Klappern: Jedes Viertel hat seine Tradition
Autor: Werner Vogel
Reiterswiesen, Freitag, 14. April 2017
Vom Gründonnerstag bis zur Osternacht rufen in katholischen Gemeinden Klappern und Ratschen die Gläubigen zur Kirche.
Traditionen erzählen immer auch ein Stück Dorfgeschichte. So auch in Reiterswiesen, wo das Klappern wie in den meisten katholischen Gemeinden im Landkreis fest zu Ostern gehört. Wenn die Glocken schweigen, schlägt ihre Stunde: Früher hießen sie Klapperbuben, denn Klappern war, wie auch der Ministrantendienst, ein Privileg der Jungs. Das ist aber das Einzige, was sich geändert hat.
Ansonsten wird noch geklappert wie seit Jahrzehnten. Im langen Straßendorf Reiterswiesen teilen sich vier Gruppen den Ehrendienst. Auch das ist überliefert, und weil jeder der kleinen Häuseransammlungen sein eigenes Wirtshaus hatte, hat man sich im Viertel auch zusammengehörig gefühlt, ein gewisses Eigenleben und sogar ein wenig Stolz entwickelt.
Überlieferte Bezeichnungen
Die Bezeichnungen der kleinen Dorfteile sind bei den Einheimischen noch gebräuchlich. Von der "Simonswirtschaft" (Gasthof Eintracht) in Richtung Bad Kissingen gehört man zum "Oberdorf". Die "Oberdörfer" und die "Bodläwer" (die Bodenlauber, Bewohner der Siedlung rund um das ehemalige "Gasthaus zur Linde" am Fuß der Burgstraße) werden von einer ersten Klappergruppe zum Gottesdienst gerufen. Von der "Eintracht" bis zur Kirche reicht das "Mitteldorf", geklappert wird hinunter bis zum "Wolfsgrobe" in Richtung Arnshausen. Die "Hüsles"-Klapperer wecken die Anwohner der "Viehträ" (Kiefernstraße), des "Gößles" bis zur "Krone Wirtschaft" (Vereinshaus Krone). Eine vierte Gruppe macht sich vom "Stempes" (Hans-Sachs-Straße) auf ins "Unterdorf" und in die "Gasse" (Flurstraße) Richtung Friedhof. Die früher bei den traditionellen Osterfeuern der einzelnen Dorfteile ausgetragenen Rivalitäten sind heute verschwunden, die Einteilung der Klappergruppen von damals aber gilt noch heute. Besonders der "Stempes" hat mit Infokasten, Straßenfesten und Whats-App-Gruppe sein Eigenleben noch behalten.
18 Mal zum Klappern ausrücken
Geklappert wird am Gründonnerstag erstmals nach der Ölberg-Betstunde. Am Karfreitag rufen die Klappern und Ratschen zum Kreuzweg am Morgen und zur Karfreitagsliturgie am Nachmittag. "Wir klippern und klappern das erste Mal zur Kirche", heißt es schon seit 50 Jahren jeweils eine Stunde vorher. Es folgt ein zweiter und dritter Ruf, fünf Minuten vor dem Beginn heißt es: "Wir klippern und klappern auf Haufen, wer in die Kirch will, der muss laufen."
"Der Morgen glüht ..."
Der Muttergottes wird schon früh um sechs gedacht. Da wird gesungen: "Der Morgen glüht, die Nacht entflieht und malet Purpur Berg und Tal...", während ihr am Abend mit den Versen erst gehuldigt ("... oh Mutter, die da wacht, bei uns in finstrer Nacht") und dann gemahnt wird ("Dies ist der Englische Gruß, den jeder Christ beten muss"). Die frohe Botschaft von der Osternacht rufen die Jungen und Mädchen den Gläubigen auch heute noch mit dem überlieferten Text zu: "Ihr lieben Leut, wir verkünden heut eine große, große, große Freud, dass unser Herr besieget hat, den Tod und unsere Missetat ..."
Zahlreiche alte Erbstücke
Seit Generationen wird der Text so weitergegeben. Früher mündlich, heute bekommen die Mädchen und Buben, die erstmals klappern, einen Merkzettel. Der wird mit den Terminen auf die Rückseite der Klapper geklebt. Die hölzernen Krachmacher werden von Generation zu Generation weitergegeben. "Die hat mein Opa Jürgen gebaut", erzählt etwa Emilia Scheit stolz. Dass die Liedtexte auswendig gelernt werden, ist Ehrensache, dafür sorgen die "Klappermeister". Bei der "Stempestruppe" sind das Fabian Geipel und Lorenz Schubert, die beiden Ältesten. Auch das ist wie früher geregelt. Mit 14 ist Schluss, und im letzten Jahr haben die Klappermeister das Sagen, müssen organisieren, den Einsatzplan verteilen und am Ende die an den Haustüren gesammelten Eier, Süßigkeiten und manchen Euro gerecht verteilen. Die Kleinen bekommen weniger, die Größeren schon etwas mehr. Der Bonus für die "Teiler", wie sie früher hießen, ist obligatorisch und gilt als Dank für Klapperdienst vom Kindergarten bis zum Schulende. "Eine erste Verpflichtung und Verantwortung", meint Fabians Mutter Nadine, und: "Das ist schon immer so gewesen, da wachsen die Kinder hinein."