Kraft, Witz und Tempo in der Konzertmuschel
Autor: Thomas Ahnert
Bad Kissingen, Freitag, 14. Juni 2013
Der Schlagzeuger Li Biao und seine Berliner Perkussionskollegen zündeten in der Konzertmuschel im heiteren Ambiente des Kurgartens in Bad Kissingen ein Feuerwerk.
Sie sind diejenigen, die im Sinfoniekonzert immer ganz hinten an der Wand sitzen, aber sie sind auch die einzigen, die während des Konzerts aufstehen und hin und her laufen dürfen, weil sie oft mehrere Instrumente bedienen müssen: die Perkussionisten - eine Gruppe, die im öffentlichen Bewusstsein eher in der Rubrik "Rhythmische Geräusche" als in der "Musik" geführt wird.
Da nimmt es nicht wunder, dass sich Perkussionisten gerne zusammenschließen, um als Ensemble ohne Behinderung durch Streicher oder Bläser zu zeigen, was sie so alles machen und machen können.
Am Donnerstag war so ein Ensemble da - in der Konzertmuschel im heiteren Ambiente des Kurgartens. Sogar das Wetter hatte vergessen, rechtzeitig den üblichen Festivalregen zu organisieren. Angeführt vom Berliner Schlagzeugprofessor Li Biao, der schon einige staunenswerte Auftritte in Bad Kissingen absolviert hat, zwängten sich seine drei Berliner-Philharmoniker-Kollegen Rainer Seegers, Franz Schindlbeck und Simon Rössler sowie Daniel Eichholz, freischaffend, aber in enger Verbindung mit dem Orchester, zwischen ihrem reichlichen Instrumentarium. Allein schon vier Marimbaphone brauchen halt mehr Platz als das Werkzeug für ein Streichquartett.
Mit vergnügter Konzentration
Aber die Platznot war kein Grund, den fünf Musikern ihr sichtliches Vergnügen zu rauben, mit dem sie nicht nur Originalkompositionen spielten, sondern auch Arrangements wie Sätze aus der h-moll-Orchestersuite von Bach, wobei die Raffinesse der Übertragungslösungen immer wieder verblüffte. Wobei man manchmal allerdings schon merkte, dass die Originale nicht fürt Perkussionsgruppe geschrieben waren wie bei dem Beatles-Medley, das in seiner Klanglichkeit ein wenig in Kaffeehausnähe rückte.
Interessanter, weil konzeptionell zielgerichteter, waren natürlich die Originale. Am besten kam Russell Pecks "Lift-Off" an, ein Trio für Trommeln und, wie Rainer Seegers meinte, "ein Hubschrauberstart mit Motorproblemen". In der Tat war alles da: die Fehlzündungen, das wiederholte absterben und anlaufnehmen, das Stottern, das Knattern der Rotorblätter und schließlich das röhrende Abheben des unpässlichen Fluggeräts. Man sah das alles nicht nur vor sich, sondern man konnte auch die unverbrannten Abgasschwaden riechen.
Aber auch Steve Reichs Minimal Music kam bestens an: seine "Music for pieces of wood": im Grundsatz die simpelste Sache der Welt, denn fünf Musiker schlagen jeder zwei Holzstücke gegeneinander, aber das in den unterschiedlichsten Rhythmen - eine unglaubliche Konzentrationssache mit erstaunlichen Wirkungen. Wie überhaupt bei der Leichtigkeit der Klänge und Klangfarben und der Zugkraft der Rhythmen leicht aus dem Blick geriet, wie schwer diese Musik zu spielen ist, etwa Tom Gaugers melodiöses "Gainsborough II" oder das mit archaischer Wucht daherkommende "Marimba Spiritual" von Minoru Miki. Das Publikum kam so recht aus dem Staunen nicht mehr heraus. Da mussten es dann auch vier Zugaben sein.