestlohn von Nahles, die Ausrüstungs-Offensive von "Haubitzen-Uschi", die großen, aber inhaltsleeren Erklärungen von "Graureiher" Steinmeyer - vieles landete auf dem Seziertisch von Michl Müller. Putin und Obama fehlten ebenso wenig bei der verbalen Demontage wie der Franzose Hollande oder Fifa-Chef Sepp Blatter und die Ereignisse der Fußball-WM. "Österreich schickt Mann mit Bart zum Eurovision Song-Contest", was so harmlos klang, entpuppte sich als mimische Anspielung auf die Vergangenheit und darauf, dass man schlechte Erfahrungen mit österreichischen Männern mit Bart gemacht habe.
Hinterhältiger, bissiger, satirischer - Michl Müller's Bühnenprogramm ist vielseitiges Kabarett, bei dem seine unorthodoxen Lieder einen festen Platz haben. Dabei überfordert er seine Gäste nicht, lässt ihnen trotz der immensen Flut an Anekdoten, Geschichten und Sticheleien immer noch genügend Zeit für herzhaftes Gelächter, hintergründiges Schmunzeln oder spontanen Applaus - und dies über drei Stunden hinweg. - Schee war's ...