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Landratswahl Bad Kissingen: Manuela Rottmann setzt auf Bauwirtschaft


Autor: Benedikt Borst

Bad Kissingen, Donnerstag, 13. Februar 2020

Manuela Rottmann will für die Grünen Landrätin werden. Im Gespräch erklärt sie, wie der Kreis zum Vorreiter in Sachen energetisches Sanieren werden soll. Dem Amtsinhaber wirft sie Versäumnisse bei der ÖPNV- und Energiepolitik vor.
Manuela Rottman vor dem Alten Kissinger Rathaus.  Einen Schwerpunkt will die Landratskandidatin im energetischen Sanieren setzen. Borst


Die Bundestagsabgeordnete wurde in Würzburg geboren. Als 14-Jährige zog sie mit ihrer Familie nach Hammelburg. Manuela Rottmann besuchte das Frobenius-Gymnasium, machte dort ihr Abitur und trat im Alter von 18 Jahren den Grünen bei. Im Interview erklärt die promovierte Juristin (47), warum sie den ländlichen Raum an einer Wegscheide sieht, wieso sie findet, dass der Nahverkehr im Landkreis falsch geplant wurde und warum sie denkt, dass die Nüdlinger eine Ortsumgehung brauchen.

Frau Rottmann, Sie haben am Deutschen Institut für Urbanistik in Berlin gearbeitet, waren Dezernentin für Umwelt und Gesundheit bei der Stadt Frankfurt am Main, haben als juristische Referentin die DB Netz deutschlandweit vor Gericht vertreten und sind aktuell für die Region Bad Kissingen im Bundestag. Jetzt wollen Sie Landrätin werden. Haben Sie einen roten Faden, der sich durch ihre politische Karriere zieht?

Manuela Rottmann: In Frankfurt habe ich mich viel mit dem Wachstumsschmerz der Ballungszentren befasst. Damit, dass es zu wenig Schulen gibt, dass Grünes überplant werden muss, dass Leute entwurzelt werden, weil sie mit ihrer Qualifikation in die Stadt zum Arbeiten müssen, und dass die Stadt wächst und man weiß eigentlich gar nicht mehr wohin. Ballungsräume müssen ein Interesse an gleichwertigen Lebensverhältnissen haben, daran, dass die Schere zum ländlichen Raum nicht immer weiter aufgeht. In den vergangenen zwei Jahren habe ich es geschafft, dass wir uns in der Bundestagsfraktion viel damit befasst haben: Was heißt denn gleichwertige Lebensverhältnisse? Welche Voraussetzungen müssen wir schaffen, damit uns Räume nicht verloren gehen und andere völlig überstrapaziert werden? Das ist ein Thema, das mich viele Jahre begleitet.

Wo sehen Sie da Bad Kissingen. Werden wir abgehängt?

Ich würde sagen, wir sind an einer Wegscheide. Deutschland wird sich sehr stark verändern. Ich glaube zum Positiven. Unser Mobilitätsverhalten, die Landwirtschaft, wie wir bauen und wirtschaften - all das wird und muss sich verändern. Der Handlungsdruck ist so groß, dass es passieren wird, egal wer regiert. Ich habe das Gefühl, dass es im Landkreis viele Leute gibt, die das spüren und sich fragen: Was ist unsere Rolle in dieser veränderten Welt? Es gibt aber auch einen Teil, der denkt, das hat mit uns nichts zu tun. Wir wurschteln mal so weiter. Das ist ein Irrtum. Der Wettbewerb zwischen den Regionen wird weiter zunehmen.

Wie meinen Sie das?

Nehmen wir die Fachkräftezuwanderung. Wir haben überall absoluten Fachkräftebedarf. Dass wir so niedrige Arbeitslosenzahlen im Landkreis haben, liegt ja nicht daran, dass wir riesig Arbeitsplätze aufgebaut haben, sondern daran, dass der Pool an erwerbsfähigen Leuten kleiner geworden ist. Es ist nicht automatisch so, dass jemand der zuwandert, sagt: Wildflecken im Landkreis Bad Kissingen, da wollte ich schon immer hin. Wir brauchen eine Strategie für die Fachkräftegewinnung und eine Geschichte, warum unser Landkreis so lebenswert ist. Mein Eindruck ist: Bad Kissingen schwimmt so mit, hat bisher vom demografischen Wandel profitiert, aber es hat keine Entwicklung vorweggenommen. Es hat keine vorausschauenden Entscheidungen getroffen, die sich in zehn oder 20 Jahren auswirken. Und es fehlt auch an einer zukunftsfähigen Identität.

