Konzert der Münchner Philharmoniker: Sollte das Mozart sein?
Autor: Thomas Ahnert
Bad Kissingen, Sonntag, 29. Juni 2014
Für Iskandar Widjajas Interpretation des G-Dur-Konzerts braucht man als Zuhörer schon sehr gute Ohren.
Auch wenn man e nicht gerne hören will: Es gibt nur sehr wenige Dirigenten aus Deutschland, die international so berühmt geworden sind, dass man ihnen das Prädikat "Weltstar" verliehen hat. Christoph Eschenbach ist einer dieser wenigen, die das unangefochten geschafft haben. Gradmesser sind nicht nur seine Erfolge in Europa, sondern auch, vielleicht sogar entscheidend, die Wertschätzung, die er und seine Arbeit bei den großen Orchestern in den Vereinigten Staaten genießen, und die ihm prominente Berufungen eingebracht hat. Jetzt stand er bei der "Münchner Gala" am Pult der Münchner Philharmoniker.
Um es gleich vorweg zu sagen: Das ganz große Erlebnis wurde das Konzert nicht. Christoph Eschenbach konnte zwar - das zeigte schon die recht frisch musizierte "Figaro"-Ouvertüre von Mozart eine ganze Reihe von Ideen einbringen. Aber die Münchner hatten nicht ihren allerbesten Tag erwischt und hatten vielleicht auch manchmal Probleme, Eschenbachs engagierte Einsätze punktgenau umzusetzen. Und dann konnte auch der Solist zwar spieltechnisch, aber nicht konzeptionell überzeugen.
Widjaja zum zweiten
Iskandar Widjaja, der junge Geiger, den die Besucher des Kissinger Sommers bereits beim Präludium im Rossini-Saal erleben konnten, war der Solist bei Wolfgang Amadeus Mozarts Violinkonzert G-dur, KV 216. Präsentierte sich vor zwei Wochen vor allem der Virtuose Widjaja, musste er sich dieses Mal mit einem echten Prüfstein auseinandersetzen. Technisch ist das Werk nicht allzu anspruchsvoll. Hier geht es darum, die Musik mit diskreten Mitteln zum Singen zu bringen, dass sie Flügel bekommt und abhebt.
Unverständliche Konzeption
Hat sie das geschafft? Abgehoben hat sie schon, aber nicht, weil sie Flügel bekommen hätte, sondern weil sie viel zu leichtgewichtig war. Widjaja verfolgte ein höchst merkwürdiges Konzept des Mezzopiano als höchster Lautstärke und spielte, als wäre es sein Privatvergnügen, so leise wie möglich, versuchte, das Orchester dynamisch in die Knie zu zwingen. Nur: Wenn man sich bei einem Mozart-Violinkonzert vorne hinstellt, dann muss man auch so etwas wie einen Führungsanspruch erheben, muss dem Orchester etwas anbieten, auf das es antworten kann, damit ein Konzertieren im eigentlichen Sinn entsteht. Zum anderen geriet die Klangbalance aus dem Lot. Nicht jedes Orchesterinstrument kann beliebig leise spielen. Wenn von der Solovioline nichts mehr zu hören ist, wird's halt ein Oboenkonzert.
Gegen die Komposition
Vor allem aber stand Widjajas Spielhaltung gegen die Kompositionen. Wenn die Hauptthemen des ersten und dritten Satzes mit dreistimmigen Impuls- akkorden beginnen, dann deshalb, damit sie eine Spannkraft entwickeln, die die Musik vorwärts treibt. Wenn ihnen diese Kraft verweigert wird, fehlt der musikalische Antrieb. Was nützen außerdem virtuose Floskeln, wenn sie nicht zu hören, sondern nur zu sehen sind. Was nützen die kräftigeren, derben Einschübe im Rondo, wenn nur darüber hinweggefächelt wird. Wozu sind Kadenzen gut, wenn nicht als Raum für ein selbstbewusstes Darstellungsbedürfnis - abgesehen davon, dass nicht jeder Wiedereinstieg des Orchesters wirklich gelungen war. Sicher war das neckisch, dass Widjaja am Ende, als er die letzten Takte nichts mehr zu tun hatte, so tat, als würde er der in den Himmel entschwebenden Musik nachschauen. Aber sie hätte sich halt erst einmal auf der Erde abspielen müssen.
Nein, es ist nicht erstaunlich, dass der junge Mann, der durchaus das Zeug hätte, zum Nachfolger des Popstars David Garrett zu werden, sich um jeden Preis gegen eine riesige Konkurrenz zu profilieren sucht, wenn auch nicht sonderlich glücklich. Erstaunlich war nur, dass Christoph Eschenbach dieses unsinnige Spielchen mitgemacht hat.
Musik der BefreiungMan konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Orchester den Beginn von Beethovens "Pastorale" wie eine Befreiung empfand: Es ließ die musik unbehindert strömen. Christoph Eschenbach hatte in dieser nun wirklich gut bekannten Sinfonie noch ein paar strukturelle Neuigkeiten entdeckt, insbesondere in der Führung der Holzbläser, die wunderschöne Passagen des Zusammenspiels hatten - die armen Blechbläser und der Paukist werden ja praktisch nur für das Gewitter gebraucht. Was letztlich entstand - und darauf hatte4 Eschenbach wohl auch gezielt, war eine plastische und unterhaltsame Darstellung von Beethovens von der Aufklärung geprägtem Verständnis der Natur. Haydns "Jahreszeiten" ließen grüßen.