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Mehr Fachpersonal in den Pflegeeinrichtungen


Autor: Thomas Ahnert

Bad Kissingen, Mittwoch, 19. März 2014

Die Wohlfahrtsverbände dürfen in ihren Heimen mehr Fachpersonal einstellen. Aber die Kosten müssen sie in vollem Umfang an ihre Patienten weitergeben.
Ein paar Minuten mehr Zeit haben künftig die Pflegekräfte für ihre Klienten. Aber die müssen auch dafür bezahlen. Foto: privat


Vielleicht hat's ja geholfen. "Die Pflege liegt am Boden" war das Motto, unter dem im zurückliegenden Winter sich in vielen deutschen Städten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Flashmobs trafen. Auch in Bad Kissingen haben sich am 16. November 20 Pflegekräfte in Arbeitskleidung für zehn Minuten vor dem Landratsamt auf den Boden gelegt, um auf Missstände in ihrem Beruf aufmerksam zu machen.

Mittlerweile hat die Landespflegesatzkommission mit den Stimmen der

sieben bayerischen Bezirke beschlossen, die Personalausstattung in den Pflegeeinrichtungen des Freistaats zu verbessern. Das ermöglicht den Einrichtungen, ihr Personal in zwei Stufen bis Januar 2016 so aufzustocken, dass sich der Betreuungsschlüssel auf 1:2,2 ändert: Eine Pflegefachkraft betreut 2,2 Patienten. Er gilt allerdings nur für die Pflegestufe 3. In der Pflegestufe 0 liegt die Quote bei 1:9.

Wie wirkt sich diese Entscheidung in der Praxis im Landkreis aus? Dirk Baumann, Marketingleiter der AWO Unterfranken, nennt konkrete Zahlen: "Für die Pflegeabteilung im Parkwohnstift Bad Kissingen bedeutet das seit dem 1. März zwei zusätzliche refinanzierte Stellen bei 76 Pflegeplätzen. Für das Willy-Brandt-Haus in Bad Brückenau sind es 2,5 neue Stellen."

Verhandeln über Zusatzschlüssel

"Wir müssen den Zusatzschlüssel vereinbaren, wenn wir die Pflegesätze mit den Kostenträgern neu verhandeln", sagt Ralf Grosch, Chef der drei Bad Kissinger Häuser der Caritas. Er geht von einem Zusatzschlüssel von 1:40 aus: Pro 40 Pflegesätze gibt es eine Stelle mehr. Das bedeutet beim Burkardus-Wohnpark 1,2 Stellen, in St. Elisabeth 1,75 und in St. Gertrudis 1,15 Stellen. Das klingt gar nicht so schlecht, aber eine 39-Stunden-Vollkraft arbeitet wegen Urlaub, Fortbildung und Krankheit nur rund vier Stunden pro Tag.

"Es ist absolut wichtig, weiteres Personal einzustellen", betont Dr. Barbara Mayerhofer, Geschäftsführerin Altenhilfe der Diakonie Schweinfurt, die auch im Landkreis Bad Kissingen aktiv ist. Bei einem Zusatzschlüssel von 1:41,56 und 190 Pflegeplätzen kann sie von 4,75 weiteren Stellen ausgehen. Auf das Theresienstift in Bad Kissingen, mit 67 Plätzen die größte Einrichtung des Wohlfahrtsverbandes im Kreis, kommen 1,61 Vollzeitstellen, der Rest verteilt sich auf das Bad Kissinger Katharinenstift, das Seniorenheim Kra- mers wiesen in Oerlenbach und das Erhard-Klement-Haus in Maßbach.

Aufstockung in zwei Etappen

Bei der Carl-von-Hess-Stiftung in Hammelburg will man die zwei Jahre Aufstockungszeitraum weitgehend nutzen und die Personalmehrung in zwei Schritten vollziehen. "Wir können die Kosten nicht plötzlich so radikal erhöhen", sagt Geschäftsführer Marco Schäfer, was vor allem die Selbstzahler treffen würde. Den Zusatz-Personalschlüssel von 1:40 will die Stiftung erst im nächsten Jahr erreichen.

Deshalb sind auch die Zuwachszahlen der Vollzeitstellen in den Häusern der Carl-von-Hess-Stiftung mit insgesamt 398 Plätzen nicht so hoch wie bei den anderen Verbänden: Haus Rafael in Zeitlofs 0,44, Dr.-Maria-Probst-Seniorenheim Hammelburg 1,45, Haus Waldenfels Bad Brückenau 0,95 und St. Elisabeth Münnerstadt 0,86. Für das Juliusspital Münnerstadt, das 2013 in die Trägerschaft der Hess-Stiftung übergegangen ist, müssen noch Verhandlungen geführt werden.

Aber wie immer hat eine glänzende Medaille auch eine Kehrseite. Zum einen greift die Neuregelung nur, weil alle Pflegefachkräfte- und Patientenstellen besetzt sind. Zum anderen bedeutet die Neuregelung auch eine Kostensteigerung. Die Bezirke, die den neuen Schlüssel maßgeblich betrieben haben, gehen von einer durchschnittlichen Erhöhung der Kosten für einen Pflegeplatz von 130 Euro aus. Die wird zunächst in voller Höhe an die Patienten weitergegeben. "Wir versuchen natürlich, in Verhandlungen mit den Kostenträgern die finanziellen Folgen für die Betroffenen abzufedern", sagt Baumann: "Das sind die Gespräche noch am Laufen."

Eine große Gruppe kommt allerdings nicht in den Genuss dieser Erleichterung, weil sie die Pflegekosten ohnehin nicht aus eigenen Mitteln aufbringen können: die Sozialhilfeempfänger. Für die bezahlt der Bezirk auch jetzt schon die fehlenden oder kompletten Summen. Bisher sind das in Bayern 33 000 Menschen und damit fast ein Drittel der Pflegeheimbewohner im Freistaat - eine Quote, die auch für den Landkreis so in etwa gilt. Ihre Zahl wird durch die Erhöhung natürlich steigen. Beim Bezirketag geht man deshalb nach Einrechnung der neuen Regelung von einem Mehrkostenvolumen von 64 Millionen Euro aus.

Fachkräfte sind Mangelware

Es gibt aber noch ein anderes Problem, das die Neuregelung gefährdet, und das bereitet allen Heimleitern einiges Kopfzerbrechen: Selbst wenn sie die Zahl der Stellen erhöhen wollen und alle Voraussetzungen erfüllt sind, ist der Erfolg alles andere als garantiert. Denn Pflegefachkräfte sind absolute Mangelware geworden. "Bei den Hilfskräften ist die Lage nicht so schwierig. Aber um die Fachkräfte ist ein heftiger Kampf ausgebrochen", sagt Baumann. Die Zahl der Senioreneinrichtungen habe rasant zugenommen, die Personalentwicklung konnte da nicht Schritt halten. "Wir sind dazu übergegangen, selber auszubilden. Im Moment haben wir 80 Stellen besetzt." Stellt sich nur die Frage, ob es der AWO gelingt, ihre neuen Leute dann auch zu halten. Zuversichtlicher ist Mayerhofer: "Wir werden die erforderlichen Kräfte finden." Die Diakonie gilt als zuverlässiger Arbeitgeber."