Kissinger Sommer: Von wegen Ensemble Mini!
Autor: Thomas Ahnert
Bad Kissingen, Donnerstag, 07. Juli 2022
"Ensemble Mini" ist ein Zusammenschluss von jungen Leuten aus mehreren deutschen Orchestern, die Projektarbeit machen wollen und die streichen und tuten und trommeln wie der Teufel.
Was irritierte, war der Name: Für das zweite Wandelkonzert am Mittwochabend im Kurtheater war das "Ensemble Mini" angekündigt. Was sollte man sich darunter vorstellen? Mini heißt nun mal klein, und was bedeutet das im Bereich der Musik?
Vom Programm her musste es sich um ein Kammerorchester handeln, und die sind nicht so groß wie ihre vollsinfonischen Kollegen. Aber Mini? Spielen da vielleicht Kinder mit? Flötengruppen sogar? Schwamm drüber. Man ging halt hin, weil man neugierig ist und weil das Programm Spannung versprach: "Bartók Beyond Borders" oder "Bartók grenzenlos". Da durfte man sich einiges erwarten.
Und in der Tat: Der Name "Ensemble Mini" erwies ich als der falscheste oder unpassendste, der zu finden war. "Ensemble Maxi" wäre wesentlich passender gewesen. Denn das ist ein Zusammenschluss von jungen Leuten aus mehreren deutschen Orchestern, die Projektarbeit machen wollen und die streichen und tuten und trommeln wie der Teufel. Die eine enorme Orchestervirtuosität entwickelt haben und auch vor den kompliziertesten Rhythmen nicht zurückschrecken. Die einfach eine mitreißende Musik machen.
Da kam das Projekt "Bartók Beyond Borders" gerade recht. Oder anders gesagt: Béla Bartók hätte kein besseres Orchester für seine Musik finden können. Die jungen Leute spielten aus einem Guss, mit einem Atem, mit totaler Spannung und Konzentration. Selbst Joolz Gale, der Leiter und Dirigent des Ensembles, dirigierte mitunter sogar die schnellen Achtel - nicht, weil das nötig gewesen wäre, sondern weil seine Spannung ein Ventil brauchte.
Ziel des Projekts ist es, Zusammenhänge und Einflüsse der Musik im türkisch-arabischen Raum und in der K.-und-K.-Monarchie aufzuzeigen. Und da bietet sich Bartók ganz einfach an, weil er die Musik, wenn auch westlich gegründet, immer als interkulturelle Angelegenheit verstanden hat. Bei der Konzertsuite "Der wunderbare Mandarin", deren Uraufführung als Ballett 1919 noch einen kapitalen Skandal ausgelöst hat, sind die Einflüsse noch nicht so deutlich. Aber es ist eine fabelhafte Musik mit einem knallharten Realismus aus der Welt der Prostitution und der rabiaten Zuhälter, bruitistische Großstadtmusik voller Aggressionen, aus der nur gelegentlich die Harmonie suchende Klarinette herauszuhören ist, die die tanzende Dirne begleitet. Das war mit einem umwerfenden Zugriff musiziert, und man wusste schnell, dass der Abend spannend würde.
Dass die Grenze zwischen dem Osmanenreich und Österreich-Ungarn lang und zumindest musikalisch durchlässig war, zeigte sich bei den Rumänischen Volkstänzen für Klavier, die der Darbukaspieler Rony Barrak aus dem Libanon für das Ensemble und sich selbst als Solisten bearbeitet hatte. Allein schon, dass er mitspielte, als sei das von Bartók so vorgesehen gewesen, zeigte, wie kompatibel die beiden Musiken sind.
Aber noch deutlicher wurde das in den Vorspielen für Darbuka solo. Die Darbuka ist ja, simpel ausgedrückt, ein abgesägtes Metallrohr größeren Durchmessers, das an einem ende mit einem Trommelfell bespannt ist. Für diese Intros hatte er rhythmische Zitate mit türkischen Standards kombiniert, die eine wunderbare Stimmung verbreiteten.