Landkreis Bad Kissingen: Sexueller Missbrauch - wie die katholische Kirche damit ringt
Autor: Charlotte Wittnebel-Schmitz
LKR Bad Kissingen, Dienstag, 15. März 2022
Sexueller Missbrauch durch Geistliche: Das gab es nicht nur anderswo, sondern auch im Landkreis. Haupt- und Ehrenamtliche ringen mit sich und der Institution, um den richtigen Umgang mit dem Thema zu finden.
Seit 2010 kommen immer mehr Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche an die Öffentlichkeit. Seitdem das Gutachten für das Erzbistum München/Freising öffentlich wurde, treten viele Mitglieder der Kirche aus. Vertreter der katholischen Kirche aus der Region wollen jetzt über den Umgang der Kirche mit sexuellem Missbrauch reden.
Der Dekan Stephan Hartmann (Bad Kissingen) sagt: "Als Verantwortliche in der Kirche reflektieren und überlegen wir mit den Christinnen und Christen vor Ort, wie Kirche sich als lebendige Gemeinschaft in der Spur Jesu zeigen kann." Worüber er nicht reden will, das sagt er auch. "Es geht uns nicht um konkrete Fälle von Missbrauch." Dabei wäre das durchaus möglich, denn es hat auch welche im Landkreis gegeben. Wie also wird der sexuelle Missbrauch in der Kirche, von der Kirche thematisiert, wenn nicht über aktuelle Fälle gesprochen wird?
Gottesdienste, Religionsunterricht, Fürbitten
"Das Thema geht in die Gottesdienste rein, in die persönlich gesprochenen Texte der Gottesdienstleiter. Es findet sich in den Fürbitten, beim Schuldbekenntnis oder auch im Religionsunterricht", sagt Diakon Manfred Müller (pastoraler Raum Hammelburg). Thema sei es auch bei der Krankenkommunion, im Gespräch mit Erzieherinnen oder beim Elternabend, ergänzt Gemeindereferentin Annemarie Göbel (pastoraler Raum Burkardroth und Bad Bocklet).
Manche Ehrenamtliche fühlten sich bei dem Thema zu Unrecht unter Generalverdacht gestellt. Andere fragten: "Wie kann man in der Kirche noch aktiv bleiben?", berichtet Müller.
"Ich kann das nachvollziehen, da ist etwas zerbrochen", sagt Pastoralreferent Jens Hausdörfer (Bad Brückenau). "Weil es Dinge sind, die gegen das stehen, wofür unser Glaube steht, nämlich Menschen stark zu machen." Auch in Bad Brückenau haben sich die Kirchenaustritte deutlich erhöht.
"Das Thema beschäftigt uns seit vielen Jahren", sagt Armin Haas, Pfarrer in Schondra und Oberleichtersbach. Es sei schwierig, damit umzugehen, vor allem, "wenn man nach vielen Jahren des Pfarrerseins plötzlich erfährt, dass es sexuellen Missbrauch im eigenen Bereich gegeben hat". Haas sagt: "Da gibt es etwas in den Gemeinden, das nicht ausgesprochen wird. Das muss man mit viel Fingerspitzengefühl angehen und vor allem nicht über die Köpfe der Opfer hinweg." Nicht alle Gläubigen wollten sich damit befassen. In vielen gläubigen Familien herrsche noch immer die Haltung, dass ein Pfarrer nicht kritisiert werden dürfe, egal was er tue.
Haas beschreibt ein Ringen, den richtigen Weg zu finden. "Man ist in Versuchung, in jedem Gottesdienst damit anzufangen, aber dann muss ich aufpassen, dass noch die frohe Botschaft rüberkommt." So habe ihm jemand geschrieben, die Ukraine-Krise mache ihm solche Angst. In der Kirche sei dann auch noch von Schuld und Sühne gepredigt worden. "Die Person wollte gleich wieder aus dem Gottesdienst gehen. Ich muss also aufpassen, dass mein Ansatz in der Verkündigung ein positiver bleibt."