"Loslassen ist illusorisch"
Autor: Werner Vogel
Bad Kissingen, Montag, 13. Oktober 2014
Der Psychologe Roland Kachler zeigte bei der Christian Presl Stiftung neue Wege in der Bewältigung von Trauer auf. Oft dauert es Jahre, bis das Geschehen bewältigt ist.
Bad Kissingen — Der Vortrag "Gemeinsam trauern - gemeinsam weiter lieben" von Roland Kachler hatte fast 40 Betroffene und in der Trauerarbeit tätige Personen aus der ganzen Region in den Veranstaltungssaal der Klinik Bavaria zusammengeführt und in bewegenden zwei Stunden zu einer Art Schicksalsgemeinschaft werden lassen. Der Tod eines Kindes ist für Eltern eine Katastrophe. Das schlimme Ereignis hat sie in tiefe Trauer gestürzt, ihre Welt ist nicht mehr die gleiche.
Ihr Kind ist gestorben und damit ein Stück Zukunft. Das Leben scheint aus den Fugen zu geraten. Nichts ist mehr so wie es einmal war. Fassungslos und überfordert trauert jeder anders, vom Partner oft unverstanden. Droht daran auch die Beziehung zu zerbrechen?
Neuer Ansatz
Das oft gut gemeinte "Loslassen" ist illusorisch, meint Roland Kachler. Die Beziehung zum verstorbenen Kind darf in anderer Form weiterleben. Mit dieser These findet der Psychotherapeut einen vielbeachteten neuen Ansatz in der Trauerbewältigung. Maritta Düring-Haas, Leiterin der Kissinger Christian Presl-Stiftung, stellte den Referenten als evangelischen Theologen, Dipl.-Psychologen und Psychotherapeuten vor. Der Leiter einer psychologischen Beratungsstelle habe sich zudem durch viele Buchveröffentlichungen einen ausgezeichneten Ruf erworben. Seine neuen Wege in der Trauerbewältigung, die mit vielen landläufigen Thesen bricht, habe ihn zum gefragten Experten werden lassen. Sein Buch "Gemeinsam trauern - gemeinsam weiter lieben" helfe trauernden Paaren mit vielen Anregungen.
Sehr behutsam zeigte Kachler danach Wege auf, das unfassbare Ereignis zu bewältigen, ließ die Zuhörer teilhaben an seinen durch viele hundert Gespräche mit Trauernden gewonnenen Erkenntnissen, gab Leitlinien an die Hand, ließ aber auch Raum für eigene Interpretationen.
Trauer ist schmerzende Liebe
Wenn die unterschiedliche Trauer der Partner akzeptiert wird, füge sie sich zu einem gemeinsamen Ganzen. Trauer brauche Platz, der Focus sei aber stets die Erinnerung an das gemeinsame Erleben mit dem verstorbenen Kind und nicht die eigene Trauer. Jeder trauert auf seine Weise, die Liebe zum verstorbenen Kind, nicht die Art der Trauer ist das Band, das eint.
Mit gemeinsamen Symbolen -"wir bringen Dir einen Stein aus unserem Urlaub mit"- wird dem Kind ein Platz gegeben, die Trauer dürfe aber nicht den ganzen Raum einnehmen. So könne der oft beobachten Situation "jeder verstummt in seiner eigenen Trauer" ein "wir bewahren Dich für immer in unserem Herzen" entgegengesetzt werden. Wenn die Zweisamkeit zu verstummen droht, "dann teilen Sie ihre Empfindungen dem Partner in e-Mails mit" berichtete er aus seiner Praxis. So könne auf dem gemeinsamen Trauerweg eine neu gelingende und vertiefte Partnerschaft werden. Das, so bekannte Kachler auch, gehe nicht über Nacht. Trauer brauche auch Zeit, die nicht in Monaten sondern oft in Jahren gemessen werden müsse. Das verstorbene Kind sei auch ein Kind ihrer Liebe, und das Kind ist am glücklichsten, wenn es den Eltern gut geht, war eine weitere These Kachlers.
Erfahrungsaustausch
Aussagekräftige Naturbilder und Skulpturen standen als Symbolik für seine Thesen. Der Regenbogen, auf dem das verstorbene Kind sitze, sei das Band, das die überlebende Familie verbindet und eint.
Die Fragen und Erlebnisse betroffener Eltern beantwortete er einfühlsam und bekannte, dass auch er selbst vielen Zweifeln und Ängsten beim Verlust des eigenen Sohnes gegenüberstand. Begegnungen, Gespräche und Erfahrungsaustausch waren ein letzter wichtiger Programmpunkt, Trauer zu verarbeiten.
Teilnehmer Nikolai Kaiser-Münzel gratulierte der Stiftung, einen deutschlandweit anerkannten Trauerpsychologen als Referent gewonnen zu haben: "Die neue Herangehensweise und die sehr substantielle Art der Trauerbewältigung hat mich total überzeugt."
Die Christian-Presl-Stiftung
.