Druckartikel: Leben soll in den Ortskern fließen

Leben soll in den Ortskern fließen


Autor: Benedikt Borst

Nüdlingen, Mittwoch, 03. Sept. 2014

Nüdlingen schrumpft, mitten im Ort stehen einige Häuser seit Jahren leer. Was macht die Gemeinde, damit das Zentrum nicht verödet?
Bürgermeister Harald Hofmann am Brunnen auf dem Henneberger Platz. Die Gemeinde hatte hier ein altes Haus erworben, abgerissen und zu dem offenen Platz umgestaltet. Foto: Benedikt Borst


Jeden Tag, wenn Bürgermeister Harald Hofmann (CSU) sein Auto auf dem Rathausparkplatz abstellt, kann er es sehen. Das Anwesen in der Raiffeisenstraße 3, das seit Jahren unbewohnt und dem Verfall preisgegeben ist.
Der Putz bröckelt ab, Gras überwuchert die Eingangstreppe, im Innenhof wachsen Bäume aus der Terrasse. Ein zerbröselndes Haus in unmittelbarer Nähe zum repräsentativen Dorfzentrum. Wenigstens wurde die Immobilie verkauft, berichtet Hofmann. Er wisse jedoch nicht, was der Eigentümer damit vorhabe.

Leeres Kaufhaus

Geht Hofmann zum Rathaus, kommt er nach wenigen Schritten in der Kochgasse am nächsten leerstehenden Gebäude vorbei. Läuft er in Richtung Henneberger-Platz, passiert er das leere Kaufhaus Schäfer. Die Runde geht weiter: Gasthaus Stern? Leer, aber mittlerweile immerhin mit Perspektive (siehe Infokasten auf dieser Seite). Ein Spaziergang entlang der Hauptstraße? Immer wieder Leerstände. "Das ist ein Problem, das uns auf dem flachen Land in den nächsten Jahrzehnten begleiten wird", sagt Hofmann.

128 Einwohner weniger

Das liegt an der allgemeinen Bevölkerungsentwicklung. Nüdlingen schrumpft. Im Jahr 2000 waren 4373 Einwohner gemeldet, aktuell sind es 4245. Das entspricht einem Rückgang von drei Prozent in 14 Jahren. Dieser Schwund wird wahrscheinlich für die Zukunft anhalten, mit der Folge: Wo Einwohner fehlen, stehen Häuser leer.
Warum ist aber gerade der Ortskern davon betroffen? "Die Leute wollen raus in die Neubaugebiete und nicht an der Kissinger Straße wohnen", erklärt Bernd Reuter, Vorstandsmitglied der Raiffeisenbank Nüdlingen. Wer sich ein Haus anschaffe, wolle tendenziell raus ins Grüne und wolle nicht beengt im Ortskern leben, heißt es von der Immobilienabteilung der Sparkasse Bad Kissingen. Die jüngeren zieht es an den Ortsrand, die älteren bleiben oft bis an ihr Lebensende im eigenen Heim im Ortskern. Nach dem Tod kommt der Leerstand.

Henneberger-Gutachten auf Eis

Wie kann die Gemeinde handeln? Zum einen, weniger Neubaugebiete ausweisen, meint Hofmann. "Für jeden Bauplatz, den wir neu ausweisen wandert ein Platz aus dem Ortskern ab. Große Neubaugebiete wird es also nicht mehr geben."

Nüdlingen ließ als Teil der Henneberger-Allianz vor einigen Jahren ein Konzept erstellen, wie sich der Ortskern attraktiv und bewohnbar gestalten lässt. Die Stadtplaner empfahlen unter anderem, Grundstücke mit maroden Anwesen zu erwerben, um die Gebäude abzureißen oder zu sanieren. Das Konzept liegt mittlerweile auf Eis.

Bodenpreise steigen nicht

Die Gemeinde habe damals Kontakt zu Eigentümern im Bereich Mühlgasse aufgenommen und Absagen erhalten. "Das müssen wir akzeptieren", sagt der Bürgermeister. Er gehe aber davon aus, dass der eine oder andere Eigentümer in den nächsten Jahren seinen Grund und Boden doch zum Kauf anbieten wird, weil die Bodenpreise in Nüdlingen nicht steigen. Es bringe den Leuten nichts, die Grundstücke ungenutzt liegen zu lassen. Das bedeutet aber nicht, dass anders ein lohnendes Geschäft wartet, erwidert Bankvorstand Bernd Reuter: Wer sein Haus veräußert, "muss Preisabschläge in Kauf nehmen", so sein Fazit.

Gemeinde gegen Ankäufe

Der Bürgermeister sieht die Gemeinde generell nicht in der Pflicht, im großen Stil leerstehende Häuser aufzukaufen. "Das können wir gar nicht leisten, das ist utopisch." Die Gemeinde werde nur in Einzelfällen Grundstücke erwerben.

Hofmann zieht es vor, wenn sich ein Privatmann als Käufer findet. Um den Anreiz zu erhöhen, hat die Gemeinde zum 1. Januar 2013 ein Förderprogramm aufgelegt, mit dem sie vor allem jungen Familien die Investitionen in alte Häuser schmackhaft machen will.

Das hält Bankvorstand Bernd Reuter für sinnvoll. Der Ortskern sei aufgrund des Schwerlastverkehrs auf der Hauptstraße wenig attraktiv. "Der große Vorteil ist, dass die Grundstückspreise niedriger sind, als in Bad Kissingen", sagt er. Die Gemeinde müsse versuchen, "junge Leute, die nicht ganz so gut verdienen, hier in Eigentum zu bringen".

Gutes Umfeld wichtig

Hofmann betont, es gehe nicht nur darum die Leerstände zu beseitigen. Die Gemeinde müsse den Bürgern auch ein gutes Umfeld bieten. Dazu gehören beispielsweise eine kommunale Kinderbetreuung und die seit langem geforderte Seniorenwohnanlage. Für die sieht er ein mögliches Grundstück in der Ümpfigstraße.


Was wird gemacht?
Studie
Vor Jahren hat die Henneberger Allianz Konzepte für die Bereiche südliche Mühlgasse, Mühlgasse und Haardstraße erarbeitet. Die Umsetzung liegt auf Eis, weil das Einverständnis der meisten Anwohner und Eigentümer fehlt.

Förderung Die Gemeinde bezuschusst Um- und Ausbau, Erweiterung und Sanierung leerstehender Gebäude, die mindestens 50 Jahre alt sind. Ab einer Investitionssumme von 20 000 Euro, werden zehn Prozent der Kosten übernommen. Familien mit bis zu drei Kindern erhalten einen höheren Fördersatz. Derzeit laufen laut Hofmann zwei Vorhaben im Ortskern, die für eine Förderung infrage kommen.

Leerstand Zuletzt wurde das Anwesen in der Raiffeisenstraße hinter dem Rathaus privat verkauft. Die Gemeinde hat außerdem das Gasthaus Stern erworben, das als Bürgersaal und als Museumsgaststätte genutzt werden soll.

Senioren Für die seit langem geforderte Seniorenwohnanlage wird derzeit ein Grundstück in der Ümpfigstraße neben der Gärtnerei gehandelt. Ein Konzept und ein Betreiber fehlen allerdings noch.