Kissingen bleibt von "Vermaisung" verschont
Autor: Edgar Bartl
, Dienstag, 25. Sept. 2012
Die Energiewende hat eine unerwartete Folge für die Natur: Vor allem immer mehr Mais für Biogasanlagen wird angebaut. Das gilt für den Landkreis Bad Kissingen jedoch nur eingeschränkt.
Der Anhänger heißt zu Recht "Gigant" und der dazu gehörende Traktor ist auch nicht von schlechten Eltern: Das Duo kann bis zu zehn Tonnen transportieren. Solche Gespanne laufen quasi im Zehn-Minuten-Takt bei der Biogas-Anlage in Bad Bocklet ein. Dort herrscht Hochkonjunktur, es ist gerade Erntezeit für den Silomais. Das merkt man auch an den angrenzenden Feldern: Mais, fast überall wohin man blickt. Fast scheint, es würde diese Pflanze die Region dominieren. Manche sprechen bereits von einer drohenden "Vermaisung".
Karlheinz Vogler gehört nicht dazu. "Wo ist bei uns eine Vermaisung?", fragt er zurück. Der Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes (BBV) sagte, früher sei, wegen der Viehzucht, genauso viel Mais erzeugt worden wie derzeit. Das Niveau heute bewege sich auf der gleichen Höhe wie vor 20 bis 30 Jahren. In anderen Gegenden, wie zum Beispiel im Raum Ansbach, so Vogler, sehe das aber anders aus. Außerdem: Mais sei keine nutzlose Pflanze, sie binde eine Menge des "Treibhausgases" CO 2 .
Andreas Ofenhitzer vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AfELF) nennt Zahlen: 29.300 Hektar Ackerfläche gibt es im Kreis Bad Kissingen. Auf 1700 Hektar stand 2011 Mais (2002: 1150 Hektar). Das ist ein Anteil von 5,79 Prozent (3,88 Prozent). Allenfalls in der Nähe von Biogasanlagen gebe es - wegen der kurzen Wege - eine gewisse Verdichtung und Konzentration auf Mais. Dort könne der subjektive Eindruck einer "Vermaisung" entstehen.
Mehr Mais durch schlechtes Wetter
2012 sei ein Sonderfall mit 1900 Hektar Mais. Nach den extremen Wetterverhältnissen im Frühjahr mussten die Bauern viele Flächen neu aussähen. Meist kam Mais zum Zuge. Auch Edgar Thomas hat sich damals auf 70 Hektar für den "Energiespender" entschieden. Der brauche wenig Wasser und habe ein "kurzes Zeitfenster" von fünf oder sechs Monaten.
Thomas sieht keine drohende "Vermaisung"; "gibt es bei uns nicht." Er kann nicht ganz nachvollziehen, dass nach einem Bundesgesetz neue Biogas-Anlagen nur noch zu 60 Prozent mit Mais betrieben werden sollen. Im Landkreis seien weniger als zehn Prozent damit bebaut. Die Flur sei sogar wieder "bunter" geworden als früher. Die Region könnte noch mehr Mais vertragen, sagt Thomas, der einen Betrieb mit 250 Hektar hat.
Sicher, auch die Betreiber der Biogas-Anlage, zu deren Gesellschafter Thomas gehört, "probieren das Eine oder Andere aus" wie etwa die Durchwachsene Silphie (Silphium perfoliatum) oder das ungarische Energiegras (Agropyron elongatum).
Mais bringt die höchsten Erträge
Aber: "Der Mais setzt am besten die Sonnenenergie um". Er bringe die höchsten Erträge. Daher sei auch eine Umstellung "im Moment nicht geplant". Die Alternativen seien im Moment nicht wettbewerbsfähig.
Deshalb war Wallung in der Biogas-Anlage bei Bad Bocklet und auf den umliegenden Feldern. Zwei Häcksler waren im Dauereinsatz bis in den Abend. Jeweils sechs bis acht Abfahrer transportierten die zerkleinerten Pflanzen auf den Hof. Dort nahmen Steffen Krisam oder ein Kollege eine Probe. Dann wurde das Material abgekippt, mittels Schieber zu einem sechs Meter hohen Haufen aufgetürmt und verdichtet, damit es haltbar ist. 2000 bis 3000 Tonnen wurden täglich verarbeitet. 13.500 Tonnen wurden auf 10.000 Quadratmetern gelagert. "Das reicht für ein gutes Jahr", sagt Thomas.
Die Biogas-Anlage Bad Bocklet samt Blockheizkraftwerk ist vor fünf Jahren in Betrieb gegangen. Sie hat drei Millionen Euro gekostet, erzeugt Strom und Abwärme. Die Betreiber-GmbH hat 14 Gesellschafter. Täglich entstehen in drei Gärbehältern 8500 Kubikmeter Gas. Ein Blockheizkraftwerk mit einem 16-Zylinder-V-Motor erzeugt damit und mit Erdgas 1290 KW elektrische und thermische Leistung.