Krieg in der Ukraine: drei Geschwister, ein Kampf
Autor: Steffen Standke
Bad Kissingen, Donnerstag, 08. Sept. 2022
Die in Bad Kissingen lebende ukrainische Ärztin Larisa Kisliak bangt um ihren mitten in den Kriegswirren feststeckenden Bruder und ihre Schwester. Demnächst will sie sich unkalkulierbaren Gefahren aussetzen, um sie wiederzusehen.
Einträchtig und gut gelaunt staksen Senioren durch das Kneippbecken am Gradierbau in Bad Kissingen. Ein Bild, das Larisa Kisliak Freude bereitet. Weil es etwas für sie sehr Wichtiges zeigt: "Das ist Frieden", sagt sie. Die 35-jährige Ukrainerin sorgt sich um ihre Lieben in einer aus den Fugen geratenen kriegerischen Welt: Ihr Bruder Maxim liegt als Soldat an vorderster Front in der Ostukraine; ihre Schwester Tanja versucht, das durch den russischen Angriff entstandene Leid zu lindern. Dennoch versprüht Larisa Zuversicht.
Kisliak wurde in der heutigen Republik Moldau geboren, als diese noch winziger Teil der riesigen Sowjetunion war. Ihre Eltern stammten aus der westlichen Ukraine, wohin es die Familie wieder zog; Larisa war zwölf Jahre alt. Danach lebte sie abwechselnd in Iwano-Frankiwsk in der Westukraine und in Odessa, später nur noch in der Stadt am Schwarzen Meer.
Nie wäre sie in ihrer Kindheit und Jugend darauf gekommen, dass es Unterschiede zwischen Ukrainern und Russen gibt, sagt sie. Und dass beide Länder einmal Krieg gegeneinander führen würden. Dieses Bewusstsein kam später und drang so richtig durch mit den Protesten auf dem Maidan und der Annexion der Halbinsel Krim durch den großen Nachbarn 2014.
Keine Infos über Erlebnisse an der Front
Seit 2018 lebt Kisliak zeitweise in Deutschland, studierte, absolvierte Praktika, arbeitete, meist im Norden, aber auch in der Franz-von-Prümmer-Klinik in Bad Brückenau. Im November 2021 heiratete sie einen Deutschen; seit drei Monaten schafft die Ärztin in der Helios OrthoClinic in Hammelburg, manchmal auch in Bad Kissingen.
Noch zu Beginn des Jahres wollte die 35-Jährige ihren Bruder als Koch nach Deutschland holen. Dann brach der Krieg über die Ukraine herein; Maxim meldete sich zur ukrainischen Armee.
Seitdem hat Larisa ihren jüngeren Bruder nicht mehr persönlich gesehen. Was sie ständig begleitet, ist die Sorge, dass ihm etwas zustoßen könnte. Täglich müht sie sich, etwas von ihm zu hören, und wenn es nur ein "Mir geht es gut" ist. Zumal Maxim derzeit bei Bachmut in der Ostukraine in der vordersten Frontlinie liegt. Dort, wo mit Handfeuerwaffen direkt aufeinander geschossen wird.
In den vergangenen beiden Tagen war der Kontakt per Handy etwas leichter. Maxim lag mit Gehirnerschütterung in einem Krankenhaus hinter der Front. In einem richtigen Bett, was nicht selbstverständlich ist. Doch nun muss er wieder nach vorn.