Sie halten die Ausrichtung auf Gesundheit und Tourismus für falsch?

"Bäderlandkreis" ist eine wichtige Säule, aber doch nicht unsere ganze Identität. Die stärkste Bauwirtschaft in Mainfranken gibt es hier im Kreis Bad Kissingen. Ein Ziel könnte sein, dass unser Bauhandwerk auch spitze ist im nachhaltigen Bauen und Sanieren. Wir müssen sagen: Wir kümmern uns, dass wir da in der Berufsschule vorne dran sind. Wir kümmern uns, dass hier Modelle entstehen, etwa für die Bestandssanierung im ländlichen Raum. Das hat noch niemand richtig angefasst, weil es viel komplizierter ist als in der Stadt. Eine nachhaltige, demografiefeste und barrierefreie Ortsentwicklung im Bestand ist eine riesen Aufgabe für alle ländlichen Regionen. Der Landkreis hat das Know-how. Ich will, dass wir die sind, zu denen die Delegationen aus aller Welt kommen und sagen: Das ist ein Vorbild!

Wie setzt man das um?

Wir haben nach Berechnungen der IG Bau ungefähr 18 000 Gebäude im Landkreis, die älter sind als 40 Jahre. Die sind energetisch ineffizient. Das Problem lösen wir momentan nur dadurch, dass wir neu bauen. Alle kaufen sich das KfW-40-Haus auf der grünen Wiese. Das ist aber keine nachhaltige Lösung. Es gibt Fördermittel zum energetischen Sanieren, das ist nicht das Problem. Der Bund kriegt das Geld aber nicht los, weil es nicht abgerufen wird.

Woran hängt es?

Wenn ich energetisch saniere, brauche ich viel mehr Know-how und kann viel weniger in Eigenleistung machen. Ich brauche Architekturleistungen. Diese Beratungs- und Qualitätssicherungsleistungen muss ich stärker öffentlich bereitstellen.

Könnte man die an ein Landratsamt koppeln?

In Frankfurt habe ich es so gemacht: Handwerkerinnung, Baubranche, Stadt und Stadtwerke haben einen Verein gegründet. Dieser Verein stellt kostenlose Beratung für private Eigentümer zur Verfügung. Der ist nah an den Leuten und nimmt die Hemmschwelle, dass Beratung teuer ist. Der Landkreis sollte aber Beispiele bieten, also alte Gebäude aufkaufen und vormachen, wie es geht.

Kommen wir zurück zur zukunftsfähigen Identität. Wo sehen Sie strategische Aufgaben, die der Landkreis wahrnehmen sollte?

Beim klimaneutralen Häuserbestand und der Verkehrswende sehe ich strategischen Handlungsbedarf. Wenn ich etwas mache, nehme ich mir ein Ziel vor, das ich erreichen will. Etwa beim Nahverkehr. Ich habe das Gefühl im Landkreis herrscht die Grundstimmung: Wir machen irgendetwas, Hauptsache es ist etwas gemacht. Erfolg wird oft gemessen in: Wir haben Geld ausgegeben oder einen Förderantrag gestellt. Ich würde aber sagen, gerade beim ÖPNV ist doch der Maßstab: Wie viele freiwillige Gäste gewinne ich dazu? Das Problem ist doch, dass viele Erwachsene bei uns vollkommen vom ÖPNV entwöhnt sind. Noch ein Maßstab: Die Reisedauer ist bei uns viel zu lange. Müsste es nicht das Ziel sein, die Reisegeschwindigkeit deutlich zu erhöhen? Das wird seit Jahrzehnten gefordert. Auch bei der Energiewende hält sich der Landkreis völlig raus, außer: Wir wollen kein Südlink. Das ist das energiepolitische Projekt von Thomas Bold. Aber was ist denn unser klimapolitisches Ziel? Wollen wir uns zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien versorgen? Und wenn ja, wie und bis wann?

