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Kreis umwirbt Rückkehrer


Autor: Ralf Ruppert

Bad Kissingen, Dienstag, 17. Mai 2016

Akademiker und andere Fachkräfte verlassen oft zur Ausbildung die Region. Stefanie und David Fronczek zog es bereits wieder in die Heimat.
Stefanie und David Fronczek wohnen jetzt mit ihren Söhnen in Bad Brückenau.  Foto: Ralf Ruppert


Hohe Mieten und überlastete Infrastruktur in Großstädten, leere Häuser und verwaiste Orte auf dem Land: Seit Jahren gibt es vor allem bei Akademikern und anderen Fachkräften den Trend zur Landflucht. Wer einmal zum Studium weg ist, kommt oft nicht wieder. Dem will der Landkreis Bad Kissingen mit seiner neuen Rückkehrer-Initiative entgegen wirken.

"Viele größtenteils junge Menschen ziehen aus Ballungsgebieten bewusst wieder in ihre ländliche Heimatregion zurück", sagt Wirtschaftsförderer Frank Bernhard und hofft, dass der Kreis ein Stück dieses Kuchens abbekommt.


Erster Sohn in USA geboren

Familie Fronczek aus Bad Brückenau ist ein solcher Glücksfall für die Provinz: Stefanie Fronczek (geborene Will, 33) aus Motten hat Geschichte- und Deutsch-Lehramt studiert, David Fronczek (32) aus Römershag ging 2003 zum Physik-Studium nach Würzburg. Mittlerweile ist er Doktor der Energie-, Verfahrens- und Biotechnik. Studium und Promotion hat er mit 1,0 abgeschlossen, ihm standen also alle Türen offen. Entschieden hat er sich Anfang 2015 für eine Stelle in Fulda. Stefanie und David Fronczek wohnen jetzt mit ihren Söhnen Anton (2) und Paul (3) in Bad Brückenau. Im Juli kommt das dritte Kind.
"Ich bin zwar gerne, aber doch eher zufällig wieder in der Heimat gelandet", sagt Dr. David Fronczek. Rund 30 Bewerbungen habe er 2014 geschrieben, nur eine Stelle lag nah genug am Landkreis Bad Kissingen. Deutlich einfacher sei dagegen die Versetzung seiner Frau gegangen, die am Bad Kissinger Gymnasium unterrichtet.
Die Fronczeks haben schon viel von der Welt gesehen: Ihr erster Sohn kam während des Studienaufenthalts in den USA zur Welt. Ein Stipendium ermöglichte David Fronczek die Forschung in einem Batterie-Labor in Berkeley. Über Ulm ging es zurück nach Bad Brückenau, wo er im Herbst 2014 während einer Elternzeit seine Doktorarbeit fertig stellte - trotz Studium und Beruf nach nur vier Jahren.


Niedrige Mieten, gute Betreuung

Damals wohnte die Familie vorübergehend bei David Fronczeks Eltern, mittlerweile haben sie eine eigene Wohnung. "Unsere Doppelhaus-Hälfte kostet so viel wie in Ulm eine Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung", nennt David Fronczek als Vorteil des Landlebens. Allerdings habe er auch festgestellt, dass es gerade für große Familien wenige Mietwohnungen gebe. Was kann die Politik aus seiner Sicht für Rückkehrer tun? "Schwierige Frage", lautet Fronczeks Antwort. Wichtig sei natürlich ein gutes Betreuungsangebot: "Mir selbst gefällt es ja auch in großen Städten, aber mit Kindern ist es hier einfacher schöner", sagt der 32-Jährige über die Gründe seiner Rückkehr. Gerade bei Kita-Plätzen sei der Landkreis gut aufgestellt.
Überrascht sei er auch immer wieder über die kulturellen Angebote im Kreis, aber: "Eine große Rolle für unsere Entscheidung hat das nicht gespielt." Deutlich stärker könne die Region mit ihrer intakten Natur punkten: "Man ist sofort im Grünen, kann wunderbar Fahrrad fahren und hat im Winter Skilifte vor der Haustür, das hat einen hohen Freizeitwert."


Kontakte und Perspektiven

Unterm Strich seien aber zwei Aspekte ausschlaggebend: Zum einen persönliche Kontakte zu Freunden und Familie, zum anderen die berufliche Perspektive. Hier könne die Politik vermutlich am besten helfen. "Die erste Hürde ist, von Stellen zu wissen", erinnert sich Fronczek an seine Jobsuche. In Ulm habe er einen Karrieretag von Familienunternehmen besucht. Zum einen sei die Fluktuation in Unternehmen auf dem Land eher gering, zum anderen würden gerade Führungspositionen für Hochqualifizierte oft nicht klassisch ausgeschrieben.
Kontakte herstellen ist auch ein Ansatzpunkt des Kreises. Im jüngsten Wirtschafts-Newsletter etwa stellt Wirtschaftsförderer Frank Bernhard ein "Paar in den Dreißigern" vor, das zurück in den Landkreis will. Sie ist studierte Wirtschaftsingenieurin, er Wirtschaftsinformatiker und "Ur-Kissinger". Namen werden keine genannt, aber konkrete Ideen: "Im Idealfall könnten wir einen Betrieb von einem Firmeneigner übernehmen, der uns noch ein paar Jahre als Berater zur Seite steht", zitiert Bernhard die potentiellen Rückkehrer.


"Willkommen Daheim"

Ein Abschied von der Heimat muss nicht endgültig sein, lautet das Credo der kommunalen Wirtschaftsförderung des Landkreises: Unter dem Titel "Willkommen Daheim - Willkommen in Deinem Landkreis" sollen rückkehrwillige "Exil-Bad Kissinger" angesprochen und beim Umzug unterstützt werden. Einen positiven Trend gebe es bereits: 2014 verzeichnete der Landkreis ein Bevölkerungsplus von 506 Personen, im Vorjahr waren es bereits 219. Laut Bernhard sind 34 Prozent der Zugezogenen zwischen 18 und 30 Jahre alt, wobei Flüchtlinge noch nicht erfasst seien.