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Kissinger Tafel hilft über den Alltag hinaus


Autor: Klaus Werner

Bad Kissingen, Freitag, 10. Mai 2013

Die Bad Kissinger Tafel hat im vergangenen Jahr rund 45 000 Kilogramm Lebensmittel an Menschen verteilt, die diese Unterstützung dringend benötigen.
Im Tafel-Laden in der Salinenstraße bereiten sich die Mitarbeiter auf die Kunden vor. Foto: Archiv/Angelika Luga-Braun


"Die Kissinger Tafel macht unsere Stadt lebenswerter: Sie trägt zum sozialen Frieden in der Stadt bei." - Das Lob von Oberbürgermeister Kay Blankenburg (SPD) war nicht aus der Luft gegriffen. Seit fast zehn Jahren versorgt die Kissinger Tafel durchschnittlich 172 Bedürftige mit Lebensmitteln und trägt so zu einer wesentlichen Verbesserung der Lebensqualität bei. Das kann man in Zahlen messen: Rund 45 000 Kilogramm Lebensmittel wurden im Jahr 2012 verteilt.

Der Oberbürgermeister sprach in diesem Zusammenhang von einer "Win-Win-Situation", wobei er drei Beteiligte erwähnte: Erstens die Helfer, die etwas Sinnvolles tun wollen, zweitens die Personen, denen das gegeben wird, was sie zum Leben brauchen, und drittens das von denjenigen, die diese Überschüsse sonst wegwerfen würden. Den letzten Punkt griff Tafel-Vorsitzende Iris Hönig in ihrem Tätigkeitsbericht auf.

Lebensmittel nicht vernichten

Die deutschen Tafeln, sagte sie, sind "Lebensmittel-Retter": "Lebensmittel, die mit großem Aufwand und vielen Ressourcen erzeugt wurden, werden nicht vernichtet." Dafür sorgt auch die Bad Kissinger Tafel. Seit dem Jahr 2005 kümmern sich viele Helfer "sehr zuverlässig" um die Versorgung derjenigen, die mit einem "Tafel-Schein" Woche für Woche in die Alte Feuerwache in der Salinenstraße kommen, um dort frisches Obst und Gemüse, Backwaren oder Konserven zu erhalten. Der Tafelschein, so Iris Hönig, muss als Nachweis der Bedürftigkeit nach neun Monaten überprüft werden. Die Leistungen der Helfer bezifferte sie auf 9500 Stunden - geschätzt wie sie bemerkte, "denn bei uns gibt es keine Stechuhr". In ihrem Rückblick ging sie auf einige wichtige Aktionen ein. So bewertete sie zum Beispiel die Osternester für die "Tafel-Kinder" als wichtige Aktion für das Selbstwertgefühl der Kleinen, Gleiches gilt für die Büchertaschen, die für die Tafel- und die Asylbewerber-Kinder von den Verantwortlichen der Aktion "Versteckte Engel" finanziert werden. "Die versteckten Engel springen schnell und unbürokratisch ein, wenn es die Kinder von bedürftigen Familien geht", sagte Iris Hönig. "Jedoch muss sichergestellt sein, dass keine staatliche Hilfen zu erwarten sind."

124 Paletten mit Lebensmitteln

"Bei uns ist die Arbeit auf viele Schultern verteilt", stellte Iris Hönig fest und lobte das Engagement aller Helfer. Neben der Muskelkraft sind auch die Fahrzeuge wichtig, mit denen im letztes Jahr fast 20 000 Kilometer zurückgelegt wurden. Das Kühlfahrzeug soll im Herbst ersetzt werden. Einsatzzweck und Wirtschaftlichkeit sollten geprüft werden, so eine Anregung aus dem Kreis der Mitglieder.

Den Umfang der Arbeit lässt sich auch den Kassenzahlen ablesen: 550 Buchungen mussten erfasst werden, so Marina Schachenmeyer. Einnahmen in Höhe von 32 494 Euro standen Ausgaben in Höhe von 29 298 Euro gegenüber. Spenden in Höhe von 18 000 Euro waren die größte Einnahmequelle, trotzdem sei ihr ein Rückgang zu verzeichnen. Gleiches gilt auch für die "Versteckten Engel". Hier gab es Spendeneinnahmen in Höhe von "nur" 2 345 Euro bei Ausgaben von 6 600 Euro.

Mehr Spenden sind nötig

Trotz der gesicherten Finanzen müsse man mehr Spenden akquirieren, um die Aufwendungen finanzieren zu können.

Die Tafel

Bei der Kissinger Tafel sind 271 Tafelscheine/Haushalte registriert. Davon sind regelmäßig 219 "Kunden" bei den Abholzeiten am Mittwoch bzw. Samstag. Durchschnittlich sind es 172 Kontakte pro Woche. Pro Jahr sind das 8925 Kontakte.

69 Prozent der Tafelkunden beziehen AlGII, 16 Prozent Grundsicherung im Alter, 7 Prozent Grundsicherung Erwerbsunfähigkeit und 8 Prozent aus verschiedenen Gründen. Zweidrittel der Tafelkunden sind im erwerbsfähigen Alter zwischen 16 und 64 Jahren; 22 Prozent liegen darunter, 14 Prozent liegen darüber.

In Deutschland gibt es über 900 Tafeln mit mehr als 3000 Ausgabestellen, die 5000 Fahrzeuge im Einsatz haben. Für die Tafeln arbeiten ca. 50 000 freiwillige Helfer und ca. 4000 bezahlte Mitarbeiter. 60 Prozent der Tafeln sind Projekte in Trägerschaft von gemeinnützigen Organisationen (Diakonie, Caritas, DRK, AWO), die übrigen sind eingetragene Vereine. Die Tafeln unterstützen regelmäßig etwa 1,5 Millionen bedürftige Menschen: 53 Prozent Erwachsene im berufstätigem Alter, 30 Prozent Kinder und Jugendliche, 17 Prozent Rentner.

Nach einer Studie der FAO, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN, landet ein Drittel der weltweit produzierten Lebensmittel auf dem Müll: das sind 1,3 Milliarden Tonnen. In Deutschland sollen es 11 Millionen Tonnen Lebensmittel sein, die auf dem Müll landen, davon kommen 4,7 Millionen Tonnen von Privathaushalten. 60 Porzent davon wären vermeidbar.

(Quelle: "feedback", Magazin für Freunde, Förderer und Mitarbeiter der Tafeln in Deutschland, Ausgabe 1/2013.)