Druckartikel: Kissinger Beratungsstelle bietet Hilfe bei ADHS

Kissinger Beratungsstelle bietet Hilfe bei ADHS


Autor: Carmen Schmitt

Bad Kissingen, Montag, 03. Februar 2014

Wenn es keinen Platz für Regeln gibt, entstehen Probleme. Kinder mit ADHS ecken an. Betroffene Familien finden bei der Bad Kissinger Beratungsstelle Hilfe.
Symboldild


Das Grundschulkind sitzt mit seiner Mutter am Küchentisch. Alles ist friedlich. Beide sind fertig mit dem Mittagessen. "Zeit für die Hausaufgaben", sagt die Mutter. Plötzlich kippt die Stimmung. Das Kind explodiert, rastet aus, Beschimpfungen knallen über den Esstisch. "Ganz typisch für ADHS. Die Kinder haben häufig Probleme mit ihren Gefühlen", sagt Katja Fleischmann.

Die Psychologin arbeitet seit drei Jahren bei der Bad Kissinger Beratungsstelle

für Eltern, Kinder und Jugendliche vom Caritasverband. Sie bietet Beratung und gibt Kurse für Eltern von Kindern mit Aufmerksamkeitsstörungen wie ADHS. Wenn die Eltern Hilfe bei ihr und ihrem Team suchen, kommen sie zunächst ohne den Nachwuchs zu ihr und fragen "Hat mein Kind vielleicht ADHS?"

Oft raten Lehrer, Kindergärtner oder Ärzte den Eltern, Katja Fleischmann zu besuchen. Auslöser sind häufig Probleme in der Schule. "Die Lehrer sagen: der schaukelt ständig, der vergisst seine Hausaufgaben, der stört im Unterricht. Dadurch stehen die Eltern unter Druck und sind mit Kritik konfrontiert", sagt Katja Fleischmann.

Nicht in die hintere Reihe

Auch im Jack-Steinberger-Gymnasium in Bad Kissingen ist ADHS ein Thema. Die Schulpsychologin Andrea Rottmann berät die Schüler, wenn sie bei ihr Hilfe suchen. "Was könntest du machen, um im Unterricht konzentrierter zu sein?" Die 38-Jährige spricht auch mit den Lehrern. In Konferenzen berät sie sich mit ihnen über den Umgang mit den Schülern. "Viele Lehrer unterrichten das gleiche Kind."

Eine große Rolle spiele der Sitzplatz: "Nicht in die letzte Reihe, sondern in die Nähe des Lehrers", sagt Andrea Rottmann. So könne der dem Schüler schnell und ohne Worte zeigen "wir sind bei Nummer fünf". Nicht immer wissen die Lehrer von der Erkrankung. Gerade das wäre aber der "Idealfall". "Es ist immer gut, wenn das Elternhaus und die Schule zusammenarbeiten." Auch wenn ADHS keine Diagnose sei, die man gerne weitererzähle.

Ablehnung vom Umfeld

Für viele Familien ist die Aufmerksamkeitsstörung eine große Belastung. Nicht immer reagiert ihr Umfeld verständnisvoll. Freunde wenden sich ab. Die Eltern müssen sich rechtfertigen, sind mit Ablehnung oder Vorwürfen konfrontiert, fühlen sich schuldig, ratlos, verunsichert oder überfordert. Manchmal entsteht eine Distanz zum Kind, vor der die Katja Fleischmann warnt: "Die Eltern müssen sich vorhalten: Mein Kind macht mir nicht absichtlich Probleme."

Im Maria-Stern Kindergarten in Hausen sind keine Kinder mit der Diagnose ADHS. "Vielleicht gibt es welche, aber man sagt, dass man das erst im Schulalter feststellen kann", meint die Kindergartenleiterin Mirjam Mack. "Was wir haben, das sind sehr aktive Kinder, die eine feste Hand brauchen, Regeln und Konsequenzen." Es komme darauf an, dass sich Kinder austoben aber auch zurückziehen können, wenn ihnen danach ist. "Wenn wir merken, dass ein Kind permanent aufgedreht ist, wenden wir uns an die Eltern." Mirjam Mack spürt, wenn jemand aus der Reihe tanzt. "Wir können viele Kinder in ähnlichem Alter vergleichen." Trotzdem sei jedes Kind anders. Sie fragt dann die Eltern, ob ihnen das auch schon aufgefallen sei und schickt sie in ärztliche Hände oder zu Beratungs- und Förderstellen.

Struktur und langer Atem

"Als Elternteil muss ich damit rechnen, dass das Kind mich bis an meine Grenzen fordert", sagt Katja Fleischmann. ADHS-Kinder sind impulsiv, hartnäckig und von sich überzeugt. "Sie merken, dass sie Ärger bekommen, denken aber, dass der nicht gerechtfertigt ist", sagt die Psychologin. "Die Eltern müssen akzeptieren: Ja, es ist da und ja, es wird bleiben und ja, es kostet mich sehr viel Kraft." Katja Fleischmann betont, dass die Eltern wissen müssen, dass ADHS nicht durch ihre Erziehung entstanden ist. Aber das Verhalten der Eltern sei maßgeblich im Umgang mit dem erkrankten Kind. Wichtig ist ein strukturierter Alltag. Die Kinder beschreiben ihr ein "Chaos im Kopf". Darin ist wenig Platz für Regeln. "Die Eltern brauchen einen langen Atem. Sie dürfen ihre Erwartungen nicht zu hoch stecken und müssen kleine Veränderungen honorieren", sagt Katja Fleischmann.

In ihrer Beratung will sie erklären, wie die Familien ihre Probleme in den Griff bekommen. "Hinter jedem Kurs steckt das Ziel, die Selbststeuerung der Kinder zu verbessern."