Landkreis Bad Kissingen: "Es fehlt an Wertschätzung"
Autor: Ellen Mützel
LKR Bad Kissingen, Montag, 26. Sept. 2022
Laut einer Bertelsmann-Studie fehlen in naher Zukunft 230.000 Erzieherinnen und Erzieher. Doch bereits jetzt ist die Situation angespannt. Woran das liegt und was passieren muss, damit die Schulkindbetreuung ab 2026 nicht scheitert.
Das "Fachkräfte-Radar für Kita und Grundschule" der Bertelsmannstiftung legt nahe: Bis 2030 wird es schwierig, eine kindgerechte Betreuung zu gewährleisten. Noch ist der Betreuungsanspruch für Grundschulkinder nicht in Kraft - er greift ab 2026 - und dennoch ist bereits jetzt ein Mangel zu spüren. Aus dem Landratsamt, das die Aufsicht über Kindertageseinrichtungen hat, heißt es: "Selbstverständlich ist der Fachkräftemangel in den Kitas auch im Landkreis Bad Kissingen spürbar." Dies mache sich an vielen Anrufen der Kitaleitungen bemerkbar. Sie schildern ihre Situation, wie sie sich um Fach- und Ergänzungskräfte bemühen, und ad hoc keine Lösung für dieses Problem finden.
Lage in der Ausbildung
Die Gründe für den Fachkräftemangel sind vielfältig: Für Georg Gißler vom Berufsbildungszentrum (BBZ) Münnerstadt, das Erzieherinnen und Erzieher, sowie Kinderpflegerinnen und -pfleger ausbildet, steht fest: "Es hat derzeit damit zu tun, dass sich die Struktur in der Betreuung geändert hat." Seit dem 1. August 2013 gibt es für Kinder ab einem Jahr einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz.
Der Umzug in das neue BBZ vor zwei Jahren habe einen glücklichen Umstand: "Es ist für 800 Schülerinnen und Schüler konzipiert. Im alten Gebäude haben wir 600. Das hat sich als eine weise Entscheidung herauskristallisiert." So gibt es die Möglichkeit, vier statt drei Klassen zu unterrichten. Und auch die Lehrkräfte sind in Münnerstadt kein begrenzender Faktor. "Wir können dieses Jahr 100 Prozent des Pflichtunterrichts abdecken. Es gibt ein großes Interesse, in dem Bereich zu unterrichten", freut sich der Schulleiter.
Ausbildung um ein Jahr verkürzt
Das ist auch deswegen wichtig, da es im kommenden Schuljahr einen Doppeljahrgang geben wird. Um die Erzieherausbildung attraktiver zu gestalten, hatte die Regierung die Ausbildung um ein Jahr verkürzt - von fünf auf vier Jahre. Einen kleinen Schub habe das schon gegeben, meint Gißler, aber: "Ich glaube nicht, dass sich das hält. Ich denke, wir werden danach wieder drei Klassen haben."
Im Landratsamt sieht man als Gründe für einen Mangel an Erzieherinnen und Erziehern zum einen gestiegene Anforderungen an das Kitapersonal. "Zudem könnte in den nächsten Wochen auch die Inflation dazu beitragen, dass Elternteile früher als geplant wieder in die Erwerbstätigkeit zurückkehren - und damit die Zahl der Kinder in den Kitas weiter steigt." Die Situation führe in einen Teufelskreis: Die dadurch stressigere Arbeit könne sich abschreckend auf junge Menschen auswirken, die erwägen, diesen Beruf zu ergreifen.
Die Caritas Unterfranken hat zur Aufgabe, die Kitas in ihrer Trägerschaft zu unterstützen - sei es durch Fachberatungen, arbeitsrechtliches Beratung oder Gehaltsabrechnungen. Sebastian Schoknecht von der Pressestelle sagt: "Wir betreiben eine Jobbörse, die auf soziale Berufe spezialisiert ist. Da sehen wir natürlich, dass viele Kitas händeringend nach Erzieher- und Pflegepersonal suchen."
Bessere Rahmenbedinungen nötig
Ganz neu sei das nicht, aber: "Wir befürchten, dass sich das verschärfen könnte, wenn wir es gesellschaftlich nicht schaffen, die Rahmenbedingungen zu verbessern." Um Lohn und Gehalt gehe es dabei weniger, Caritas und Diakonie zahlten einen relativ guten Tariflohn. "Es geht um das Drumherum, beispielsweise die Förderung von Resilienz. Es ist ein stressiger Beruf." Erzieherinnen und Erzieher würden berichten, dass die Kinder immer verhaltensauffälliger würden.