Lieber Büro als Werkstatt
Autor: Sigismund von Dobschütz
Bad Kissingen, Dienstag, 17. Februar 2015
Manche Betriebe suchen händeringend nach Auszubildenden, andere werden mit Bewerbungen überhäuft. Wie finden die Richtigen zusammen?
Immer öfter klagen Betriebe klagen über Schwierigkeiten, geeignete Jugendliche für ihre Ausbildungsstellen zu finden. Andererseits finden viele Jugendliche keinen Ausbildungsplatz. So steht es im aktuellen Berufsbildungsbericht der Bundesregierung.
In Bad Kissingen ist die Situation nicht anders: Bewerber für Verwaltungs- und kaufmännische Berufe finden oft keinen Ausbildungsplatz, während die Betriebe in den gewerblichen Ausbildungsberufen nicht alle
Ausbildungsplätze besetzen können. Es fehlt einfach an Bewerbern.
Über Bewerbermangel um einen ihrer vier Ausbildungsplätze kann die Bad Kissinger Stadtverwaltung nicht klagen. "Etwa 150 Bewerbungen landen bei mir jedes Jahr auf dem Tisch", sagt Kerstin Heinisch, im Rathaus für das Personalwesen verantwortlich. Die Ausbildungspalette reicht vom Verwaltungsangestellten bis zum Kfz-Mechatroniker.
Vorentscheidung nach Schulnoten
Bei der Vielzahl der Bewerber muss eine Vorauswahl getroffen werden, die im öffentlichen Dienst nach objektiven Auswahlkriterien zu erfolgen hat. Dabei spielt der Durchschnitt der Schulnoten eine gewichtige Rolle: "Wer schlechter ist als 2,66 scheidet gleich aus."
Noch wichtiger aber ist die individuelle Eignung für den gewählten Ausbildungsberuf. Die meisten Bewerber wollen in die Verwaltung, die wenigstens interessieren sich für handwerkliche Berufe, stellt Heinisch immer wieder fest. "Die Bürojobs sind eben attraktiver." Für den technischen Fachbereich bringt auch nicht jeder Bewerber die geeignete Qualifikation mit. Heinisch: "Dann müssen wir umso mehr Betreuungsarbeit investieren."
Soziale Kompetenz gefragt
Bewerbermangel gibt es auch bei den Heiligenfeld-Kliniken nicht. Jährlich sind etwa 20 Ausbildungsplätze in acht Ausbildungsberufen von der medizinischen Fachangestellten bis zum Koch neu zu besetzen. Bei Bianca Wesemann, die seit sieben Jahren bei Heiligenfeld für die Auswahl der Auszubildenden verantwortlich ist, melden sich ebenfalls etwa 150 Schulabgänger pro Jahr. Zwar seien die Bewerbungsunterlagen meistens recht ordentlich nach dem Muster "Wie bewerbe ich mich richtig". Doch nach Wesemanns Erfahrung haben die Schulleistungen in den vergangenen Jahren nachgelassen. Auch deshalb achtet Wesemann bei der Kandidatenauswahl verstärkt auf das persönliche Engagement des Bewerbers und durchgeführte Praktika. Wichtig für sie ist auch die soziale Kompetenz der Bewerber: Ist er oder sie im Verein aktiv oder bei der Feuerwehr? Dennoch: Sieben von 20 Ausbildungsstellen mussten heuer unbesetzt bleiben. Koch und Hotelfachmann oder -frau sind nicht gefragt.
Praktikum hilft
Waren es früher 80 Initiativbewerbungen pro Jahr, bekommt MTZ Metalltechnik Zitzmann, ein 100 Mitarbeiter starkes Familienunternehmen, jetzt nur noch 20 Bewerbungen. Als Gründe nennt man die geburtenschwachen Jahrgänge, den Drang vieler Schulabgänger zur Weiterbildung und die Konkurrenz der großstädtischen Industrie. "Bei uns melden sich kaum noch Realschüler." Die Situation sei dramatisch schlechter geworden, klagt Firmenchef Hermann Zitzmann. Er achtet deshalb noch mehr auf die allgemeine Beurteilung im Zeugniskopf. Oft werden Praktikanten später als Azubis übernommen. "Da weiß man, was man hat."
Noch härter trifft es die Gastronomie. Christian Hippler, Inhaber von Schuberts Wein & Wirtschaft, hat momentan nur einen Auszubilden, ein zweiter soll im September kommen. Beide haben entsprechende Praktika hinter sich, bei beiden kommt ein Elternteil aus der Gastronomie. "Wir sind ja schon froh, wenn sich überhaupt einer bewirbt", ist Hippler resigniert. Und: "Über die Arbeitsagentur kommt Null." Im persönlichen Gespräch wird die Arbeitsfreude der Kandidaten geprüft. "Nur wenige wollen wirklich Gastronom werden." Viele Azubis wechseln gleich nach der Ausbildung die Branche. "Die anderen wollen Sternekoch werden."
Entspannter ist die Situation in der familiär geführten Privatklinik Bavaria. "Wir bilden nur zum Kaufmann/-frau im Gesundheitswesen aus", sagt Verwaltungsleiter Heiko Escherich, "und stellen jedes Jahr nur einen Azubi ein." Er fordert niemanden auf, sich zu bewerben. Bewerbungen kommen initiativ oder es sind Angehörige eigener Mitarbeiter. "Wir wollen gar nicht erst künstliches Interesse wecken. Unser Azubi muss in die Betriebsfamilie passen." Deshalb spielen Schulnoten nur eine untergeordnete Rolle. Wichtiger ist dem Verwaltungsleiter das Vorstellungsgespräch. "Der Bewerber muss in unser Unternehmen wollen." Denn jeder Auszubildende wird von der Bavaria-Klinik als fester Mitarbeiter übernommen. Für September liegen Escherich drei Bewerbungen vor. "Eine ist ein echter Glückstreffer."