Nach der Grundsatzentscheidung für die großen Stromtrassen. Ist es überhaupt erwünscht oder möglich, dass sich ein Landkreis dezentral selbst mit Strom versorgt?

Das ist genau die Haltung, die ich gerne ändern würde. Wir sind nicht den Weltläufen ausgeliefert. Wir müssen die Verantwortung für unsere Zukunft selber in die Hand nehmen. Das Argument gegen Südlink war immer: Wir brauchen das nicht. Dann muss man aber auch darlegen, wo der Strom stattdessen herkommt. Thomas Bold bietet da nichts an. Die Versorgung mit Erneuerbaren Energien ist für uns eine große Chance, auch strukturpolitisch. Die Windräder in Elfershausen helfen zum Beispiel, das Loch, das Schäffler bei der Gewerbesteuer gerissen hat, zu schließen.

Wo wir bei großen Infrastrukturprojekten sind: Wie stehen Sie zur Bahntrasse von Bad Kissingen nach Fulda, für die sich die CSU stark macht?

Wenn ich in Wünsch-mir-was leben würde, würde ich sagen: Toll. Ich kenne die Trasse aber nur als vage Idee. Das ist mir zu wenig. Selbst wenn man wüsste, wo die verlaufen könnte, würde eine Umsetzung lange dauern. Fulda hat für uns in Richtung Berlin an Bedeutung verloren. Da ist Erfurt wichtiger, und dahin gibt es gute Verbindungen. Fulda ist aber wichtig für die Anbindung nach Westdeutschland. Da ist der jetzige Weg über Würzburg zu umständlich. Stattdessen würde ich sagen, es braucht Expressbusse, die mit dem ICE-Verkehr in Fulda vertaktet sind. Sinnvoll fände ich auch, mit der DB-Netz zu besprechen, wie man die bei uns bestehenden Strecken mit kleinen Dingen baulich so verbessern kann, dass man mehr Tempo in den Bahnverkehr bekommt.

Wie stehen Sie zur Ortsumgehung Nüdlingen?

Straßenbau schafft mehr Verkehr. In der Region gibt es viele Projekte wo ich sage, Leute lasst da die Finger davon: Nüdlingen ist aber extrem. 10 000 Fahrzeuge am Tag sind ein Wort. Die Bürger haben sich jetzt mehrheitlich gegen die Umgehung ausgesprochen. Ich fürchte, dass es auch dadurch am Ende zu einem höheren Flächenverbrauch kommen wird, weil sich die Wohnbebauung mit neuen Baugebieten von der lauten Straße weg entwickeln wird. Die Gemeinde hat rechtlich nur wenige Möglichkeiten, die Lärm- und Verkehrsbelastung schnell und spürbar zu verringern. Der Ortskern wird mit dieser Belastung keine gute Entwicklung nehmen können. Ob die Umgehung kommt, wird verbindlich die staatliche Bauverwaltung entscheiden. Gleichzeitig würde ich auch sagen, Verkehrsentlastung muss Aufgabe des Landkreises sein. Dabei muss er die Kommunen unterstützen. Verkehrswende bedeutet auch immer, dass man den motorisierten Verkehr Bremsen anlegen muss. Das Wachstum beim Verkehr können wir nicht immer nur durch Straßenbau auffangen.

Die Fragen stellten Susanne Will und Benedikt Borst.

Diskutieren Sie mit!

Podium Thomas Bold (CSU), Manuela Rottmann (Grüne) und Thomas Menz (SPD) stehen auf unserem Podium Rede und Antwort. Die Veranstaltung findet statt am Donnerstag, 20. Februar, in der Mehrzweckhalle in Oberthulba. Beginn ist um 19 Uhr. Fragen an die Kandidaten mailen Sie uns an:

b.borst@infranken.de